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Protest durch Boykott: Die NBA zeigt, wie’s geht

Schon wieder wurde in den USA ein Schwarzer Opfer von brutaler Polizeigewalt – ein Team der amerikanischen Basketball-Liga NBA reagierte darauf am vergangenen Mittwoch mit einem Streik. Ein starkes Zeichen, das man sich im Fußball nur wünschen kann. 

Ein Kommentar von Moritz Ettlinger

Eigentlich hätte das fünfte Play-Off-Duell in der ersten amerikanischen Basketball-Liga zwischen den Milwaukee Bucks und den Orlando Magic am Mittwoch um 22 Uhr mitteleuropäischer Zeit starten sollen. Doch die Bucks rund um Superstar Giannis Antetokounmpo boykottierten das Spiel –  aus gutem Grund.

Es war schon wieder passiert, in doppelter Ausführung. Am Sonntag vergangener Woche wurde dem Schwarzen Jakob Blake im US-Bundesstaat Wisconsin von einem weißen Polizisten sieben Mal in den Rücken geschossen, als er die Tür seines Autos öffnete – vor den Augen seiner Kinder. Traurigerweise nicht der einzige Vorfall an diesem Wochenende: Schon am Freitag zuvor erschoss ein Polizist den 31-jährigen Trayford Pellerin. Auch hier war das Opfer schwarz.

Milwaukee Bucks bringen Protestwelle ins Rollen

Durch die Spielverweigerung der Milwaukee Bucks (Milwaukee liegt ebenso im Bundesstaat Wisconsin) wurde ein neuer Höhepunkt der Proteste gegen Polizeigewalt in den USA erreicht. Nur kurze Zeit danach wurde alle Spiele in der NBA für die nächsten Tage abgesagt, erst am Samstag ging es weiter.

Die WNBA, die höchste US-Basketball-Liga der Frauen, verschob ebenfalls ihre Spiele an diesem Mittwochabend, die ehemalige Tennis-Weltranglistenerste Naomi Osaka kündigte an, bei ihrem Halbfinalmatch bei den Western & Southern Open in New York nicht anzutreten. Später zogen dann auch die restlichen US-amerikanischen Profiligen nach, sowohl die MLB (Baseball) als auch die MLS (Fußball) und mit etwas Verzögerung auch die NHL (Eishockey) setzten Spiele aus.

Damit steht für kurze Zeit der gesamte US-Sport still – und die ganze Welt spricht darüber. Die Milwaukee Bucks haben mit ihrem Boykott einen Stein ins Rollen gebracht, der viel schwerer wiegt als alle Proteste von Sportler*innen in der Vergangenheit. „Ab einem bestimmten Punkt sind Aktionen lauter als Worte“, sagte Ryan Braun von den „Brewers“ aus der MLB, was mit dieser Aktion eindeutig unter Beweis gestellt wurde.

Die Sache mit Katar

Eine Aktion, von der man anderswo nur träumen kann. Zum Beispiel im Profifußball. Schon im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Russland wurden Stimmen laut, die einen Boykott des Turniers forderten. 21 Menschen starben damals bei Bauarbeiten für dieses Turnier, für Minderheiten, Andersdenkende und Oppositionelle ist Russland ganz allgemein ein schwieriges Pflaster, von Problemen bei der Presse- und Meinungsfreiheit ganz zu schweigen. Doch ernsthaft dachten damals niemand an einen Boykott – weder von Seiten der teilnehmenden Nationen, noch von den Zuschauer*innen.

In zwei Jahren hat die Fußball-Elite dieses Planeten eine neue Chance, es den amerikanischen Basketballer*innen gleich zu tun und mit einem Boykott einer Weltmeisterschaft ein echtes Zeichen zu setzen. Für das Turnier 2022 hat die FIFA nämlich noch einmal einen draufgesetzt und Katar den Zuschlag gegeben.

Ein Land ohne real existierende Fußballkultur, in dem Gastarbeiter wie Sklaven behandelt werden, in dem es so heiß ist, dass die WM im Winter stattfinden muss und in dem reihenweise Stadien aus dem Boden gestampft werden müssen, bei deren Bauarbeiten schon hunderte Menschen gestorben sind. Ein Land, dessen politische Führung schon seit Jahren versucht, sein Image durch Investitionen in den Sport und vor allem den Fußball reinzuwaschen, das mit Paris St. Germain einen ganzen Klub sein Eigen nennt und spätestens mit dem 222-Millionen-Euro-Transfer von Neymar nachhaltigen Schaden im europäischen Spitzenfußball angerichtet hat. Und in diesem Land soll in zwei Jahren eine Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden.

„FUCK THIS MAN! We demand change. Sick of it“, schrieb NBA-Star LeBron James auf Twitter in Bezug auf die brutale Polizeigewalt in den USA. Veränderung täte auch dem Milliardengeschäft Fußball mehr als gut. Doch durch lose Worthülsen und bedeutungslose Hashtag-Kampagnen der Verbände wird rein gar nichts passieren. Veränderungen passieren durch Taten. Wie zum Beispiel durch einen Boykott der WM 2022. Darüber muss zumindest laut nachgedacht werden.

Boykott im Fußball nur bei Milliardärsbeleidigung

 Von Boykotten von ganzen Turnieren einmal abgesehen sind sogar Spielunterbrechungen im Profifußball eine absolute Seltenheit. Egal, wie viele Spieler*innen von den Rängen rassistisch beleidigt werden, egal, wie die politische Situation in einem Land aussieht, egal, mit welchen fragwürdigen Sponsoren auf dem Trikot ein Team aufläuft: Oft wirkt es so, als spiele König Fußball immer und immer weiter, ohne Rücksicht auf Verluste.

Außer natürlich es geht an die großen Geldgeber: Da kennen die Vereinsverantwortlichen und Verbände kein Pardon. Als beim Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und der TSG Hoffenheim im Februar diesen Jahres der Milliardär und Hoffenheim-Mäzen Dietmar Hopp auf einem Plakat der Bayern Fans beleidigt wurde, dauerte es nicht lang, bis der Schiedsrichter das Spiel unterbrach. Zu sehen, wie vereint die gesamte Führungsetage beider Vereine und die Spieler auf dem Feld, die sich den Ball nach der Unterbrechung nur noch locker zuspielten, gegen diese „Chaoten“ aufstanden, war ja fast schon rührend.

Die Fans der Bayern reagierten darauf im darauffolgenden Spiel gegen Augsburg mit kritischen Transparenten im Minutentakt: „Wen müssen wir beleidigen, damit über die Grenzpolitik nachgedacht wird?“, stand darauf unter anderem in großen Buchstaben. Damit ist eigentlich alles gesagt.

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Titelbild: Unsere Zeitung/Collage (Bilder von Gustav Brandt auf Pixabay und https://megapixel.click – CC0 photos for free auf Pixabay)

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Moritz Ettlinger

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