Mit Bahn und Öffis gegen die Klimakrise
Dem Transport auf der Schiene gehört die Zukunft. Dafür muss man aber in der Gegenwart die richtigen Weichen stellen.
Von Sabine Stelczenmayr, Fachbereichssekretärin für die Gewerkschaft vida, Robert Hofmann
Bundessekretär im Fachbereich Eisenbahn der Gewerkschaft vida und Heinz Högelsberger, Abteilung Umwelt und Verkehr der AK Wien
Die globale Erderwärmung wird überwiegend durch den immensen Verbrauch an fossilen Energieträgern – also Kohle, Öl und Gas – verursacht. Die Auswirkungen sind vielfältig sichtbar und längst messbar geworden und bedrohen uns und die zukünftigen Generationen. Mit 9,6 Tonnen Treibhausgasen pro EinwohnerIn und Jahr gehört Österreich zu den großen Verschmutzern unserer Atmosphäre.
Hauptverursacher für Österreichs Klimaschutzprobleme ist der Verkehrsbereich. 2018 war laut einer Studie des Umweltbundesamtes der (Straßen-)Verkehr für 30 Prozent der österreichischen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Statt zu sinken, ist seit 1990 im Verkehrssektor eine Zunahme der Treibhausgase um rund 74 Prozent zu verzeichnen. Bis 2030 müssen die Emissionen des Verkehrs um ein Drittel sinken, bis 2040 um ein weiteres Drittel.
Alles spricht für die Bahn
Rund 70 Prozent aller Personen-Kilometer werden hierzulande mit dem Pkw zurückgelegt. Laut Umweltbundesamt sind aber nicht allein durch den Einsatz von Elektroautos – also eine Antriebswende – die Klimaziele zu erreichen. Es bedarf einer echten Mobilitätswende – und die Bahn wäre dafür das geeignetste Instrument!
Es gibt kein anderes Transportmittel, welches derartige Massen an Menschen und Tonnen an Gütern über weite Strecken transportieren kann und dabei derart geringe Emissionen verursacht. Laut Grafik des VCÖ sind die ÖBB um den Faktor 15 klimafreundlicher als der konventionelle Pkw (beim E-Auto immer noch um den Faktor 6,5). Insbesondere Fliegen ist 30-mal klimaschädlicher als Bahnfahren!
Dem Transport auf der Schiene gehört also die Zukunft. Dafür muss man aber in der Gegenwart die richtigen Weichen stellen. In und rund um die Ballungszentren ist die Bahn an ihren Kapazitätsgrenzen angelangt. Daher werden eigene Güterverkehrsstrecken oder Umfahrungen auf den Hauptverkehrsstrecken notwendig sein, um den Güterverkehr attraktiver zu machen. Denn momentan haben Personenverkehrstrassen Vorrang, was gut und wichtig für die PendlerInnen und Zugreisenden ist. Was es braucht, sind Bahnanschlüsse für Betriebsansiedlungen durch die öffentliche Hand, um den Güterverkehr auf die Schiene zu verlegen. Der Ausbau der Eisenbahninfrastruktur ist natürlich arbeits- und kostenintensiv. Allerdings sind die hohen Budgets für einen funktionierenden Bahnverkehr relativ zu betrachten, da dadurch Folgekosten für Klimaschäden erheblich verringert werden können. Betrachtet man die auf der Straße anfallenden Kosten und Schäden (Krankheitsfälle, Klimaveränderung, Unfälle und Staus), ergibt sich erst der ungeschönte Blick auf die tatsächlichen Kosten, die auf der Straße verursacht werden. Zusätzlich werden durch diese Investitionen sogenannte „Green Jobs“ geschaffen, mit zusätzlichen positiven Folgeeffekten. Daher lautet die dringende Empfehlung an die Bundesregierung, den öffentlichen Verkehr massiv auszubauen; und zwar um mindestens eine halbe Milliarde Euro pro Jahr zusätzlich. Realistischerweise wird man allerdings eine Milliarde benötigen.
Anders als der Straßenverkehr, beziehen die Bahnen die notwendige Energie überwiegend aus erneuerbaren Ressourcen. Daher ist es nur logisch, dass verstärkt alle Regionalbahnen elektrifiziert werden und es Investitionsförderungen für grüne Stromerzeugung im Eisenbahnsektor und „grüne Anschlussverkehre“ gibt.
