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Und es bewegt sich doch nichts? Frauen leisten immer noch den Großteil der unbezahlten Arbeit

Ende 2023 sind die Ergebnisse der neuesten Zeitverwendungserhebung erschienen. Sie ist die einzige umfassende Datenquelle, über die wir erfahren, wie es um die Verteilung von unbezahlter Arbeit wie Kinderbetreuung und Haushalt steht. Geändert hat sich seit der letzten Erhebung vor 13 Jahren allerdings wenig: Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Arbeit. Um dieses Ungleichgewicht zu bekämpfen, sind umfassende Maßnahmen notwendig: vom Ausbau der Kinderbetreuungs- und Pflegeangebote über Änderungen im Steuersystem bis hin zu einer gesunden Vollzeit.

Von Carina Altreiter und Tamara Premrov, AK Wien (A&W-Blog)

Gender Care-Gap: Männer leisten immer noch deutlich weniger unbezahlte Arbei

Die aktuelle Zeitverwendungserhebung wurde erst nach viel Druck von außen beauftragt und finanziert. Die von der Statistik Austria im Auftrag des Frauenministeriums erhobenen Daten zeigen, dass bezahlte Erwerbstätigkeit und unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit in Österreich sehr ungleich verteilt sind. Im Durchschnitt verwenden erwachsene Frauen unter 65 Jahren 57 % ihrer Zeit für unbezahlte Arbeit und 43 % für Erwerbsarbeit. Männer verwenden hingegen 2/3 ihrer Zeit für Erwerbsarbeit und 1/3 für unbezahlte Arbeit. 

Dieser Gender-Care-Gap wird größer, sobald Kinder im gemeinsamen Haushalt leben. Dann verwenden Frauen nämlich rund 65 % der Zeit für Betreuung und Haushalt und nur 35 % für Erwerbsarbeit. Bei Männern ist das Verhältnis exakt umgekehrt. Frauen leisten in dieser Konstellation täglich 2 Stunden und 41 Minuten mehr an unbezahlter Arbeit als Männer. Zählt man Erwerbsarbeit und unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit zusammen, dauert der Gesamtarbeitstag von Frauen täglich knapp eine Viertelstunde länger als der von Männern. Diese Ergebnisse decken sich sehr stark mit jenen der letzten Zeitverwendungserhebung von 2008/09. An der Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit hat sich im letzten Jahrzehnt somit kaum etwas verändert.

Der Gender-Care-Gap bleibt selbst dann bestehen, wenn Frauen deutlich mehr als Männer verdienen: Tragen Frauen weniger als 30 % zum Gesamthaushaltseinkommen bei, so verrichten sie knapp 70 % der Hausarbeit. Bei den Männern sind es in so einem Fall durchschnittlich nur 47 % – also weiterhin weniger als die Hälfte. Umgekehrt verrichten Frauen selbst dann, wenn sie mehr als 70 % des Haushaltseinkommens erwirtschaften, weiterhin den Großteil, nämlich 57 % der unbezahlten Arbeit. Unterstützung bei der Hausarbeit, z.B. durch eine Reinigungskraft oder Hilfe durch Familienangehörige, reduziert den zeitlichen Aufwand fast ausschließlich bei den Frauen. Auf die Beteiligung der Männer hat es hingegen kaum einen Einfluss. Die Geschlechterunterschiede bei der unbezahlten Arbeit beginnen schon im Kindesalter. Mädchen beteiligen sich nicht nur häufiger, sondern auch länger an der Sorge- und Hausarbeit: 78 % aller Mädchen, aber nur 65 % aller Buben übernehmen diesbezügliche Aufgaben.

Welche unbezahlten Tätigkeiten werden von wem gemacht

Nicht nur die Zeit, die in Haus- und Sorgearbeit investiert wird, ist ungleich zwischen Männern und Frauen verteilt, sondern auch die unterschiedlichen Tätigkeitsbereiche darin. In Haushalten, wo ein Mann und eine Frau in Partner:innenschaft leben, werden durchschnittlich zwei Drittel (65%) der Hausarbeit von der Frau und ein Drittel (35%) vom Mann erledigt. Die Verteilung der Zuständigkeit erfolgt dabei – wenig überraschend – entsprechend gesellschaftlichen Rollenbildern. Für die Zubereitung von Essen verwenden Frauen mehr als doppelt so viel, für aufräumen und Reinigung mehr als dreimal so viel Zeit wie Männer. Besonders “unbeliebt” scheint bei den Männern das Wäschewaschen zu sein – nur 8 Prozent beteiligen sich an dieser Aktivität. Gleichzeitig investieren Männer deutlich mehr Zeit in Bau-, Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten. Frauen übernehmen, wie das auch andere Studien zur partnerschaftlichen Arbeitsteilung zeigen, sowohl in der Kinderbetreuung als auch in der Hausarbeit vor allem die täglichen Routinearbeiten, wie zum Beispiel die Kinder anziehen, kochen, putzen oder Wäsche waschen.

