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Günstiges Öffi-Ticket für alle jungen Menschen in Oberösterreich? – Bitte warten!

Mobil zu sein bedeutet für junge Menschen, ihren Handlungsraum zu erweitern. In Oberösterreich wird es jungen Menschen, die sich am Übergang zwischen Schule und Beruf in einem arbeitsmarktpolitischen Unterstützungsangebot befinden, jedoch finanziell erschwert, den öffentlichen Verkehr zu nutzen. Sie haben keinen Zugang zum Jugendticket-Netz. Dadurch können sie öffentliche Verkehrsmittel weniger nutzen, was ihre Mobilität massiv einschränkt. Dabei hätte es für die Betroffenen und auch für die Gesellschaft positive Folgen, wenn der Zugang zum Jugendticket-Netz auch auf diese Gruppe ausgeweitet werden würde.

Von Harald Prosch, AK Oberösterreich (A&W-Blog)

Mobilität von jungen Menschen „massiv eingeschränkt“

Knapp 1.000 Menschen zwischen 14 und 23 Jahren nahmen in Oberösterreich im Jahr 2022 an einem AusbildungsFit-Projekt teil. Das Ziel dieser arbeitsmarktpolitischen Initiative ist es, dass Jugendliche und junge Erwachsene nach dem Ende ihrer Schulpflicht „nachreifen“ können: Sie haben die Möglichkeit, Basisqualifikationen und Kompetenzen zu erlernen, um am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Im Vergleich zu ihren Alterskolleg:innen, die zur Schule gehen oder eine Lehre absolvieren, ist ihr Mobilitätsradius stark eingeschränkt. Denn sie sind vom Erwerb des Jugendticket-Netz und damit von der kostengünstigen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ausgeschlossen. Das Jugendticket-Netz ermöglicht jungen Menschen bis zum Alter von 24 Jahren, um 82 Euro pro Jahr (Stand August 2023) beliebig viele Fahrten im Netz des Oberösterreichischen Verkehrsverbundes (OÖVV) zurückzulegen.

Zug fährt ab! Aber ohne Menschen aus AusbildungsFit-Projekten

Junge Menschen, die ein AusbildungsFit-Projekt besuchen, bekommen zwar einen finanziellen Zuschuss für die Strecke zwischen dem Wohnort und dem Ort des Ausbildungsprojektes. Wenn sie darüber hinaus allerdings ein Praktikum bei einem Unternehmen absolvieren oder an Exkursionen teilnehmen, müssen sie die Kosten für die öffentlichen Verkehrsmittel selbst übernehmen. Für Fahrten in ihrer Freizeit mit dem Bus, der Straßenbahn oder dem Zug müssen sie jeden Euro aus der eigenen Tasche bezahlen. Das führt dazu, dass diese Zielgruppe viel Geld pro Monat für Einzel- oder Monatstickets im öffentlichen Verkehr ausgeben muss oder gar nicht erst fährt: Teilweise können die betroffenen jungen Menschen zusätzliche Unterstützungsangebote nicht wahrnehmen, weil ihnen das Geld für das Öffi-Ticket fehlt.

Stimmen bei einem Workshop im Vorfeld der Veranstaltung „Jugend im Dialog“:

„Ich habe für mein zweiwöchiges Praktikum im Rahmen eines AusbildungsFit-Projektes 154 Euro für Öffi-Tickets ausgegeben.“ (Jugendliche, 17 Jahre)

„Wenn ich zum Schnuppern nicht zu Fuß hingehen kann, gehe ich gar nicht erst in den Betrieb schnuppern, weil ich mir die Fahrt nicht leisten kann.“ (Jugendliche, 18 Jahre)

„Mir fehlt das Geld für das Busticket, um das kostenlose Psychotherapieangebot wahrnehmen zu können. Ohne diese therapeutische Unterstützung schaffe ich aber wiederum den Schritt zur Schuldnerberatung nicht.“ (Jugendlicher, 21 Jahre)

Starker Wunsch nach sorgenfreier Mobilität

Der Wunsch vieler Betroffenen wäre es, nicht darüber nachdenken zu müssen, ob sie genügend Geld für ein Öffi-Ticket zum Vorstellungsgespräch haben oder ob der Ort auf ihrer Verbindungsstrecke liegt, für die ihr Monatsticket gültig ist. Der fehlende Zugang zum Jugendticket-Netz führt auch dazu, dass das Freizeitleben und die sozialen Kontakte der jungen Menschen leiden („Mobilitätsarmut“).