Zum Thema Kostenwahrheit und Wettbewerbsgleichheit hat auch der ÖBB-Chef Andreas Matthä mehrfach klare Worte gefunden und das Dieselprivileg und die weitgehende Steuerbefreiung des Flugverkehrs kritisiert. Im Gegensatz zu diesen Subventionierungen stünde das Faktum, dass Österreich die höchste Besteuerung des Bahnstroms hätte.
Her mit den neuen Verkehrsdiensteverträgen!
Die Schweiz und Österreich sind jene europäischen Länder, in denen am meisten mit der Eisenbahn gefahren wird. Teil dieser Erfolgsgeschichte ist, dass bisher auf das neoliberale Experiment von Ausschreibungen verzichtet wird. In beiden Ländern werden die Aufträge direkt an Eisenbahnen im öffentlichen Besitz vergeben. In Österreich wird der Nah- und Fernverkehr über sogenannte Verkehrsdiensteverträge sichergestellt. Bund und Länder beauftragen die Bahnen direkt, um den öffentlichen Verkehr zu sichern. Dafür erhalten diese ein entsprechendes Entgelt. Im Dezember laufen in den meisten Bundesländern die bestehenden Verkehrsbestellungen aus. Daher ist es höchste Zeit, neue Verkehrsdiensteverträge auf Schiene zu bringen und die Finanzierung sicherzustellen. Dieses Vertragswerk regelt Organisation, Fahrplandichte und Kostenverteilung (zwischen Bund und Ländern) des Eisenbahnverkehrs für die nächsten zehn Jahre. Denn qualitativ guter und leistbarer öffentlicher Verkehr ist nicht kostendeckend zu erbringen. Das zeigen EU-weite Vergleiche sowie die vergleichsweise schlechte Qualität des liberalisierten öffentlichen Verkehrs in Deutschland oder Großbritannien.
Der ehemalige Verkehrsminister Norbert Hofer hat in dieser Frage zwei Baustellen hinterlassen: Einerseits ist es bis dato noch zu keinem Vertragsabschluss gekommen. Andererseits hingen Teile des Vergabeverfahrens wegen einer vom Verkehrsministerium verschuldeten Fristversäumnis an einem seidenen Faden. Glücklicherweise hat das Bundesverwaltungsgericht Anfang Oktober diese Fristenüberschreitung als nicht relevant für die Direktvergabe in der Ostregion eingestuft. Inzwischen hat der Nationalrat den Interims-Verkehrsminister Andreas Reichhardt ermächtigt, für die Finanzierung des Schienen-Personenverkehrs rund elf Milliarden Euro Steuergeld aus dem Bundeshaushalt zu gewähren. Mit diesem Rückenwind muss die Übergangsregierung nun rasch und rechtzeitig die übrigen Verkehrsdiensteverträge unter Dach und Fach bringen und auch dafür sorgen, dass die Finanzierung für ausreichendes Personal in den Zügen und auf den Bahnhöfen (Stichwort Personenkassen) gesichert ist.
Neue Regierung: Bitte handeln!
Der Nationalratswahlkampf war geprägt von der Klimakrise. Alle Parteien haben unter vielen anderen Maßnahmen auch den Ausbau des Bahnsektors genannt. Die zukünftige Bundesregierung ist nun aufgerufen, unsere Zukunft zu schützen und die Wahlversprechen auch in echte Maßnahmen umzuwandeln. Daher sollte eine Mobilitätsgarantie in der Verfassung verankert werden. Das wäre ein klares Bekenntnis, die Klimakrise ernst zu nehmen und den Güterverkehr und Personenverkehr über Regierungsperioden hinweg zu fördern. Nur durch die Beibehaltung der Direktvergabe an öffentliche Verkehrsträger können wichtige Qualitäts-, Sicherheits- und Sozialstandards vor Dumping geschützt werden.
Die kommende Regierung hat die letzte Chance, dafür zu sorgen, dass Österreich seine Klimaziele erreicht. Dafür sind radikale und konsequente Schritte in der Verkehrspolitik notwendig. Zum Drehen an kleinen Schrauben (Stichwort „Überzeugen statt verbieten“) ist es jetzt zu spät; es müssen große Hebel umgelegt werden. Einer dieser Hebel ist der konsequente Ausbau von Bahn und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln.
Dieser Beitrag wurde am 18.10.2019 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.
Titelbild: ÖBB 1016 023 (Green Points) am Bahnhofareal vom Bahnhof Sigmundsherberg (commons.wikimedia.org/Mö1997; Lizenz: CC BY-SA 4.0)