Erwachsene Frauen mit Kindern unter 18 Jahren verwenden täglich doppelt so viel Zeit für Kinderbetreuung als Männer, nämlich rund 2 Stunden (1:58), Männer hingegen nicht mal eine Stunde (0:53). Zählt man Kinderbetreuung als Haupt- und Nebenaktivität zusammen, dann erhöht sich dieses Ungleichgewicht weiter: Frauen: 2:38; Männer 1:07. 

Viel Zeitdruck – vor allem bei Frauen

Erstmals wurden in der aktuellen Erhebung auch das persönliche Zeitempfinden und welche Tätigkeiten als besonders unangenehm empfunden werden abgefragt. Dabei zeigt sich, dass knapp ein Viertel der Menschen in Österreich besonders häufig Zeitdruck empfinden. Dies ist bereits bei Kindern der Fall: Mehr als jedes fünfte Mädchen bis 19 Jahre sagt (fast) immer unter Zeitdruck zu stehen, bei den Buben sind es etwa 16 %.

Frauen empfinden in allen Altersgruppen häufiger Zeitdruck als Männer. Besonders betroffen sind jene zwischen 20-39 Jahren, 40 % unter ihnen wünschen sich mehr Zeit für sich selbst zu haben. Das hohe Stressniveau ist auf die oben beschriebene Doppelbelastung durch bezahlte und unbezahlte Arbeit zurückzuführen. Unter Männern ist die am häufigsten mit Stress verbundene Tätigkeit die Erwerbsarbeit, unter Frauen die Haus- und Familienarbeit. Kochen, Reinigen und Einkaufen sind die Aufgaben, wo der empfundene Stress am höchsten ist. Wenig überraschend ist daher, dass die Hausarbeit von besonders vielen Menschen, vor allem von Frauen, als die unangenehmste Tätigkeit des Tages genannt wird.

Stillstand bei der Gleichstellung

Aufgrund der unterschiedlichen Erhebungsmethoden ist ein unmittelbarer Vergleich einzelner Tätigkeitsbereiche zur Zeitverwendungserhebung aus dem Jahr 2008/09 nur begrenzt möglich. Man kann sich dieser Frage jedoch annähern, wenn man die Verhältnisse betrachtet: Und da zeigt sich, dass sich an der Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen Männern und Frauen in Österreich kaum etwas geändert hat. Das wird auch durch andere Studien bestätigt, die nur minimale Fortschritte in einigen Bereichen feststellen – oder teilweise sogar Rückschritte verzeichnen. So ist bei der Kinderbetreuung laut einer Erhebung im Rahmen des Gender-Generation-Programm der UN (UNECE) ein leicht positiver Trend in Österreich zu erkennen: Der Anteil der Paare, die angeben, dass beide gleichermaßen für Kinderbetreuung zuständig sind, hat sich – wenn auch auf niedrigem Niveau – von 10 % auf 14 % erhöht. Der Anteil an Paaren, in denen die Frau (fast) alles macht, hat sich von 51 % auf 40 % reduziert. Allerdings basiert das auf einer Selbsteinschätzung, die innerhalb von Paaren nicht unbedingt deckungsgleich ausfällt. Männer tendieren dazu ihren Beitrag zu überschätzen. Daten aus dem AK Wiedereinstiegsmonitoring wiederum zeigen, dass der Männeranteil unter den Personen mit Kinderbetreuungsgeldbezug zuletzt rückläufig war. 

Wieso hält sich diese Ungleichheit in der Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit so hartnäckig? 

