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“Das ist doch nicht sexistisch!”

Sexismus ist nicht gleich Sexismus, so die Hauptaussage des Konzeptes des “ambivalenten Sexismus” von Peter Glick und Susan T. Fiske. Sie erschufen bereits vor über 25 Jahren ein Konzept, das auf die vielseitigen Arten von Sexismus hinweist. Dabei unterteilten sie die vorherrschenden Einstellungen gegenüber Frauen in zwei Kategorien: feindselig und wohlwollend. Doch was bedeutet das? Und was ist überhaupt warum sexistisch?

Ein Gastbeitrag von Julia Margreiter

Die Theorie des ambivalenten Seximus wurde 1996 von Peter Glick und Susan T. Fiske entwickelt. Männer besitzen aufgrund des Patriarchats zwar einerseits die stärkere ökonomische und politische Macht gegenüber den Frauen, andererseits benötigen sie die Frauen jedoch, um Nachkommen zeugen und ihre Bedürfnisse nach Intimität und Nähe stillen zu können. Daraus ergibt sich ein widersprüchliches Verhältnis bei Männern betreffend Frauen, welches sich anhand von ambivalent-sexistischen Äußerungen zeigt.

Glick und Fiske unterteilten diese ambivalenten Einstellungen in zwei Kategorien: feindselige und wohlwollende Aussagen. Dabei gehen beide Arten von einer Minderwertigkeit der Frauen aus. Der Unterschied liegt darin, dass bei der feindseligen Form Frauen aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert, während sie bei der wohlwollenden Form idealisiert werden. Wohlwollender Sexismus ist daher oftmals durch scheinbar positive Konnotationen gekennzeichnet, weswegen er oft nicht als solcher erkannt wird. 

Der feindselige Sexismus hingegen konzentriert sich auf die negativen Eigenschaften und ist somit die Art, welche die meisten Menschen unter sexistischem Verhalten kennen und verstehen werden. Doch beide Formen sind dazu da, die strukturelle Dominanz von Männern rechtzufertigen und aufrechtzuerhalten. Deshalb ist das Wissen um diese Ambivalenz für den Kampf gegen das Patriarchat und für eine geschlechtergerechte Gesellschaft unbedingt notwendig.

Glick und Fiske definieren drei Subkategorien, anhand derer sie die Unterschiede bemessen: Paternalismus, Geschlechterdifferenzierung und Heterosexualität.

Der feindselige Sexismus

Die feindselige Form zeigt sich anhand des dominanten Paternalismus (= Bevormundung). Frauen müssen demnach aufgrund ihrer mangelnden Kompetenzen in wichtigen Lebensbereichen von Männern kontrolliert werden. Sie sind von Natur aus nicht geschaffen für gewisse Aufgaben. 

Dies zeigt sich auch anhand der Geschlechterunterschiede, nach denen Frauen als schwach und sensibel empfunden werden, weswegen Männer denken, sie seien das bessere Geschlecht. Zudem werden Frauen beim feindseligen Sexismus als Sexobjekte gesehen, die ihre sexuelle Anziehungskraft ausnutzen, um die Macht über die Männer zu erlangen.

Der wohlwollende Sexismus

Beim wohlwollenden Sexismus hingegen werden Männer aufgrund ihrer Macht, Autorität und physischen Stärke zu Beschützern und Versorgern der Frauen. Dieser beschützende Paternalismus zeigt sich vor allem gegenüber Frauen, von denen Männer abhängig sind oder über die sie ein Gefühl des Besitzes empfinden, wie zum Beispiel Ehefrauen, Mütter und Töchter. 

