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See-Schweiz-Salz

Abgaben gibt es schon so lange wie Verwaltungen, welche davon leben. Ebenso alt ist der Widerstand gegen Gebühren. Steuerboykott ist jedoch nicht reichen Schmarotzern vorbehalten.

Straßen, Straßenbahnen, Schulen, Schwimmbäder, Schutzdämme, SeniorInnenheime, Sportstätten, Streugut, Sozialwohnungen, SozialarbeiterInnen: Allein Ultraliberale können bei dieser Liste den Sinn von Steuern verwerfen, weil sich das alles theoretisch privat finanzieren ließe. Kaum jemand entrichtet gerne Steuern, aber die meisten werden mit Verweis auf die obige Aufzählung einsehen, dass zumindest Bruchteile ihrer Abgaben zu ihnen zurückfließen. Natürlich wird mit Steuern auch eine Menge Unsinn betrieben; in jedem Budget finden sich Posten, die aufgebauscht sind und solche, die nie hoch genug sein können. Und mit Steuern kann man natürlich Völker knechten. Da sie letztlich die staatliche Einnahmequelle schlechthin sind, brachte die massenhafte Weigerung, Steuern zu zahlen, zu allen Zeiten Großmächte ins Wanken.

 

Limonta

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Hugo Heikenwalder: Villa D’Este, Lago di Como. CC BY-SA 2.5

So waren es nicht nur Hungerkrawalle, sondern Steuerembargos, welche das Chinesische Kaiserreich im Osten und das Römische Imperium im Westen immer wieder herausforderten. In Limonta am Comer See ging man nicht so weit wie die Menschen in der Provinz Judäa oder die Gelben Turbane, welche mitunter Gewalt gegen die Finanzautoritäten anwandten. Trotzdem protestierten sie über Jahre (882-905) gegen ihren Abt. Dieser hatte eine Kopfsteuer erhöht, was das Arbeitspensum der Landbevölkerung während der Olivenernte deutlich angehoben hätte. Widerrechtlich, wie die LimontinerInnen meinten. Sie seien nämlich freie BürgerInnen, nicht leibeigen. Am Ende des Konflikts stand ein Kompromiss mit dem Lehnsherrn. Die zähen Proteste fanden zum Beispiel als Märsche und Versammlungen sowie Petitionen statt.

 

Basel

Verbrauchssteuern sind solche, die jedeR irgendwann zahlt, vom Flüchtling bis zum Vorstandschef. Sie gehören mit zu den größten Einnahmequellen der Steuerbehörden; in Österreich legten sie zuletzt wegen Reformen zu. Ähnliches erwarteten sich wohl die Basler Behörden Ende des 16. Jahrhunderts. Damals sollten Gebühren auf den Weinkonsum (Weinungeld) erhöht werden. Zuvor waren diese fix, nun würden sie an den Weinpreis angepasst. Der Basler Rat wies eine Bitte der Landbevölkerung ab, diese Steuer nicht zu erhöhen. Daraufhin zogen Bürger und Bauern vor die Tagsatzung und trugen ihr Anliegen erfolgreich vor. Nach einiger Zeit versuchte es Basel unter Zwang und stationierte 1594 in einer Gemeinde Truppen. Menschen aus dem Umland zogen bewaffnet zur Wildensteiner Weide. Es gelang, eine Einigung über die Weinsteuer zu erzielen: Die alten Sätze blieben bestehen. Zusätzlich war jetzt ein Rappenmasspfennig zu zahlen, was einer Erhöhung des Weinungelds um das Dreifache entsprach.

 

Boston

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Nathaniel Currier: The Destruction of Tea at Boston Harbor, 1846. Gemeinfrei.

Um Kosum geht es immer wieder. An einem Dezemberabend im Jahr 1773 machen sich 7000 BostonerInnen, gerade Kaufleute, zum Hafen auf. Einige schminken sich, um unerkannt zu bleiben. Andere stecken sich Federn an den Hut. Eigentlich ist die Versammlung, die sie verlassen, noch nicht vorüber. Doch sie haben genug, wollen nicht mehr debattieren. Sie haben jahrelang heftig angeredet, gegen koloniale Stempelsteuern auf Druckerzeugnisse etwa. Aber die hohen Einfuhrzölle, die allen Einsprüchen zum Trotz für englische Importwaren bezahlt werden sollen, bestehen immer noch. Der Schmuggel mit holländischem Billigtee hatte gerade deshalb floriert. Die weißen EinwohnerInnen Neuenglands wollen keine Abgaben entrichten, ohne in Westminster klar mitentscheiden zu können. Sie skandieren „no taxation without represantation“, keine Besteuerung ohne Vertretung. London will die marode East India Company retten, die den legalen Handel bestimmt.

Die Demonstration zieht zum Pier, besteigt die dort liegenden Güterschiffe. Was nicht in Boston verkauft werden kann, wird nicht besteuert: Teekisten gehen in Jubelrufen über Bord. Diese Aktion geht als Boston Tea Party in die Geschichte des US-Sezessionskriegs ein.

 

 

Dandi

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FotografIn unbekannt: Mahatma Gandhi and Sarojini Naidu during the Salt Satyagraha of 1930. Gemeinfrei.

Der Verlust der 13 Kolonien war ein herber Schlag für das britische Imperium. Unter Viktoria schien sich das Weltreich dennoch zu erholen und zu unerkannter Größe anzuwachsen. Die Verwaltung im Kolonialreich lernte aus der Bostoner Erfahrung. Nach dem Ersten Weltkrieg sollten dann neuerlich Steuern den Anstoß für zivilen Ungehorsam in einem Kerngebiet der Krone geben. In Indien bildete sich unter Leitung eines asketischen Anwalts eine gewaltfreie Steuerboykott-Bewegung. Mohandas Karamchand Gandhi, der schon in Südafrika Demos organisiert hatte, machte sich im März 1930 mit Verbündeten nach Dandi am Arabischen Meer auf, um gegen das Salzmonopol der Briten zu protestieren. Er rief dazu auf, Salz selbst zu fördern und zu handeln. Die Behörden verhafteten daraufhin zehntausende, doch der Salzmarsch entzündete unaufhaltsam den indischen Unabhängigkeitskampf. Ergo umgehen nicht nur reiche SchmarotzerInnen die Steuer. Es gibt legitime Gründe und so manch erfolgreichen Boykott.

 

Dieser Artikel ist Teil einer kleinen Serie. Lesen Sie hier die anderen Teile:

Teil 2: Gott-Grüne-Georgsband zur Friedensbewegung.

Teil 1: Paris-Prater-Parlament zu Frauenrechten.

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