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Ein gutes Leben für alle

lebenfüralleBedingungsloses Grundeinkommen – Befreiung von Repression und unbefriedigender Arbeit oder Radikaler Umbau des Sozialstaats?
Eine Analyse von Anne Rieger

Hunderttausende haben keine Erwerbsarbeit oder keine zum Auskommen, ungeliebte Fronarbeit, die weder Befriedigung noch Selbstbewusstsein vermittelt. Hunderte werden durch Repression gedemütigt, leben prekär und sind aus den gesellschaftlichen Zusammenhängen ausgeschlossen. Vom bedingungslosen Grundeinkommen (bGE) erhoffen sie sich Befreiung aus dieser oft chancen- und hoffnungslos scheinenden sozialen Situation, Befreiung vom Lohnarbeitszwang.
Experimente dazu gab und gibt es in einigen Ländern wie z.B. in den Niederlanden, Finnland, Indien, Namibia, Brasilien, Berlin. Schaut man genau hin handelt es sich aber nicht um ein bedingungsloses Grundeinkommen sondern um staatliche Leistungen an Bedürftige. Sie sind im kapitalistischen System eine notwendige Überlebenshilfe für die Ausgegrenzten des Systems.

Ihre Ausgestaltung ist unterschiedlich. Gezahlt wird sie an Sozialhilfeempfänger in den Niederlande, als quasi „aufstockende“ Mindestsicherung in Finnland, an Menschen in Orten in denen besonderes Armut herrscht in Indien oder Namibia oder an die ärmsten Haushalte im Land in Brasilien. In Berlin wird eine über Crowdfunding finanziert Zahlung von 12.000 Euro verlost, die über 12 Monate bisher an 21 bGElerInnen für maximal ein Jahr  zur Verfügung gestellt wurde. In der Schweiz wird erst im kommenden Jahr über eine Volksinitiative zum bGE abgestimmt.

Nicht über begrenzte Experimente eines Grundeinkommens soll hier diskutiert werden, sondern über das bGE, wie es das Netzwerk Grundeinkommen in Österreich formuliert:
„Grundeinkommen ist eine bedingungslose, finanzielle Zuwendung, die jedem Mitglied der Gesellschaft in Existenz sichernder Höhe, ohne Rücksicht auf sonstige Einkommen, auf Arbeit oder Lebensweise als Rechtsanspruch zusteht und eine Krankenversicherung inkludiert“. Allen BürgerInnen, alle BewohnerInnen des betreffenden Landes soll es zur Verfügung gestellt werden.

Soziale Sicherheit von der Erwerbsarbeit entkoppeln

Es geht um ein gutes Leben für alle. Dabei soll die soziale Sicherheit von der Erwerbsarbeit entkoppelt werden. Nur ist das sowohl für die/den Einzelne/n als auch für eine Gemeinschaft unmöglich. Ohne die Produktion von Nahrung, Gütern und Dienstleistungen wenigstens eines Teils der Gemeinschaft wird sie insgesamt verhungern und zu grunde gehen, es sei denn, von außen werden Lebensgüter zugeführt. Das könnte durch freiwillige Spende geschehen (Berlin) oder durch gewaltsame Erpressung anderer gesellschaftlicher Einheiten.

Ein Teil einer Gemeinschaft muss also immer arbeiten für den Erhalt aller. Im Falle eines bGE muss dann entschieden werden, welcher Teil arbeitet und es muss entschieden werden, wer diese Entscheidung treffen soll. Dass sich das im friedlichen, gemeinsamen Miteinander quasi von selbst löst, weil die einen gerne Müll entsorgen, Holz für den modernen Hausbau schlägern, Ackerbau betreiben und als Roboteranhängsel Smartphones produzieren, die anderen sich der Forschung, Entwicklung, Kunst, Literatur widmen und ein weiterer Teil gar nicht arbeiten wird,  geht an der Realität unserer kapitalistischen Ellenbogengesellschaft vorbei.

Richtig ist allerdings, dass die Produktivität auf Grund der technologischen und arbeitsorganisatorischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten so zugenommen hat, dass der Zeitaufwand zur Herstellung lebensnotwendiger, sozial nützlicher und umweltfreundlicher Güter und Dienstleistungen enorm zurück gegangen ist. Im Zuge der propagierten Industrie und Wirtschaft 4.0 wird er noch weiter zurück gehen.

Arbeit ist genug da – Geld auch, um sie zu bezahlen

Das heißt aber nicht, das uns die Arbeit ausgeht. Gesellschaftlich notwendige Arbeit ist genug da: Würden, entsprechend den Forderungen aus der Pisa Studie, in unseren Schulen die Klassenstärken auf ein Niveau gesenkt, wie es in Finnland oder Kuba üblich ist, müssten zusätzlich tausende Lehrer und Sozialarbeiter eingestellt werden. Arbeitsplätze in Krankenhäusern, im Pflegebereich, an Kinderbetreuungseinrichtungen, an den Hochschulen, im Umweltschutz, im öffentlicher Nah- und Fernverkehr, Radwegenetze im Stadtverkehr, erneuerbare Energieträger, Technologie zur Erhöhung der Energieeffizienz, energetische Sanierung von öffentlichen und privaten Gebäude, und … werden dringend benötigt.
Auch Geld ist genug da, um sie gut tariflich zu bezahlen. Allerdings besitzt ein minikleiner Teil der Gesellschaft Milliarden, die große Mehrheit wenig und ein Teil davon praktisch nichts. Die Eigentumsverhältnisse sind höchst ungleich verteilt sind. So entspricht es der Interessenlage der Mehrheit der Gesellschaft sich darüber Gedanken zu machen, wie einerseits die zur Produktion notwendige Arbeitszeit und andererseits das immens vorhandene Vermögen und Eigentum so verteilt werden kann, dass es zu einem guten Leben für alle kommt und gesellschaftlich notwendige und nützliche Arbeit bezahlt wird. Einige schlagen dafür das bGE vor.

