Chinesisch-iranische Beziehungen nach dem US-israelischen Angriffskrieg
Die jüngsten Spannungen verstärken im Iran die Debatte um eine außenpolitische Neuorientierung. Westliche Denkmuster blockieren eine echte Ost-Wende der Islamischen Republik, trotz langjähriger Handelsbeziehungen zu China.
Von Aitak Barani, Frankfurt am Main (Zeitschrift INTERNATIONAL, Heft IV/2025)
Der Angriffskrieg Israels und der USA gegen den Iran im Juni dieses Jahres hat die Frage nach den Beziehungen des Iran zur Volksrepublik China auf die politische Tagesordnung gesetzt. Formal ist der „Zwölf-Tage-Krieg“ noch nicht beendet. Es wird darüber diskutiert, wie und wann und mit welchen Zielstellungen der nächste Angriff zu erwarten sei. In diesem Zusammenhang flammt ein altes und heiß diskutiertes Thema wieder auf:
Kann sich der Iran von seiner Beziehung zu den alten Kolonialländern des Westens lösen und einen eigenständigen Weg gehen, der eine Außenpolitik beinhaltet, die auf Verträgen und nicht auf Unterwerfung gegenüber dem politischen Westen basiert?
Ein bekannter Spruch von Ayatollah Khomeini aus der Zeit der Revolution 1979 lautet: „Weder der Westen noch der Osten: die Islamische Republik“. Er drückt die Verbundenheit mit den sogenannten Blockfreien Staaten aus, war jedoch insofern weitgehender, weil er auch die Blockfreien für ihre faktische Nähe zum Osten, gemeint war die Sowjetunion, kritisierte. Nach dem Ersten Golfkrieg von 1980 bis 1988 ging der Iran zu einer Politik über, die sich vorrangig um gute Beziehungen zum Westen bemühte. Spätestens seit dem chinesischen Großprojekt der Neuen Seidenstraße (Belt-and-Road-Initiative) entwickelt sich im Iran unter bestimmten Teilen der Politik und Wissenschaft das Bewusstsein für die Potenziale der Beziehungen zu China. Diese Teile der Gesellschaft wurden in den letzten Jahren zunehmend durch mediale Kampagnen und politische Manöver isoliert und neutralisiert. So verliefen die Gespräche und Abkommen zwischen dem Iran und der Volksrepublik bezüglich großer, zukunftsträchtiger Projekte, wie etwa das 25-Jahres-Kooperationsprogramm, letztlich im Sand. Dennoch ist China heute der zweitgrößte Warenimporteur für den Iran, nach den Vereinigten Arabischen Emiraten mit einem Abstand von etwa zwölf Prozent – und auch die aus den Emiraten eingeführten Waren stammen oft ursprünglich aus China.
Lange Zeit nur ein halbherziger Partner
Was die Exporte angeht, konnte der Iran in den letzten Jahren damit kalkulieren, dass sein Öl von China abgenommen wird und die Volksrepublik ihre Haltung zum Iran nicht grundsätzlich ändert. Die iranisch-chinesischen Handelsbeziehungen waren trotz westlicher Sanktionen ein wichtiger Pfeiler der wirtschaftlichen Stabilität.
Während des Krieges im Juni waren dennoch Vorwürfe zu vernehmen, China würde dem Iran nicht beistehen und keine Rüstungsgüter liefern, die der Iran dringend für seine Verteidigung braucht. Wer in die Geschichte der chinesisch-iranischen Beziehungen der letzten zwei Jahrzehnte schaut, wird aber sehen, dass es diesbezüglich an Angeboten seitens der Volksrepublik nicht gemangelt hat. Vielmehr hat die iranische Seite sich häufig gegen den Handel gestellt und stattdessen nach Möglichkeiten Richtung Westen geschielt.
Angebote, chinesische Kampfjets zu erwerben oder in der Autoindustrie gemeinsame Produktionslinien aufzubauen, wurden nur halbherzig oder gar nicht angenommen.
Erwähnenswert ist auch die 2018 erfolgte Übergabe der Hafenrechte in Chabahar an Indien anstatt an den chinesischen Bewerber. Diese Bevorteilung Indiens machte sich nun als sicherheitspolitisches Problem bemerkbar, denn Indien ist das einzige BRICS-Land, das sich als Verbündeter der Besatzungsmacht Israel versteht und sich nicht kritisch zum Angriffskrieg gegen den Iran äußerte.
Viele der iranischen Kommentatoren, die heute für eine Ost-Wende plädieren, beklagen die tiefsitzenden kolonialen Denkmuster, von denen sich die iranische Gesellschaft bis heute, trotz Revolution und über vierzig Jahren Konfrontation mit dem Westen, nicht gelöst hat.
Der von Jalal Al-e-Ahmad geprägte Begriff der Westoxification (Farsi: gharbzadegi) scheint bis heute nicht an Aktualität verloren zu haben. Gemeint war damit, dass die Vorstellung vom politischen Westen als etwas Superiores die Gesellschaft nachhaltig in einen Minderwertigkeitsmodus versetzt, der den Glauben in die eigene Handlungsfähigkeit und die eigenen Stärken aushöhlt. Dabei scheinen Fortschritt und Entwicklung für die westlich orientierten Teile der Gesellschaft nur in Verbindung mit dem Westen vorstellbar zu sein, und das trotz der unzähligen negativen und schmerzhaften historischen und gegenwärtigen Erfahrungen.
Die politische Führung im Iran ist in dieser Frage zumindest rhetorisch gespalten
Zwar spricht der „Revolutionsführer“ Ali Chamenei seit geraumer Zeit von der Notwendigkeit der Loslösung vom US-Dollar, doch ist in der Praxis davon kaum etwas zu bemerken. In der Zeit der Präsidentschaft von Ebrahim Raisi (2021–2024) gab es Bemühungen um die Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Ländern des Globalen Südens, aber auch zu seiner Zeit wurden die Verträge mit China nicht eingehalten, vor allem nicht die Konkretisierungen und Umsetzung des 25-Jahres-Abkommens.
Die eher Richtung Osten blickenden Intellektuellen, Politiker und gesellschaftlichen Aktiven hoffen jetzt auf eine Veränderung der öffentlichen Meinung und sehen darin die einzige Chance für einen relevanten Schwenk in der außenpolitischen Orientierung der Islamischen Republik Iran.
Denn gerade der US-israelische Angriffskrieg hat einen Stimmungswandel erzeugt, der potenziell eine Politik begünstigen könnte, die sich mehr auf Kooperation mit den Ländern des Globalen Südens einlässt und vor allem die vielschichtige, enge Zusammenarbeit mit China vorantreibt. Die jüngsten Aussagen von Präsident Massud Pezeshkian bei seinem Besuch in Pakistan und seines Außenministers Abbas Araghchi auf dem Außenministertreffen der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) lassen sich in Richtung einer Hinwendung zum Osten interpretieren. Araghchi schlug eine gemeinsame regionale Sicherheitskooperation vor. Pezeshkian verkündete seinerseits, dass sich der Iran aktiv am Ausbau der Belt-and-Road-Route, die über Pakistan führt, beteiligen möchte. Solche Verlautbarungen werden aber nicht ausreichen. Es braucht grundlegende innenpolitische Veränderungen.
Aitak Barani beschäftigt sich mit Fragen des Antikolonialismus, insbesondere den Herausforderungen in Westasien. Sie stammt aus dem Iran und lebt derzeit in Frankfurt am Main.
Titelbild: Iran China Locator (commons.wikimedia.org, Aris Katsaris; CC BY-SA 3.0)

