Schweizer F-35-Skandal: Vom Milliarden-Deal zur Staatsaffäre
Buchrezension: „F35 – Absturz mit Ansage – Ein staatspolitischer Skandal“ von Pierre-Alain Fridez
Von Michael Wögerer
Die Schweiz erlebt derzeit ihren größten Rüstungsskandal seit den 1960er Jahren. Die Beschaffung von 36 US-amerikanischen F-35-Kampfjets entwickelt sich zu einem politischen und finanziellen Desaster, das an die legendäre Mirage-Affäre erinnert. Pierre-Alain Fridez, SP-Nationalrat und ausgewiesener Sicherheitsexperte, legt mit „F35 – Absturz mit Ansage“ (Rotpunktverlag) eine brisante Analyse vor, die das gesamte Beschaffungsverfahren als systematische Manipulation entlarvt.
Ein Insider deckt auf
Fridez bringt als Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission des Schweizer Nationalrats und Autor mehrerer Bücher zur Verteidigungspolitik die nötige Expertise mit. Seine frühen Warnungen – bereits 2022 erschien sein erstes F-35-kritisches Werk – erweisen sich heute als prophetisch. Der Mediziner und Politiker aus dem Jura hat sich über Jahre hinweg in die komplexe Materie eingearbeitet und präsentiert nun seine Erkenntnissen in beeindruckender Detailtiefe.
Perfektes Timing trifft brisante Enthüllungen
Das Buch erscheint am 15. Oktober zu einem Zeitpunkt, an dem die F-35-Beschaffung völlig aus dem Ruder läuft. Der abrupte Januarrücktritt von Verteidigungsministerin Viola Amherd, der Exodus hochrangiger Militärs und das Eingeständnis, dass es keinen garantierten Fixpreis gibt, bestätigen Fridez‘ Analyse auf dramatische Weise.
Systematische Aufarbeitung einer Manipulation
Das Buch überzeugt durch seine methodische Herangehensweise. Fridez arbeitet „vier Stufen der Manipulation“ heraus, die von der bewussten Umgehung von Volksabstimmungen bis hin zur gezielten Verzerrung der Evaluationskriterien reichen. Besonders aufschlussreich ist seine Analyse der geheimen 79 Bewertungspunkte, die so gewichtet wurden, dass der F-35A von vornherein als Sieger feststand.
Die Parallelen zum Mirage-Skandal der 1960er Jahre sind frappierend und werden vom Autor geschickt als historischer Rahmen genutzt. Wie damals stehen Kostenexplosionen, Intransparenz und politisches Versagen im Zentrum der Kritik.
Stärken: Faktenbasierte Argumentation und verständliche Darstellung
Fridez‘ größte Stärke liegt in der peniblen Dokumentation seiner Vorwürfe. Jede Behauptung wird mit konkreten Beispielen und Zahlen untermauert – sei es das manipulative Rechtsgutachten des Bundesamts für Justiz oder die künstlich reduzierten Trainingsstunden. Die komplexen technischen und finanziellen Aspekte werden auch für Laien verständlich erklärt.
Besonders wertvoll ist seine Kostenanalyse: Die geschätzten 6-8 Milliarden Franken Mehrkosten sind detailliert aufgeschlüsselt und nachvollziehbar begründet. Seine Einschätzung, dass der F-35A für die Schweizer Bedürfnisse ungeeignet ist, wird durch aktuelle US-Berichte über die mangelnde Kriegstauglichkeit des Jets bestätigt.
Ein brisantes Detail: Der F-35 ist primär für Angriffsmissionen konzipiert – eine Eigenschaft, die für die neutrale Schweiz problematisch ist und ihre Abhängigkeit von den USA dramatisch verstärkt.
Politisches Engagement und mutige Lösungsvorschläge
Fridez‘ Stärke liegt nicht nur in der schonungslosen Analyse, sondern auch in seinem Mut zu klaren politischen Forderungen. Seine langjährige Erfahrung als SP-Nationalrat verleiht seinen Einschätzungen zusätzliches Gewicht – er kennt die politischen Mechanismen aus erster Hand und weiß, wo die Hebel für Veränderungen angesetzt werden müssen.
Besonders bemerkenswert ist sein engagierter Aufruf für eine „Turbo-Initiative“ zur Neubewertung des F-35-Deals. Diese Forderung nach einer erneuten Volksabstimmung zeugt von demokratischem Mut und dem Vertrauen in die Urteilsfähigkeit der Stimmbevölkerung. Fridez scheut sich nicht, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und konkrete Handlungsalternativen aufzuzeigen – eine Qualität, die in der oft schwammigen politischen Debatte erfrischend wirkt.
Sein fokussierter Ansatz, die Verfahrensfehler schonungslos zu dokumentieren, erweist sich als strategisch klug: Erst wenn das Ausmaß der Manipulation vollständig erfasst ist, können sinnvolle Alternativen diskutiert werden. Diese methodische Klarheit macht das Buch zu einem wirksamen Instrument der politischen Aufklärung.
Fazit: Ein notwendiger Weckruf
„F35 – Absturz mit Ansage“ ist ein wichtiges und notwendiges Buch, das weit über die Schweizer Grenzen hinaus Beachtung verdient. Fridez liefert die bisher umfassendste Analyse der F-35-Beschaffung und deckt systematische Missstände auf, die jede demokratische Gesellschaft alarmieren sollten.
Das Werk sollte Pflichtlektüre für alle sein, die sich für Rüstungspolitik, demokratische Kontrolle und die transatlantischen Beziehungen interessieren. Auch deutsche und österreichische Politiker können aus den Schweizer Fehlern lernen.
Fridez‘ Forderung nach einer parlamentarischen Untersuchungskommission erscheint nach der Lektüre nicht als parteitaktisches Manöver, sondern als logische Konsequenz aus seinen Erkenntnissen. Ob die Schweizer Politik den Mut aufbringen wird, den „eklatanten Fehler“ zu korrigieren, bleibt abzuwarten. Das Buch bietet jedenfalls alle nötigen Argumente dafür.
Pierre-Alain Fridez
F-35 – Absturz mit Ansage
Ein staatspolitischer Skandal
(Aus dem Französischen von Peter Hug)
160 Seiten, 25 Euro
ISBN 978-3-03973-080-3
Rotpunktverlag
Titelbild: Coverbild (F-35 – Absturz mit Ansage, Rotpunktverlag)