Erstens haben gesellschaftliche Rollenbilder großen Einfluss auf unsere Vorstellungen davon, was Männer und Frauen gut können, wofür sie zuständig sein sollen und damit entsprechenden Einfluss auf die tatsächliche Verteilung unterschiedlicher Tätigkeiten. So denkt die Hälfte aller Männer aller Alters­gruppen, dass sich Frauen besser um Kinder kümmern können. 64 % der Frauen sind hingegen der Ansicht, dass Männer und Frauen gleich gut die Kinder versorgen können. Laut der Europäischen Wertestudie stimmt knapp die Hälfte der in Österreich Befragten der Aussage zu, dass „Kinder unter der Berufstätigkeit der Mutter leiden“. Österreich liegt damit unter den 10 EU-Ländern mit der höchsten Zustimmung. In einer Studie des Österreichischen Instituts für Familienforschung gibt die Mehrheit der Befragten zwar an, dass beide Partner:innen gleichermaßen Einfluss auf die Arbeitsteilung haben, jedoch wartet mehr als ein Viertel der Männer darauf, dass die Partnerin sagt, was zu tun ist (bei Frauen sind das nur 9 %). Männer geben zwar an, sich gleichermaßen verantwortlich zu fühlen, in die Praxis wird das aber nur begrenzt umgesetzt. Das erklärt auch den Stress und Zeitdruck vieler Frauen, die im Job leisten und auch zu Hause für alle mitdenken müssen (Müssen die Kinder wieder zum Zahnarzt? Wer organisiert das Geschenk für die Schwiegereltern? Gehen uns die Windeln aus?) und dann auch noch Arbeitsteilung in der Partnerschaft koordinieren und verantworten sollen

Auch bestehende gesellschaftliche Rahmbedingungen begünstigen eine ungleiche Verteilung bezahlter und unbezahlter Arbeit, etwa: Ungleichheiten in der Bewertung von Arbeit und Entgeltdiskriminierung, die sich wiederum in niedrigeren Frauenlöhnen niederschlagen, die dann als Legitimation dafür dienen, warum Frauen eher und länger ihre Erwerbstätigkeit für Kinderbetreuung unterbrechen. Oder die unzureichenden Ausgaben und der gravierende Personalmangel in Langzeitpflege und Kinderbetreuung, welche die Sorgearbeit in die Privathaushalte verschiebt – die wenig überraschend wiederum von Frauen übernommen wird. Männlich geprägte Betriebskulturen mit hoher Vollzeitnorm und einer Überstunden(un)kultur, die kaum mit den anderen – für die Gesellschaft so unverzichtbaren Sorge- und Betreuungsarbeiten – vereinbar sind, und wenn, dann nur zum Preis von Einkommensverlusten durch Teilzeitbeschäftigung und hoher Stressbelastung. Oder auch ein gesellschaftliches Leistungsverständnis, das nur Erwerbsarbeit als Beitrag zur Gesellschaft wertet und unbezahlte Arbeit – und damit einen großen Teil der Arbeit von Frauen – unsichtbar macht und abwertet. 

Unsere Forderungen

Um die Ursachen dieses Ungleichgewichts zu bekämpfen und den Stillstand bei einer gerechteren Verteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit zu beenden, sind eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen: 

  • Ausbau der Kinderbetreuung: Ein Rechtsanspruch auf qualitativ hochwertige und vollzeit(nahe)taugliche Kinderbildungs- und Betreuungsangebote ab dem 1. Geburtstag 
  • Ausbau von Angeboten in der Langzeitpflege: Rechtsanspruch für Leistungen der Langzeitpflege und einen verbindlichen Zeitplan für den Ausbau von Betreuungs- und Unterstützungsangeboten.
  • Erhöhung der Väterquote bei der Elternkarenz: Eine Erhöhung des Mindestanteils am Kinderbetreuungsgeld, der bei Nichtinanspruchnahme verfällt, stärkt die Akzeptanz einer längeren Väterkarenz in Gesellschaft und Unternehmen und führt auch langfristig zu einer höheren Beteiligung bei der Kinderbetreuung. 
  • Steuer- und Abgabesystem wie auch die Familienförderung müssen so umgestaltet werden, dass sie eine partnerschaftliche Teilung der unbezahlten Arbeit und der Erwerbsarbeit zwischen Frauen und Männern fördern bzw. negative Anreize beseitigen. 
  • Es braucht eine sorge-freundliche Erwerbsarbeitszeitkultur. Ein Baustein dafür ist die Einführung einer kurzen, gesunden Vollzeit. Sie ist zwar kein Garant für mehr Gleichberechtigung, ermöglicht aber eine Neuaufteilung von Care-Arbeit innerhalb von Paaren. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das AK/ÖGB Modell der Familienarbeitszeit.
  • Bessere Daten: Regelmäßige und vergleichbare Erhebungen zur Zeitverwendung sind notwendig, um Entwicklung in der Verteilung von (Arbeits-)Zeit analysieren und entsprechende politische Maßnahmen ableiten zu können.

Dieser Beitrag wurde am 04.03.2024 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den NutzerInnen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung der Urheberin/des Urhebers sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: JESHOOTS.COM auf Unsplash

 
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