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„Block wo’s geht!“

Irgendwas mit Medien (Folge 2) von Michael Wögerer

Es begann vor mehr als 22 Jahren. Im Oktober 1994 setzte das reichweitenstarke Online-Magazin Hotwired.com zum ersten Mal Werbung auf ihre Homepage. Eine der erfolgreichsten war jene von AT&T. 30.000 Dollar pro Monat lies sich der US-Telekommunikationskonzern diesen Spaß kosten. Mit Erfolg: 40 Prozent der Besucher klickten den Werbebanner an.

Von derartigen Preisen und Klickraten können die Betreiber heutiger Internet-Seiten nur träumen. Bis zur Penetranz wurden immer auffälligere Online-Werbeformen kreiert, um die Kauf-Botschaften an den User zu bringen. Doch der reagierte ganz anders als erhofft.

1998 wurde von der deutschen Webwasher AG einer der ersten erfolgreichen Pop-up- und Werbeblocker gestartet. Und auch diese Idee verbreitete sich rasend schnell. Mittlerweile gibt es hunderte kostenlose Programme, die lästige Werbung ausblenden. UZ-Redakteur Andreas Haker hat hier einige vorgestellt.

Eine kürzlich durchgeführte nicht-repräsentative Umfrage im „Freundeskreis“ von Unsere Zeitung, einer öffentlichen Facebook-Gruppe, hat ergeben, dass über 80 Prozent Werbung im Internet blockieren – 60 Prozent davon immer. Acht UZ-Freunde wussten bis dato nicht, was ein Ad-Blocker ist und lediglich vier der 62 TeilnehmerInnen sehen keinen Grund einen zu verwenden. Einer repräsentativen Umfrage des Reuters Institute zufolge gehört Österreich mit einer Adblocker-Rate von 26 Prozent zu jenen Ländern mit der höchsten Durchdringung von Werbeblockern.

Die Gründe für das Blockieren von Online-Werbung sind vielfältig. Laut einer Studie, die HubSpot und Adblock Plus im Sommer 2016 durchgeführt haben, gibt die Mehrzahl der Teilnehmer an, dass sie Werbeanzeigen als störend (64 Prozent) und unterbrechend (54 Prozent) empfinden.

Doch Werbung im Internet ist nicht nur lästig, sondern kann auch gefährlich sein. Sascha Lobo nannte sie einmal in seiner Spiegel-Kolumne „die zweitbeste Überwachungsmaschinerie der Welt“. Unser Online-Verhalten wird auf Schritt und Tritt verfolgt, um uns im richtigen Moment die „passende“ Werbung einzublenden. Darüber hinaus kann eingebaute Werbung auch ein Einfallstor für Schadsoftware und Cyberkriminalität sein.

Ad-Block-Warnung auf nachrichten.at

Das immer beliebter werdende Ausblenden von Werbung ist den großen Medienverlagen freilich ein Dorn im Auge. Das US-Marktforschungsunternehmen Ovum hat errechnet, dass Publishern weltweit bis 2020 etwa 35 Milliarden Dollar durch den Einsatz von Adblockern verloren gehen. Obgleich diese prognostizierten „Horrorszenarien“ mit Vorsicht zu genießen sind und das meiste Geld noch immer mit Print-Werbung verdient wird, haben die großen Verlagshäuser der Ad-Blocker-Industrie den Kampf angesagt.

Neben dem Versuch das Blocken von Werbung überhaupt zu verbieten, reagieren viele Online-Seiten mit einem sogenannten „Anti-Ad-Block-Skript“, das erkennt, ob der Internet-User einen Werbeblocker eingeschaltet hat und ihn dann entweder mehr oder weniger freundlich darauf hinweist diesen auf ihrer Homepage auszuschalten, oder den Zugriff komplett sperrt. Dieser Einsatz von Adblocker-Detektoren ist allerdings rechtlich umstritten und kann in einigen Fällen auch ohne große IT-Kenntnisse umgangen werden (Ad-Block-Killer).

Insofern liefern sich die Ad-Blocker und die Anti-Ad-Blocker ein Katz und Maus-Spiel – während die großen Gewinne mit Online-Werbung ganz woanders eingestreift werden.

Für Unsere Zeitung war von Beginn an klar, dass wir auf nervige Werbebanner bewusst verzichten wollen. Dafür gibt es drei Gründe: Zum einen geht es darum, dass wir unseren Journalismus nicht der Marktlogik aussetzen wollen. Die Abhängigkeit von Werbeeinnahmen führt automatisch dazu, dass jene Artikel die Oberhand gewinnen, die möglichst viele Klicks produzieren. Zum anderen wollen wir unsere LeserInnen nicht (für dumm) verkaufen. Als mündige Menschen wissen sie selbst gut genug, welche Produkte sie brauchen und welche nicht. Werbung will großteils künstliche Bedürfnisse wecken. Zu guter Letzt stünden die Einnahmen, die wir als (noch) kleine Online-Zeitung mittels automatisierter Werbung wie Google AdSense lukrieren könnten in keinem Verhältnis zu dem Schaden, den wir damit für unsere Glaubwürdigkeit anrichten. Advertorials oder Native Advertising – moderne Worte für Schleichwerbung – kommen aus dem selben Grund für uns sowieso nicht in Frage.

Fest steht aber, dass auch die UZ, wenn sie weiter existieren und größer werden möchte, ein geeignetes Finanzierungsmodell braucht. Wir wollen zeigen, dass es auch ohne lästige Werbeeinschaltungen und Pop-Ups geht. Wir werden viel experimentieren, unsere LeserInnen bei der Entwicklung einbinden und ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Das Jahr 2017 wird ein entscheidendes Jahr. Mehr dazu in den nächsten Folgen von „Irgendwas mit Medien“.

Fotos: The First Banner; nachrichten.at (screenshot); Titelbild: Keine Werbung! (Dennis Skley; Lizenz: CC BY-ND 2.0)

 

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