Geld vom Staat: Jetzt wird gedoppelt!
Die konservative Denkfabrik »R21« bekommt künftig viel Geld vom deutschen Staat, dabei fand die Unions-Fraktion NGO-Förderungen früher noch zweifelhaft. Auf Fragen dazu reagiert die Regierung einsilbig. Stattdessen hat Schwarz-Rot im Bundestag beschlossen, die Förderung zu verdoppeln. »R21« bekommt künftig 500.000 Euro pro Jahr.
Von Helmut Ortner
Eine »Kleine Anfrage« im Deutschen Bundestag muss nicht immer klein sein. Nicht selten umfasst dieses parlamentarische Instrument für Oppositionsparteien viele Fragen an die Bundesregierung. Doch 551 Fragen, die die Unionsfraktion im Februar – zwei Tage vor der Bundestagswahl – stellte, waren dann doch eher ungewöhnlich. Friedrich Merz, Alexander Dobrindt und Co. wollten zeitgenau und wahlkampf-kompatibel wissen, wie es um die politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen bestellt ist. Dabei ging es um gemeinnützige Vereine, Stiftungen und Organisationen, die projektbezogen Geld aus öffentlichen Kassen erhielten, darunter die Amadeu Antonio Stiftung, Foodwatch, die Tierschutzorganisation Peta und auch die «Omas gegen Rechts«.
Sowohl Länge als auch Inhalt der Anfrage hatten einen flächendeckenden Sturm der Kritik hervorgerufen, sowohl bei den betroffenen Organisationen, als auch aus Reihen der SPD, Grünen und Linken. Aus der Zivilgesellschaft und Wissenschaft meldeten sich mehr als zweitausend Menschen, die in einem Offenen Brief ihre Besorgnis ausdrückten. Sie kritisierten unter anderem, dass die Anfrage die genannten Organisationen mit einem Makel behafte – zu Unrecht, denn: „Sie fördern politische Bildung, engagieren sich gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Radikalisierung, setzen sich für Umwelt- und Klimaschutz ein und verteidigen grundlegende Menschenrechte.« Und weil ihr Engagement dem demokratischen Gemeinwohl und der Vielfalt des demokratischen Meinungssektrums diene, sei deren Förderung gerade in Zeiten erstarkender autoritärer Strömungen von zentraler Bedeutung.
Dass die Unions-Fragerei überhaupt im Einklang mit dem Sinn und Zweck Kleiner Anfragen stehe, stellte die Verfassungsrechtlerin Sophie Schönberger von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf grundsätzlich infrage. Kleine Anfragen seien dafür da, damit die Opposition die Regierung kontrollieren kann. Die Fragen der Union richteten sich jedoch nicht nur an die Bundesregierung, sondern auch an zivilgesellschaftliche Akteure. Außerdem, so Schönberger, verliere ein Verein nicht die Meinungsfreiheit und das Recht, sich politisch zu äußern, wenn er gemeinnützig sei oder für einzelne Projekte staatliche Finanzierung bekomme. Insgesamt dränge sich der Eindruck auf, dass die Union das parlamentarische Fragerecht missbrauche. Die Liste könne einen Einschüchterungseffekt für die entsprechenden Akteure haben. Kurzum: Die Prüfung, ob sich einzelne Steuersubjekte rechtmäßig verhalten, sei keine Aufgabe des Parlaments. Die üblichen Vor- und Lautsprecher der CDU/ CSU verteidigten ihr NGO-Wahlkampf-Szenario treuherzig nach dem Schwindel-Motto „Man wird doch mal fragen dürfen…“. Mit der Kleinen Anfrage wolle man prüfen, „ob einzelne NGOs sich in dieser Hinsicht steuerlich rechtmäßig verhalten.“
Es darf daran erinnert werden: die »Kleine Anfrage« mit den 551 Fragen hatte die CDU/CSU-Fraktion vor dem Hintergrund bundesweiter Proteste gegen die CDU gestellt, die nach einer gemeinsamen Abstimmung mit der AfD bei einem Migrationsantrag aufgekommen waren.