Was die Geschlechterdifferenz angeht, glaubt man, dass Frauen die Welt mit ihren positiven Eigenschaften (Hilfsbereitschaft, Gutherzigkeit, etc.) komplementieren. Sie ergänzen somit das, was Männer stereotypisch nicht haben oder sind. Damit spricht man jedoch auch allen Frauen, die andere Interessen als die traditionell weiblichen Ambitionen des Hausfrau-Seins haben, ihre Weiblichkeit ab. Schlussendlich werden beim wohlwollenden Sexismus die Frauen als unbedingtes Mittel zum Zweck gesehen, damit ein Mann überhaupt komplett ist. Dabei werden Frauen als Sexobjekte idealisiert und als unabdingbar angesehen.

Damit legitimiert der wohlwollende Sexismus auch den feindseligen Sexismus, indem Frauen für traditionelle und stereotype Verhaltensweisen belohnt werden (Hausfrauen), während Frauen, die aus dieser Rolle ausbrechen, bestraft werden (Karrierefrauen). Und da jede Person für ihr Dasein lieber belohnt als bestraft wird, widmen sich Frauen eher den ihnen zugeschriebenen Tätigkeiten.

Menschen als Individuen wahrnehmen

Doch nicht nur darum ist der wohlwollende Sexismus genauso abzulehnen wie der feindselige. Beide sind, wie bereits beschrieben, dazu da, dem Patriarchat zu dienen. Zwar wird die Andersartigkeit beim wohlwollenden Sexismus als positiv angesehen, doch stigmatisiert sie Frauen auf die gleiche Art und Weise wie das im feindseligen Sexismus passiert. 

Es scheint zwar gut gemeint zu sein, indem man Frauen nichts zumuten will bzw. ihre mütterlichen Fähigkeiten als besonders gut hervorhebt. Doch werden Frauen (und Männer) dadurch in eine Rolle gezwängt, die schlussendlich wiederum den (Alpha-)Männern dient, indem Frauen dadurch oft als die traditionellen Hausfrauen zurückbleiben, während Männer die Führungsetagen bevölkern. 

Das Ziel sollte sein, jeden Menschen als Individuum wahrzunehmen, mit seinen eigenen Fähigkeiten und Zielen. Dabei sollte das bei der Geburt zugeschriebene Geschlecht nicht wichtig sein, denn das Kategorisieren von Menschen hat uns noch nie weit gebracht. Männer können ebenso sensibel sein wie Frauen rationale Entscheidungen treffen können. Meist hat das soziale Umfeld und die Erziehung mehr mit der Entwicklung eines Menschen zu tun als irgendwelche vorgeschriebenen Rollen, in die eine Person hineinpassen soll.

Um also Sexismus bekämpfen und die Vision einer geschlechtergerechten Gesellschaft verwirklichen zu können, müssen neben den feindseligen auch die wohlwollenden Aussagen als Sexismus identifiziert und abgeschafft werden. Nicht nur, um die Frauen aus ihren sozialen Käfigen zu holen, sondern auch für eine generelle Vielfalt in unserer Gesellschaft, in der jeder Mensch sein darf, wie er nunmal ist.


Quellen:

  • Glick, P. & Fiske, S. T. (1997). Hostile and Benevolent Sexism. Psychology of Women Quarterly, 21(1), 119–135. https://doi.org/10.1111/j.1471-6402.1997.tb00104.x
  • Glick, P., Fiske, S. T., Mladinic, A., Saiz, J. L., Abrams, D., Masser, B. M., Adetoun, B. E., Osagie, J. E., Akande, A., Alao, A. A., Annetje, B., Willemsen, T., Chipeta, K., Dardenne, B., Dijksterhuis, A., Wigboldus, D. H. J., Eckes, T., Six-Materna, I., Expósito, F., . . . López, W. L. (2000). Beyond prejudice as simple antipathy: Hostile and benevolent sexism across cultures. Journal of Personality and Social Psychology, 79(5), 763–775. https://doi.org/10.1037/0022-3514.79.5.763
  • Ollrogge, K., Rau, M. & Hannover, B. (2022). Ambivalenter Sexismus gegenüber jugendlichen Mädchen. Diagnostica. https://doi.org/10.1026/0012-1924/a000306

Titelbild: Claudio Schwarz auf Unsplash

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