-> Interessenlage der Kapitalbesitzer: Senkung der Lohnkosten

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3 Gedanken zu „Ein gutes Leben für alle

  • bernd uhl

    Der imperialismus ist nicht friedensfehig Ursache fuer Terrorismus und Untertrueckung

    Antwort
  • Axel Tigges

    Ein BGE gibt dem Menschen die Möglichkeit sich von dem Geldsystem zu verabschieden, wer will das nicht? Gehen wir in die Geschichte, Menschen ohne Geld waren als Jäger und Sammler eigentumslos. Das Geld hat ihnen die Möglichkeit gegeben Eigentum zu erwerben, und dadurch andere die kein Eigentum hatte zur Arbeit zu zwingen. So wurden in der Natur solange Menschen mit einer Eisenkugel zur Arbeit gezwungen, bis man ihnen ihren Besitz (die kostenlose Versorgung durch die Natur ) genommen hat, und ihnen Geld angeboten hat, wenn sie arbeiten. So hat man auch den Aborigines und Indianern das Land genommen. So sind wir alle Geldsklaven, und die Forderung, dass das Geld anders aufgeteilt wird, funktioniert systemisch nur so, dass immer Weniger immer mehr haben, und immer mehr einfach verhungern. Somit ist der erste Schritt, dass was Russland macht, jedem Menschen kostenlos ein Stück Land zur Verfügung zu stellen. Und da das hier nicht passiert, ist der erste Schritt in die Freiheit, das zu tun, was ihn begeistert. Und hier liegt das Missverständnis. Was ist natürliche Begeisterung? Warum gibt es diesen Mangel wirklich? Ohne Geldsystem könnte auch jeder Bauer heute 500 Menschen ernähren und zwar biologisch und nicht Chemie und Pharma gesteuert. Mit Hilfe des Geldsystems werden Menschen erpresst und dumm gehalten nach dem Motto : SCHAU MIR NICHT IN DIE KARTEN ICH MUSS GEWINNEN! Das Belohnungs- und Betrafungssystem in dem unsere Generationen vor uns und wir groß geworden sind, beschleunigt die Isolierung der Menschen und ermöglicht dadurch die grenzenlose Gier Weniger, die ja nicht mal mehr an Produktion interessiert sind, sondern nur noch an Bereicherung durch Geldvermehrung. Denn woran wird verdient an Menschen oder an Waffen, mit denen sich die Menschen gegenseitig umbringen sollen, wie das George Friedman der Chef der Denkfabrik STRATFOR als Berater von Obama äußert: TEILE: HETZE DIE MENSCHEN GEGENEINANDER AUF & HERRSCHE MIT WAFFENÜBERLEGENHEIT https://www.youtube.com/watch?v=vln_ApfoFgw

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  • Dr. Karl Reitter

    Werte Anne Rieger
    Nur zur Klarstellung: 1. Die Vorschläge von Götz Werner zur Finanzierung des BGE werden innerhalb der BefürworterInnen mir ganz großer Mehrheit abgelehnt. Das sollte doch auch gesagt werden. 2. Es ist kein Zufall, dass so gut wie alle VertreterInnen des Kapitals das BGE teilweise wütend ablehnen – siehe die jüngste Debatte in der Schweiz. 3. Nützliche Arbeit wird keinesfalls nur innerhalb des Erwerbssektors geleitet, mehr Arbeitsstunden werden jenseits davon verausgabt. Ohne diese Arbeit würde die Gesellschaft binnen Tagen zusammenbrechen, haben sie sich das schon einmal überlegt? 4. Als Marxist geht es mir darum, die Kerninstitution des Kapitalismus anzugreifen, das ist die Lohnarbeit. „Nieder mit dem Lohnsystem“ das schrieb Marx. Im Artikel wird hingegen die Lohnarbeit gefeiert, dass es sich dabei um entfremdete Arbeit handelt, wird schlichtweg ignoriert. 5. Der Artikel affirmiert vollkommen die herrschenden Formen, noch mehr Lohnarbeit = noch mehr Kapital; das ist offenbar die Lösung. Die Emanzipation wird auf den St. Nimmerleinstag verschoben, nach der Machtergreifung… 6. Dass die Arbeitszeitverkürzung den Menschen die in prekären Verhältnissen leben (inklusive der neuen StücklohnarbeiterInnen, vulgo neue Scheinselbständige) überhaupt nichts bringt und ihre Lage keinen Deut verbessert, wird völlig ignoriert. Wenn jemand dem Kapital in die Hände arbeitet, dann sie! Und glauben sie mir, sie würden mit ihrer Denunziation des BGE ein der Industriellenvereinigung, bei der ÖVP usw. heftigen Applaus ernsten – und das gibt ihnen nicht zu denken?
    Karl Reitter

    Antwort

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