Statt 551 Fragen jetzt 45 Nach-Fragen – und keine Antworten
Doch Opposition war gestern. Heute wird regiert. Und hier zeigt die CDU/CSU-Fraktion, dass sie im Umgang mit staatlicher Finanzierung politischer NGOs durchaus flexibel ist – vorausgesetzt, es passt ins eigene politische Weltbild. Und so hat die die schwarz-rote Mehrheit im Haushaltsausschuss des Bundestags durchgedrückt, dass die rechtskonservative Vorfeldorganisation Republik 21 e.V. (R21) 250.000 Euro aus dem Etat des Bundespresseamts erhält. Schon zuvor war der Verein als gemeinnützig eingestuft, wodurch er zusätzlich Steuererleichterungen genießt.
Andreas Rödder, Professor für Neueste Geschichte an der Mainzer Johannes Gutenberg Universität, hat die konservative Denkfabrik vor vier Jahren u.a. mit der früheren CDU-Familienministerin Kristina Schröder und weiteren Mitstreitern gegründet. Sie beschreiben sich selbst als „Thinktank für neue bürgerliche Politik in Deutschland und Europa“. Meinungsäußerungen und Debattenbeiträge von R21 lassen sich mitunter am rechts-konservativen Rand der Union verorten, Kritiker sagen, auch darüber hinaus.
R21 organisiert regelmäßig Diskussionsveranstaltungen zu politischen Themen. Titel beispielsweise: „Wokes Deutschland – Identitätspolitik als Bedrohung unserer Freiheit?“ oder „Wohlstand verspielt, Freiheit bedroht? Für einen marktwirtschaftlichen Neustart in der Klimapolitik“. Die Denkfabrik betreibt einen Podcast mit dem Titel „Frei heraus – der R21-Podcast für neue bürgerliche Politik“. In einem Blog mit dem Titel „Initiative für einen besseren ÖRR“ analysiert Republik21 die politische Berichterstattung im ÖPRR und dokumentiert nach Ansicht der Denkfabrik einseitige oder sachlich falsche Berichte. Immerhin: R21 bezeichnet den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk als „Errungenschaft, die wir wertschätzen und erhalten wollen“, kritisiert aber eine mangelnde politische Ausgewogenheit und die Verbreitung einseitiger Narrative. Eine Studie dem Thema „Framing im ÖRR“ soll sich dem Thema längerfristig widmen. Man darf sagen, der Verein ist „breit aufgestellt«. Die Agenda: Der Kampf gegen alles Woke, die Rechtsverschiebung der Union und der Abbruch der Brandmauer zur AfD.
Wer Rödder indes bezichtigt, er arbeite daran, eine Zusammenarbeit mit der AfD möglich zu machen, der muss mit einer anwaltlichen Unterlassungserklärung rechnen. Als der grüne Bundestags-Fraktionsvize Andreas Audretsch in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland feststellte: „Andreas Rödder fordert direkte und konkrete Gespräche der Union mit der AfD, wörtlich spricht er von konditionierter Gesprächsbereitschaft. Das muss als Angebot zur Kooperation verstanden werden“, bekam er anwaltliche Post mit der Aufforderung, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und sich nicht mehr in diesem Sinne zu äußern. Rödder habe sich „zu keinem Zeitpunkt für eine Zusammenarbeit mit der AfD ausgesprochen (…), sondern lediglich für eine ‚konditionierte Gesprächsbereitschaft`, also eine Gesprächsbereitschaft unter Bedingungen, sowie die Möglichkeit von Minderheitsregierungen mit Beschlussfassungen ohne Absprachen mit der AfD“, heißt es in dem Schreiben des Anwalts. Audretsch will die geforderte Unterlassungserklärung aber nicht abgeben. „Es geht um eine Grundsatzfrage unserer Demokratie. Die muss offen debattiert werden“, sagt er. Also wird weiter öffentlich debattiert und gestritten– trotz unterlassener Unterlassungserklärung. So oder so: Rödder und sein R21-Verein dürfen sich kommenden Jahr über eine stattliche Summe aus staatlichen Fördertöpfen freuen. Demnach soll der Denk-Verein statt 250.000 Euro künftig eine halbe Million Euro aus dem Etat des Bundeskanzleramtes erhalten.
