“Es kann ja nicht sein, dass wir unsere Kinder für den Krieg ausbilden lassen”
Bei den Kommunalwahlen an diesem Sonntag wählt Bochum nicht nur ein neues Stadtoberhaupt, sondern auch den Integrationsrat – ein Gremium, das die Interessen von Menschen mit Migrationshintergrund vertritt. Gerade in einer Ruhrgebietsstadt, in der fast jede/r Dritte eine Einwanderungsgeschichte hat, kommt dieser Wahl besondere Bedeutung zu. Eine der Kandidatinnen ist Lina Boucharep vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Im Interview spricht sie über ihre politischen Ziele, ihre Haltung zu Krieg und Frieden sowie über Chancen und Hürden für Integration in Bochum.
Das Gespräch führte Hassan Al Askari (Gastbeitrag)
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Politikerin Bochums in Bezug darauf, dass Familien in Bochum leben, die ihren Vater Abdulrauf Al Najjar in Gaza durch israelische Bomben verloren haben?
Ich stehe dazu sehr emotional da ich ihn persönlich kannte. Als ich neu in Bochum war und ich mich allein gefühlt hatte, hatte er ein Taxiunternehmen hier in Bochum. Er sah mir an, dass ich traurig war. Auf die Frage was los ist, sagte ich ihm ich fühl mich alleine. Dann hielt er rechts an und hat mir gezeigt, wo er wohnt. Er hat mir seine Frau vorgestellt und gesagt ich gehöre ab sofort zu seiner Familie.
Sie fordern, dass Bochum auch dem Bündnis International Cities of Peace beitreten soll. Wie können Städtebündnisse für Frieden sorgen?
Diese Initiativen sind sinnvoll, weil Frieden von unten entsteht. Wenn die Spitzenpolitiker es nicht tun, müssen sich Kommunalpolitiker aus allen Ländern zusammentun, um von unten zu zeigen, wir sind für Frieden und unsere Stadt steht nicht für den Krieg.
Im Wahlprogramm steht “Gemischte Schulen sind zum Kennenlernen untereinander essenziell, helfen jedoch nicht, wenn weit über die Hälfte der Schüler kein Deutsch können.” Mit welchen expliziten Schritten wollen Sie dagegen wirken?
Also ich finde, dass viele Kinder keine Chance bekommen, wenn es am Finanziellen hapert, oder dass man hier noch fremd ist. Wenn keine Unterstützung da ist, dann sind diese Kinder verloren. Sie werden nicht ordentlich begleitet. Es liegt nicht an den Kindern es liegt an unseren Schulen, die auch schlecht besetzt sind. Ich glaube das da eine klare Ausgrenzung ist, dass die Chancen nicht gleich sind. Hier in Bochum gibt es einige Moscheen, die Deutschkurse für Kinder, für Mütter, für Menschen, die noch deutsch lernen wollen, anbieten und mit der Stadt Bochum zusammenarbeiten wollen, aber die Stadt kommt nicht auf sie zu.
Geflüchtete Familien können sich oft nur Wohnungen in Stadtteilen mit hohem Migrationsanteil leisten und es fällt diesen Kindern schwer deutsch zu lernen? Besteht hier ein Zusammenhang?
Selbstverständlich ist da ein Zusammenhang. Ich persönlich bin davon überzeugt dass es ganz systematisch so gemacht wird. Die werden alle zusammengetan in einem Bereich und es wird nicht gesund gemischt. Die Chancengleichheit für Migranten sind nicht gerecht verteilt. Die Gesellschaft muss Integration fördern, sonst darf man sich später nicht wundern, dass niemand integriert ist.
Wieso setzt sich das BSW für ein Werbeverbot der Bundeswehr im öffentlichen Raum und an Schulen ein?
Es kann ja nicht sein, dass wir unsere Kinder für den Krieg ausbilden lassen. Überall wird geschriehen „unsere Kinder sind nicht genug ausgebildet, es fehlt an Bildung, es fehlt an Förderung“ und dann wird in Krieg investiert? Die, die für die Wehrpflicht sind, würden niemals ihre eigenen Kinder schicken. Friedrich Merz zum Beispiel würde seine beiden Söhne ganz bestimmt nicht in den Krieg schicken. Durch den demografischen Wandel laufen wir auf ein Problem zu, dass wir zu wenig Arbeitskräfte in den nächsten Generationen haben. Wenn wir jetzt anfangen, Jugendliche für die Bundeswehr anzuwerben, die dann in den Krieg schicken und sie dort sterben, dann haben wir ja noch weniger Arbeitskräfte.
Wie stehen Sie dazu, dass junge Männer ab nächstem Jahr einen Fragebogen ausfüllen müssen und darauf gemustert werden, ob sie wehrdiensttauglich sind?
Ich finde es unmöglich, dass wir Zeit und Geld in solche Aktionen investieren. Man beendet Krieg nicht mit Krieg und wir haben andere Probleme wo Geld rein investiert werden muss. Viel wichtigere Probleme. Die Schulen müssen besser ausgestattet werden, denn die Lehrer sind überfordert. Auch ältere Menschen kommen mit ihrem Rollator kaum noch über die Straße, weil da Löcher drin sind.
Welche Initiativen wollen sie stattdessen fördern, um junge Menschen für eine friedliche Zukunft zu begeistern?
Mit besseren Freizeiteinrichtungen. Spielplätze müssen aufbereitet werden und es sollte wieder Jugendtreffs geben. Damit es einen Ort gibt, wo Jugendliche willkommen sind und aufeinander zugehen können. Eine andere Dynamik soll entstehen.
Titelbild: Lina Boucharep bei einer Mahnwache in Gedenken an die ermordeten Kinder in Gaza (© Hassan Al Askari, 2025)