Positive Effekte einer Ausweitung des Jugendticket-Netz

Dabei hätte es höchst positive Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft, wenn der Zugang zum Jugendticket-Netz auch auf diese Gruppe ausgeweitet werden würde:

  • Chancengleichheit

Die Betroffenen hätten dieselben Chancen wie ihre Alterskolleg:innen, mobil zu sein und am öffentlichen Leben teilzunehmen.

  • Finanzielle Entlastung

Verglichen mit den hohen Preisen für Einzel- und Monatskarten wäre das Jugendticket-Netz eine große finanzielle Erleichterung für Betroffene und ihre Familien.

  • Leichterer Zugang zu Unterstützungsangeboten, Praktika und Exkursionen

Es würde den Betroffenen ermöglichen, Unterstützungsangebote anzunehmen, die Ausbildungspflicht zu erfüllen und den Sprung in die Arbeitswelt zu schaffen.

  • Attraktivierung des öffentlichen Verkehrs

Die jungen Menschen würden bereits früh die Vorzüge des öffentlichen Verkehrs kennenlernen und ein Bewusstsein für nachhaltige Mobilität entwickeln. Sie sind die Fahrgäste der Zukunft.

Landesregierung schiebt Verantwortung ab

Die Arbeiterkammer Oberösterreich und die Bundesarbeiterkammer setzen sich bereits seit vielen Jahren für die Ausweitung des Jugendticket-Netz auf Menschen in arbeitsmarktpolitischen Unterstützungsangeboten ein. Auf Bundeslandebene wurde im Jahr 2022 dazu von der Arbeiterkammer Oberösterreich in Zusammenarbeit mit der Bischöflichen Arbeitslosenstiftung eine Petition in den oberösterreichischen Landtag eingebracht. Der zuständige Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) lehnte das Anliegen jedoch mit dem Verweis ab, dass ansonsten ein „bisher nicht gekanntes Präjudiz in Österreich bezüglich des Zugangs zu Produkten der Schüler- und Lehrlingsfreifahrt“ geschaffen werden würde. Der Verweis des Landesrates, dass in diesem Falle eine Ungleichbehandlung anderer Gruppen (zum Beispiel Studierender) erfolgen würde, ignoriert die aktuell herrschende Ungleichbehandlung von Menschen in AusbildungsFit-Projekten und kann als Versuch gewertet werden, verschiedene Gruppen gegeneinander auszuspielen.

Betroffene appellieren an Politiker:innen

Ein gemeinsamer Antrag von SPÖ und Grünen für ein „kostengünstiges und klimafreundliches Jugendticket für alle Menschen in Ausbildung“ (unter anderem auch Studierende) wurde 2019 in den oberösterreichischen Landtag eingebracht, fand jedoch keine Mehrheit. Vonseiten der Arbeiterkammer Oberösterreich und der Diözese Linz wurde das Thema im Rahmen der Veranstaltung „Jugend im Dialog“ im Mai 2023 erneut thematisiert. Junge Menschen aus AusbildungsFit-Projekten erzählten den anwesenden Landes- und Bundespolitiker:innen aus erster Hand, wie schwierig sich ihre Situation durch den fehlenden Zugang zum Jugendticket-Netz gestaltet.

Fazit

Es gibt derzeit weder auf Bundesland-, noch auf Bundesebene eine politische Mehrheit dafür, das Jugendticket-Netz auf die Zielgruppe der Menschen in AusbildungsFit-Projekten auszuweiten. Dabei wäre dieser Schritt angesichts der Größe der Zielgruppe mit überschaubaren Kosten verbunden und wäre vor allem eine gewinnbringende Investition in die Zukunft junger Menschen.


Der Beitrag wurde am 04.09.2023 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: Nic Y-C auf Unsplash

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