Wir sind nicht zuständig – aber zahlen gerne
Hatten nicht vor wenigen Monaten noch CDU und CSU lautstark gegen die tatsächliche oder vermeintliche Finanzierung diverser Gruppen (siehe oben…) durch den Staat polemisiert? „Abgreifen von Staatsknete…“ – eben typisch links und linkisch. An der Kampagne hatte sich R21 selbst beteiligt. „Die öffentliche Finanzierung von NGOs mit politischer Agenda [muss] eingestellt werden“, hieß es noch im Juni in einem Manifest des Vereins. Gegen staatliche Förderung in eigener Sache hat man freilich keinerlei Einwände – und die Regierung gibt sich nun – wenn‘s die richtigen sind! – spendabel.
Die Berliner tageszeitung veröffentlichte daraufhin – gewissermaßen als Service für oppositionelle Abgeordnete – vor einigen Wochen eine neue Vorlage für eine Bundestagsanfrage. Die Links-Fraktion griff zu und nutzte den Fragenkatalog, diesmal in abgespeckter Form: statt 551 Fragen, überschaubare 45 Fragen, vor allem zur Förderung von R21, ganz im Wortlaut des CDU/CSU-Fragebogens vom Februar:
- Wird geprüft, ob R21 erhaltene Fördergelder missbräuchlich für parteipolitische Zwecke einsetzt?
- Erfüllt R21 ausschließlich gemeinnützige Zwecke und wenn ja, welche?
- Wie definiert R21 seine gemeinnützigen Tätigkeiten, und wie grenzt sich der Verein von parteipolitischer Einflussnahme ab? Es folgt Frage auf Frage …
Jetzt liegen die Antworten vor. In drei Sätzen zusammengefasst lauten sie: Wissen wir nicht. Dafür sind wir nicht zuständig Und, siehe oben – wissen wir nicht oder sind wir nicht zuständig. In der Antwort aus dem Bundespresseamt (das direkt dem Bundeskanzler Friedrich Merz unterstellt ist) heißt es exakt gleichlautend wie in der damaligen Antwort an die Unionsfraktion (der damals Friedrich Merz vorstand): „Das parlamentarische Fragerecht der Abgeordneten des Deutschen Bundestages dient der politischen Kontrolle der Bundesregierung. Dabei erstreckt sich der parlamentarische Informationsanspruch nur auf Gegenstände, die einerseits einen Bezug zum Verantwortungsbereich der Bundesregierung gegenüber dem Deutschen Bundestag haben. Andererseits müssen diese in der Zuständigkeit der Bundesregierung liegen.“ Frei übersetzt: Was sind das eigentlich für bescheuerte Fragen. „Schon interessant“, findet das die Linken-Abgeordnete Clara Bünger. „Während die Union in der Opposition offensichtlich noch der Meinung war, hier müsste eine stärkere Kontrolle der Aktivitäten stattfinden, lehnt sie diese nun doch ab.“
Die R21 kann sich über den staatlichen Geldsegen freuen. In der Zwischenzeit hat Schwarz-Rot im Bundestag nicht nur beschlossen, die geplante Förderung auf 500.000 Euro zu verdoppeln. Als Zugabe ist ab dem Haushaltsjahr 2026 zudem eine vierjährige Projektförderung aus dem Bundeshaushalt vorgesehen. Zwei Millionen Euro für eine „neue bürgerliche Politik“ im Land – inklusive anfallender Kosten für Abbrucharbeiten an einer Brandmauer.
Titelbild: „Dem deutschen Volke“ (Foto: Mathias Westermann; Pixabay)

