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Ausgerechnet Die Presse

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 88]

bildschirmfoto-2016-09-28-um-10-49-50Als Rainer Nowak 2012 in Österreichs bürgerlichem Leitmedium zum Chefredakteur aufstieg, tat sich bei der Presse einiges. 2013 gab sich das Traditionsblatt wegen sinkender Reichweiten ein neues Layout. Seit dem Frühjahr 2014 veröffentlicht die Website unternehmensspezifische Pressenews, die über Editorials hinausgehen. Im Oktober 2014 wurde Nowak auch Herausgeber, seit 2015 erscheint das umfangreiche Magazin Die Presse Geschichte. Die Presse wurde unter dem neuen Chef drei Jahre hintereinander als „Redaktion des Jahres“ geadelt, er selbst war 2015 „Journalist des Jahres“.

Inhaltlich weicht die Tageszeitung auch von der Ära Fleischhacker ab, ganz zu schweigen von der Ära Unterberger. Am deutlichsten tritt dies beim Thema Verbotsgesetz zutage. Michael Fleischhacker führte immer wieder die Meinungsfreiheit für die Wiederbetätigung ins Feld. Eine liberale Gesellschaft müsse eben auch FaschistInnen aushalten, argumentierte der Wannabe-Ami.

 

Unter Rainer Nowak gibt es solch publizistischen Bockmist nimmer. Das Verbotsgesetz wird stattdessen in Verbindung mit der extremen Rechten gebracht, insbesondere der FPÖ und den Identitären. Gerichtsreportagen, Analysen der Neonaziszene, Hasspostings, Schulungen zur Materie sind Aufmacher der Nowak-Presse, nicht der verkorkste Liberalismusbegriff seines Vorgängers. Das liegt vor allem am jüdischen Monatsmagazin Nu, dessen ständiger Mitarbeiter Nowak seit 2002 ist. Damals druckte es seine Rezension eines Buchs zur Kirche im Holocaust. Seither hat er in der Zeitschrift so ziemlich alle journalistischen Textsorten durch. Das Heft schaffte es auch ins TV: OKTO filmt Nowak und Nu-Chef Peter Menasse seit Juni beim Dajgezzen.

 

Obwohl sie unter Rainer Nowak näher zur sozialliberalen Ecke rückte, bleibt Die Presse das Zentralorgan der heimischen Bourgeoisie. Umso mehr überrascht es, dass ausgerechnet diese Zeitung das Lower Class Magazin (LCM) zitierte. Zumindest online hat sie es als Quelle der Recherchen zum Hofer-Buch nachgereicht. Karl Schmal vom LCM zeichnet die Debatte in unserer Twitteria und Öffentlichkeit hier nach. Er schließt wegen der Ratlosigkeit der Medien gegenüber Hofers Heuchelei: „Die Herausgeberschaft eines Buches mit eindeutig rechtsextremem Inhalt jedoch hätte er nicht wegdiskutieren können – wenn irgendein Redakteur oder eine Redakteurin es je der Mühe Wert gefunden hätte, dies zu recherchieren.“

 

FPÖ-Kandidat Norbert Hofer muss das gar nicht wegdiskutieren. Er grinst einfach und sagt nichts dazu. So versickert es in Österreich.

 

Nachtrag zur Folge 87: Gendern ohne Inhalte ist ähnlich absurd wie eine Präsentation mit dem Powerpoint-Layout statt Inhalten zu beginnen. Es erinnert an Lückentexte fern der Praxis. Gendern macht vor allem dann Sinn, wenn es (wie bei de Gouges) mit der sozialen Frage verknüpft wird. Es macht aber keinen Sinn, es mit Zwang von Studierenden zu fordern oder es ihnen zu untersagen. Beides soll Zuschriften zufolge an der Uni Wien passiert sein, Punktabzug inklusive.

 

Screenshot: LCM.

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