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Linke Politik braucht „dicke Haut“

Seit 2010 ist Jürgen Klösch (30) kommunistischer Gemeinderat in Bruck an der Mur. Ein Gespräch über linke Kommunalpolitik, Personalrochaden und Zukunftsperspektiven für die steirische 16.000-Einwohner-Stadtgemeinde.

Interview: Danijel Jamrič

Herr Klösch, Sie sind kommunistischer Gemeinderat im steirischen Bruck an der Mur. Wie gestaltete sich Ihr Einstieg in die Kommunalpolitik?

Mein politischer Werdegang begann 2004 bei der Kommunistischen Jugend in Kapfenberg. 2010 kandidierte ich dann im Zuge der steirischen Gemeinderatswahl auf der Liste der KPÖ in Bruck an der Mur, wo die Partei zuletzt 40 Jahre zuvor im Gemeinderat vertreten war. Ohne große Erwartungen, gelang uns nach dieser langen Zeit ein knapper Wiedereinzug mit einem Mandat.

Da ich vorher mit der politischen Ebene in Bruck nur wenige Berührungspunkte hatte, war die erste Zeit in der Gemeindepolitik beinahe einschüchternd, aber auch sehr lehrreich. Das lag mitunter am damaligen SP-Bürgermeister Bernd Rosenberger, ein Politiker der alten Schule, der sein Amt 20 Jahre lang innehatte und mit der damals noch vorherrschenden sozialdemokratischen Mehrheit im Gemeinderat ganz klar das bestimmende Element in der Stadtgemeinde war. Sich zu profilieren und eine dicke Haut wachsen zu lassen, war damals für mich die erste wichtige Lektion und Voraussetzung, um als einziger kommunistischer Mandatar in der Stadtpolitik vertreten zu sein.

Was war seit Ihrem Einzug in den Gemeinderat der Schwerpunkt Ihrer Arbeit?

Ein zentrales Thema war sicherlich die Einführung der Aktivcard in Bruck, die Serviceleistungen und Ermäßigungen für Menschen mit geringem Einkommen bietet und dieses Jahr auf unsere Initiative endlich in die Realität umgesetzt wurde. Dazu muss man wissen, dass ich viele Anträge einbringe, die von der SPÖ oft abgelehnt werden. Diese Vorgangsweise gab es auch bei meinen Anträgen für die Aktivcard, deren Umsetzung schließlich von der SPÖ als eigene Initiative ausgegeben wurde. Das ist dann natürlich oft schwierig…

Apropos SPÖ: Vor wenigen Tagen wechselten die Sozialdemokraten den Bürgermeisterposten aus, der neue Stadtchef soll Peter Koch heißen. Sie haben ihm gegenüber eine kritische Position eingenommen.

Dazu gibt es eine Vorgeschichte: Koch war bislang der Finanzstadtrat in unserer Gemeinde. Da sich Bruck an der Mur in einer finanziell angespannten Lage befindet, wurde vor zwei Jahren eine Budgetkonsolidierung gestartet, deren Ziel es war, Einsparungspotenziale zu finden. Eine externe Beratungsfirma erarbeitete gemeinsam mit der städtischen Verwaltung Vorschläge für Einsparungsmöglichkeiten, und auch von den Fraktionen im Gemeinderat konnten solche Vorschläge eingebracht werden – nur von der SPÖ ließen entsprechende Anträge vergeblich auf sich warten. Eine meiner Forderungen ist die Senkung der Politikergehälter in Bruck. Wir geben 430.000 Euro jährlich für die Bezüge der Gemeinderäte aus. Ich habe in der letzten Periode Bezüge von über 30.000 Euro in einen Sozialtopf eingezahlt und finde, dass in diesem Bereich locker bis zu 70.000 Euro gespart werden könnte. Nun hat Finanzstadtrat Koch die ausgearbeiteten Vorschläge der anderen Parteien aber nie diskutiert, geschweige denn in die Tat umgesetzt. Stattdessen wurde eine zweite, erneut mit Kosten verbundene Runde um den Budgetpfad einberufen. Dieses Verfahren Kochs – das Nicht-Zuhören und Nicht-Zugehen-Wollen auf Meinungen anderer Fraktionen – ist eines Finanzstadtrates und eines zukünftigen Bürgermeisters nicht würdig.

Trotzdem wird Koch in wenigen Wochen als Bürgermeister angelobt werden.

Am 1. Juni gibt es eine Sondergemeinderatssitzung, bei der er gewählt wird. Nur am Rande: Von den 31 Gemeinderäten benötigt er mindestens 16 Stimmen. Die SPÖ ist derzeit mit 15 Mandaten vertreten, hat aber mit der ÖVP einen verlässlichen Koalitionspartner. Obwohl er noch nicht einmal gewählt wurde, wird Koch der Bevölkerung schon jetzt als der neue Bürgermeister präsentiert.

Was ist Ihre kommunalpolitische Vision für die Stadt? Wohin soll sich Bruck in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

Dazu passend hat der Gemeinderat im vergangenen Jahr einstimmig die Stadtvision 2030 auf Schiene gebracht. Aus meiner Sicht muss sich Bruck als soziale Wohnstadt etablieren. Es ist eine irrsinnig schöne Stadt, eben auch mit sozialen Angeboten für sozial Schwächere. Der Fokus sollte weniger in die Schwerindustrie gehen, in diesem Bereich liegen die benachbarten Städte Kapfenberg und Leoben günstiger. Ich finde, Bruck hat gute Zukunftschancen im Klein- und Mittelhandel und in der Rolle als soziale Wohnstadt.

In Ihrer Landeshauptstadt Graz wurde Ihren GenossInnen kürzlich das Stammressort – das Wohnamt – entzogen. Elke Kahr und Robert Krotzer bekommen nun das Verkehrs- und Gesundheitsressort. Wird die steirische KP aus dieser „Rochade“ gestärkt oder geschwächt hervorgehen?

Der Wohnbereich ist tatsächlich die Kernkompetenz der steirischen Kommunisten, aber noch lange nicht die einzige. Ich sehe es als Chance, wenn sich die Grazer KPÖ auch in anderen Ressorts beweisen kann. Zum Wohnressort, das in Graz künftig vom freiheitlichen Mario Eustacchio geleitet wird, lässt sich noch sagen, dass die KPÖ bislang sehr viel Wert auf die direkte Kommunikation mit den Menschen gelegt hat und sich dort mit einer hohen Kompetenz über Jahre bewiesen hat. Ich glaube nicht, dass das die FPÖ in den nächsten Jahren schaffen wird.

Foto: Jürgen Klösch (privat); Titelbild: facebook.com/KPBruck

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