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Österreich ruft Klima-Notstand aus

In der allerletzten Sitzung des österr. Nationalrats vor den Neuwahlen und der Bildung einer neuen Regierung wurde mit überwiegender Mehrheit für die Ausrufung eines nationalen „Climate Emergency“ gestimmt.

Von R. Manoutschehri

Der von vier Parteien eingebrachte und unterstützte Entschließungsantrag (nur die FPÖ sieht „Klimahysterie“ in einem Notstand) richte sich nicht nur an die derzeitige, sondern auch an die künftigen Bundesregierungen. Es handle sich einerseits um eine symbolische Forderung, sich auf jeder Ebene zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens einzusetzen, andererseits beinhalte er auch konkrete Handlungsaufforderungen, wie per Rathauskorrenspondenz bekannt gegeben wurde.

Damit ist Österreich nach Großbritannien, Irland und Frankreich das vierte Land Europas, das Klima- und Umweltschutz zur Aufgabe höchster politischer Priorität macht. Alle künftigen rechtlichen Schritte, Regierungsbeschlüsse und neue Gesetze müssen nun auch dahingehend geprüft werden, ob und wie sie sich auf das Klima auswirken.

Der Antrag zur Ausrufung des Climate Emergency wurde auf Basis der Resolution von #FridaysForFuture Austria erstellt und ist ein großer Erfolg für den österreichischen Zweig der größten Jugend-Bewegung seit den 60er Jahren.

Angesichts der akuten Klimakrise, deren zerstörerische Auswirkungen auch auf der einstigen „Insel der Seeligen“, dem kleinen Österreich, nicht mehr zu übersehen sind, müssen nun alle Kräfte aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Politik mobilisiert werden, um einen nationalen klimagerechten Beitrag zur Einhaltung des 1.5 °C Ziels zu leisten, so der Appell von FfF.

Was der Klima-Notstand bedeutet

FfF-Austria macht daher auch auf die Details des Klima-Notstandes aufmerksam, der nicht nur eine Willensbekundung für mehr Klimaschutz ist, sondern auch acht konkrete Maßnahmen enthält, die Österreich auf den Pfad der Pariser Klimaziele von maximal 1.5°C globaler Erwärmung bringen sollen.

1. Climate Emergency bedeutet die Eindämmung der Klima- und Umweltkrise und ihrer schwerwiegenden Folgen als Aufgabe höchster Priorität anzuerkennen.

2. Zusätzlich zu den Veröffentlichungen österr. ges. Institutionen sind auch die wissenschaftlichen Berichte des IPCC und des „Austrian Panel on Climate Change“ (APCC) sowie des IPBES als sachliche Grundlage für zukünftige Klima- und Umweltpolitik heranzuziehen.

3. Darauf aufbauend sind im Rahmen der Nachbesserung des Nationalen Energie- und Klimaplans (NEKP) umgehend Maßnahmen vorzubereiten, welche den Ausstoß von Treibhausgasen ohne Einsatz von risikoreichen Kompensationstechnologien und ohne Ankauf von Emissions-Zertifikaten nachweislich verringern.

Ziel soll es sein, die Emissionen ehestmöglich, doch noch vor Mitte des Jahrhunderts, und sozial verträglich über die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens hinaus auf Netto-Null zu reduzieren, um Österreichs angemessenen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf 1,5°C zu leisten.

4. Bei künftigen Entscheidungen auch stets die Auswirkungen auf das Klima und den Klimaschutz feststellen zu lassen, transparent und nachvollziehbar darzustellen und zu berücksichtigen.

5. Über Fortschritte muss dem Nationalrat und der Öffentlichkeit ein halbjährlicher Bericht des Klimaschutzkomitees vorgelegt werden.

6. Verpflichtung zur beständigen und über alle öffentlichen Kanäle erfolgenden Information der österr. Bevölkerung über die Klima- und Umweltkrise, ihre Ursachen und Auswirkungen sowie über die Maßnahmen, welche gegen diese ergriffen werden.

7. Verpflichtung, sich auf EU- und internationaler Ebene für die Erreichung des 1,5°C-Ziels politisch einzusetzen, entsprechende Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz auch von anderen Ländern einzufordern, sich für Erneuerbare Energien und gegen die Energiegewinnung mittels Kernspaltung auszusprechen, sowie die Erfüllung des globalen Ziels durch den eigenen angemessenen Beitrag von Österreich zur Treibhausgasreduktion voranzutreiben.

8. Bei der Umsetzung entsprechender Maßnahmen ist mit den Bundesländern und Gemeinden zu kooperieren und sich mit diesen abzustimmen.

Es braucht mehr, um dem Klimawandel wirkungsvoll zu begegnen

Der Klima-Notstand selbst könne jedoch nur ein Startschuss sein – denn zur Bewältigung der Klimakrise ist ein gesamtgesellschaftlicher Denk- und System-Wandel nötig. Wie sehr dieser noch aussteht, zeigt die Ablehnung (von ÖVP und FPÖ) einer Erhöhung von Österreichs Beitrag zum Green Climate Fund, dem zentralen Finanzierungsinstrument des Pariser Klimaübereinkommens, auf 100 Mio. € in derselben Nartionalratssitzung.

(Nicht nur) der Ökonom Karl Steininger sieht darin eine Gefährdung der Zukunft Österreichs: „Denn nur ein angemessener Beitrag würde weit höheren wirtschaftlichen Folgeschäden vorbeugen. Steht Österreich nicht zum Pariser Abkommen, wird Letzteres geschwächt, die globalen Emissionen fallen somit höher aus und lösen zusätzliche Folgeschäden von mehr als vier bis neun Milliarden Euro pro Jahr in Österreich aus. Man kann dies wohl nur als Beweis lesen, dass in Österreich vielfach noch nicht erkannt wird, wie sehr sich die Klimakrise bereits zugespitzt hat.“

Eine wissenschaftliche Bewertung der Parteiprogramme vom Climate Change Center Austria (CCCA) enthüllte, dass nahezu keine politische Partei ausreichende Maßnahmen im Programm führt, um Österreichs Beitrag zur Eindämmung der Klimakrise zu garantieren. Nach den Wahlen werde sich zeigen, ob der Klimanotstand dazu führt, dass Parteiprogramme nachgeschärft werden und entsprechende Taten folgen, wie es der klare Handlungsauftrag an die künftige Bundesregierung nun vorsieht.

Earth Strike Wien

Fridays for Future ruft jedenfalls alle Parteien zur Zusammenarbeit auf – am Freitag, den 27. September, findet in Wien erneut der „Earth Strike“ statt, in dem Tausende Demonstranten die Wichtigkeit all dieser Forderungen unterstreichen. „Egal, wer die neue Regierung stellt: Die Jugend wird weiterhin den Druck auf der Straße erhöhen, bis endlich gehandelt wird.“

Die Klimaschutz-Demo besteht aus drei „Sternmärschen“, die jeweils um 12.30 Uhr an drei verschiedenen Orten zur Karlskirche ziehen, die um 14.30 Uhr erreicht wird. Von dort geht es gemeinsam zur Abschlusskundgebung am Heldenplatz, die bis ca. 20 Uhr anberaumt ist.

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