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Wer kann von 221 Euro wohnen und leben?

Eine brutale Regelung drängt immer mehr Steirer und Steirerinnen an den Rand der Existenz

Ein Gastartikel von Hanno Wisiak

Wer arbeitet, zahlt in die Arbeitslosenversicherung ein, um im Fall von Arbeitslosigkeit Arbeitslosengeld zu bekommen. Die Regeln, die das System vor Missbrauch schützen sollen, werden jedoch immer härter ausgelegt. Viele Menschen fühlen sich deshalb vom AMS oft unter Druck gesetzt oder sogar schikaniert.

Wenn Arbeitslose AMS-Termine nicht wahrnehmen oder Jobangebote verweigern, drohen ihnen Kürzungen und Sperren des Arbeitslosengeldes. Diese Sanktionen wurden zuletzt so verschärft, dass viele in einer gefährlichen Abwärtsspirale landen.

Viele klagen über unfaire Praxis

Im Beruf von Franziska B.* ist es nicht einfach, Arbeit zu finden. Im Sommer des Vorjahres hatte sie deshalb eine saisonale Stelle angenommen. Heuer sagte die 41-Jährige, dass gerne mehr und länger arbeiten wollte. Wenn das nicht möglich ist, müsste sie nebenbei auch etwas anderes suchen. Das Unternehmen wollte das nicht und weigerte sich plötzlich, die Frau überhaupt anzustellen. Das Unternehmen meldete die Aussage der Klientin an das AMS zurück. Das AMS legte Frau B. das als Arbeitsverweigerung und belegte sie mit einer sechswöchigen Sperre.

Wegen „Arbeitsvereitelung“ erhielt Mario P. eine Sperre – obwohl er einen Job angenommen hatte. Er ging, wie vorgeschrieben, zu einem Vorstellungsgespräch, das ihm das AMS vermittelt hatte. Dass er da aber schon eine fixe Jobzusage in einer anderen Firma hatte, gab er dort bekannt. Das legte ihm das AMS als Vereitelung einer vorzeitigen Beendigung der Arbeitslosigkeit aus und sperrte ihm den Bezug.

Auch Angelika P* kassierte eine Sperre, obwohl sie zum Vorstellungsgespräch ging. „Die Firma hätte mich innerhalb einer Woche einladen müssen, hatte aber keine Zeit“, erzählt sie. Die Firma tat das jedoch erst nach zehn Tagen. Frau P. wurde das AMS-Geld gesperrt – obwohl sie alles richtig gemacht hatte.

„Von solchen Fällen hören wir in unserer Sozialsprechstunde immer wieder und immer öfter“, sagt KPÖ-Stadtrat Robert Krotzer. Die Zahlen geben ihm recht. Laut AMS gab es von 4.874 Fällen im Jahr 2017 auf einen Anstieg auf 6.289 im Jahr 2018 – alleine in der Steiermark. Oft stecken formale Tücken dahinter und sorgen für enorme Probleme.

Brutale Situation in der Steiermark

Die Betroffenen verlieren für sechs bis acht Wochen das Arbeitslosengeld. „In der Steiermark wird das für sie zum massiven Problem“, erklärt Claudia Klimt-Weithaler, KPÖ-Klubobfrau im steirischen Landtag. In dieser Zeit haben sie nämlich nur Anspruch auf 25 Prozent der Mindestsicherung. „Das sind 221,37 Euro im Monat(!) für Wohnkosten, Strom, Heizung, Lebensbedarf“, kritisiert Klimt-Weithaler: „Davon kann niemand leben.“ Es häufen sich Schulden und Probleme an, die auch einer positiven Arbeitssuche im Weg stehen.

SPÖ-Landesrätin Kampus blockt ab

Wenn eine existenzielle Bedrohung durch den Verlust der Wohnung dazukommt, werden die Betroffenen erst recht nicht in der Lage sein, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Darum fordert die KPÖ, dass die Wohnkosten auch bei einer AMS-Sperre berücksichtigt werden müssen. Denn niemandem ist geholfen, wenn Menschen ihre Wohnung verlieren! Die zuständige Landesrätin Doris Kampus (SPÖ) lehnt ein Einlenken ab.

Die KPÖ bleibt an der Sache dran. „Wie stellt sich eine Sozial(!)-Landesrätin mit einem monatlichen Einkommen von 15.000 Euro brutto eigentlich vor, dass Menschen mit 221 Euro (!) Essen, Miete, Heizung und Strom zahlen können?“, fragt Klimt-Weithaler.

*Name geändert

Hanno Wisiak arbeitet im Büro des Grazer Gesundheitstadtrats Robert Krotzer und ist Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Graz-Geidorf.

Titelbild: AMS (Foto: Pia Schmikl)

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