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„Politik der Erstickung“: 60 Jahre US-Blockade treiben Kuba in die Krise

Seit über sechs Jahrzehnten verhängen die USA eine Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade gegen Kuba – das umfassendste und langlebigste System unilateraler Zwangsmaßnahmen, das je gegen ein Land vollzogen wurde. Die Blockade kostet der Insel täglich über 20 Millionen Dollar und trifft vor allem die Zivilbevölkerung: Medikamente fehlen, Stromausfälle sind alltäglich, die Grundversorgung bricht zusammen.

Von Michael Wögerer

Eine Politik mit klarem Ziel

Die US-Blockade gegen Kuba ist kein neues Phänomen. Bereits 1960 formulierten US-amerikanische Politiker das Ziel offen: Das Wirtschaftsleben schwächen, um „Hunger, Verzweiflung und den Sturz der Regierung“ zu bewirken.

Heute, mehr als 60 Jahre später, leben über 80 Prozent aller Kubaner seit ihrer Geburt unter diesen Sanktionen. Der kumulative Schaden beläuft sich mittlerweile auf 170,7 Milliarden US-Dollar – inflationsbereinigt sogar auf 2,1 Billionen Dollar.

Dramatische Verschärfung der Lage

Die Politik des „maximalen Drucks“ hat sich in den vergangenen Jahren deutlich zugespitzt. Zwischen März 2024 und Februar 2025 belief sich der materielle Schaden auf über 7,5 Milliarden US-Dollar – ein Anstieg von 49 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Täglich verliert Kuba mehr als 20 Millionen US-Dollar durch die Blockade – Geld, das dringend für Lebensmittel, Treibstoff und Medikamente benötigt wird. Ohne die Sanktionen wäre Kubas Wirtschaft im vergangenen Jahr um 9,2 Prozent gewachsen.

Auswirkungen auf das tägliche Leben

Gesundheitswesen in der Krise

Die Blockade erschwert massiv die Beschaffung medizinischer Ausrüstung und Arzneimittel. Kuba hat oft keinen Zugang zu fortschrittlichen Technologien und Medikamenten aus den USA.

  • Die Verluste von nur 16 Tagen Blockade entsprechen dem gesamten Jahresbedarf an Medikamenten (339 Millionen Dollar)
  • Der jährliche Insulinbedarf für alle Diabetiker des Landes entspricht den Kosten von 14 Stunden Blockade
  • Selbst Rollstühle für behinderte Kinder könnten mit den Verlusten von nur 19 Minuten finanziert werden

Grundversorgung unter Druck

Die Versorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist massiv beeinträchtigt. Die Schäden von zwei Monaten Blockade (1,6 Milliarden Dollar) entsprechen den Kosten für einen Standard-Lebensmittelkorb für alle Familien des Landes für ein ganzes Jahr.

Energie und Transport lahmgelegt

Fehlender Treibstoff und mangelnde Ersatzteile lähmen die Infrastruktur:

  • Zwei Monate Blockade-Verluste würden ausreichen, um den normalen Strombedarf des Landes zu decken
  • Fünf Tage Verluste könnten dringend benötigte Reparaturen an Kraftwerken finanzieren
  • Vier Monate Blockade würden neue Busse für den öffentlichen Nahverkehr ermöglichen

Internationale Auswirkungen

Die US-Sanktionen wirken weit über Kuba hinaus und betreffen auch europäische Unternehmen und Banken. Zwei Mechanismen sind besonders problematisch:

Das Helms-Burton-Gesetz

Dieses Gesetz erlaubt US-Bürgern, vor US-amerikanischen Gerichten gegen Unternehmen aus Drittländern zu klagen, die kubanisches Eigentum nutzen, das nach 1959 enteignet wurde. Dies betrifft sowohl Dorfschulen als auch Hotels.

Terrorismus-Liste als Druckmittel

Die Wiederaufnahme Kubas in die US-Liste angeblicher staatlicher Terror-Förderer verschärft das Risiko bei humanitärer Hilfe, Geschäften und Investitionen erheblich. 40 ausländische Banken lehnten deshalb Transaktionen ab, 140 Banküberweisungen wurden zurückgewiesen.

Viele europäische Geldinstitute wie UBS und Crédit Suisse orientieren sich an den US-Vorgaben, anstatt ihrer nationalen Gesetzgebung zu folgen.

Weltweite Kritik bleibt folgenlos

Die internationale Gemeinschaft verurteilt die US-Blockade seit Jahrzehnten. Jährlich fordert die UN-Vollversammlung mit überwältigender Mehrheit die Aufhebung der Sanktionen.

Bei der Abstimmung 2024 stimmten 187 Staaten gegen die Blockade – nur die USA und Israel votierten dagegen. Am 28. und 29. Oktober 2025 wird die UN-Generalversammlung über die Resolution zur „Notwendigkeit der Beendigung der von den Vereinigten Staaten von Amerika gegen Kuba verhängten Wirtschafts-, Handels- und Finanzblockade“ beraten. Kubas Außenminister Bruno Rodríguez erwartet ein erneut „praktisch einhelliges“ Votum gegen die Blockade.

Trotz dieser breiten internationalen Verurteilung bleiben die meisten Regierungen, auch in Europa, weitgehend passiv. Kuba betont jedoch, dass die Blockade niemals ihr erklärtes Ziel erreichen wird: das kubanische Volk zum Aufgeben zu zwingen.

Videozusammenfassung: „Die US-Blockade gegen Kuba“


Titelbild: José Luis (de.granma.cu)

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Ein Gedanke zu „„Politik der Erstickung“: 60 Jahre US-Blockade treiben Kuba in die Krise

  • Klaus Hecker

    Der artikel bringt es auf den Punkt. Leider sehen das nach meiner Erfahrung 90% der Kubaner anders. Für sie existiert keine amerikanische Blockade, sondern nur eine hausgemachte bloqueo. Faktisch ist das Unsinn, kennzeichnet allerdings das Abrücken von der Regierung.
    Nach 8 Monaten in Kuba auch als Brkgadist8 könnte ich wenn gewünscht noch einiges beitragen

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