‚Klimagerechtigkeit‘ – Fundament des sozial-ökologischen Wandels
Globale Lösungsvorschläge für ein besseres Leben – oder nur ein populistisches Schlagwort?
Ein Kommentar von Ilse Kleinschuster
Die GRÜNEN (zumindest ihre Partei in Österreich, wo Werner Kogler gerade die Führung an Leonore Gewessler übergeben hat) wollen mit dem vollzogenen Personalwechsel an der Führungsspitze neuen Schwung in die entschlummerte Umweltbewegung bringen. Um ihre Positionierung in der politischen Landschaft wieder schärfer sichtbar werden zu lassen, wollen sie „sich breiter aufstellen“.
Die Frage, ob eine gerechtere Welt in der „Multikrise“ noch möglich ist, „wenn wir bereit sind sie zu gestalten“, beschäftigt heute nicht nur die GRÜNEN. Die Klimakrise mit ihren drastischen Auswirkungen hat zwar schon einige Politiker davon überzeugt, dass es jetzt höchste Zeit sei, sich mit ihr auf politischer Ebene zu befassen.
Wie aber kann eine gerechte Klimapolitik aussehen, wenn die bisher gesetzten Klimaziele lediglich als „Kür“ bezeichnet werden (ÖVP-Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig)?
„Die ersten Hitzetage dieses Jahres sind der richtige Zeitpunkt für Babler und Meinl-Reisinger, ihren politischen Einfluss in der Regierung geltend zu machen. Für Europa. Für die Welt“, schreibt Benedikt Narodoslawsky im Standard.
Was fehlt noch zu Gerechtigkeit in der Klimakrise?
Die Folgen des Klimawandels sind äußerst ungerecht verteilt, daher müssen Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen die zugrundeliegenden Ungerechtigkeiten konsequent angehen. Das ist nicht nur wichtig für den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, sondern auch ethisch-moralisch geboten. Wenn wir eine sozial-ökologische Transformation wirklich wollen, dann müssen alle anpacken – nationale und internationale Politik genauso wie die Zivilgesellschaft weltweit. Diese anstehende Transformation tangiert so gut wie jeden Lebensbereich. Konfliktlinien und Interessenslagen verlaufen nicht mehr linear entlang traditioneller Kategorien, sondern quer durch die gesellschaftlichen Schichten. Der Handlungsbedarf, der damit Hand in Hand geht erzeugt neue Spannungen und Dilemmata, die die politischen Entscheidungsträger*innen vor massive Herausforderungen stellen.
Es bräuchte eine ‚Ökosoziale INTERNATIONALE‘!
Aber wie gebotene Maßnahmen so gestalten, dass sie sozial verträglich sind, wenn es keine sozialdemokratische INTERNATIONALE mehr gibt? Ökonomische Forschung zeigt, dass vor allem soziale Auswirkungen bei der Transformation berücksichtigt werden müssen, damit diese nachhaltig sein kann. Obere Einkommens- und Vermögensgruppen verbrauchen in der Regel durch ihren Lebensstil mehr Ressourcen und Emissionen pro Kopf als untere Einkommensgruppen. Die Einbeziehung aller Betroffenen auf kommunaler Ebene wäre daher wichtig. Könnte mehr Bürgerbeteiligung und Transparenz die Chance für eine erfolgreiche Klimapolitik erhöhen? Nun, die Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Organisationen an der Gestaltung von Klimaschutzmaßnahmen ist sicher sehr wichtig, um Partikularinteressen entgegenzuwirken. In vielen Teilen der Welt hat sich ja unter dem Slogan „Climate Justice Now“ eine Klimagerechtigkeitsbewegung formiert, die immer lauter wurde. Jetzt, mit zunehmendem Kriegsgeschehen, aber wieder zu verstummen scheint.
Warum wir uns aber weiterhin für die Rettung der Welt erwärmen sollten, das erklären uns nicht nur renommierte Klimaforscher Österreichs (Herbert Formayer, Helga Kromp-Kolb,…), sondern das zeigt uns auch die mediale Aufmerksamkeit, die dem Thema zunehmend gewidmet wird. Diese Aufmerksamkeit ist begrüßenswert und sie wird voraussichtlich im kommenden Herbst zu einem Höhepunkt gelangen, wenn die 30. UN-Klimakonferenz im brasilianischen Belém stattfindet. Diese Konferenz wird letztlich insofern für wichtig gehalten, weil da die Länder ihre Klimapläne vorstellen müssen. Die USA hält sich ja da heraus, aber China und die EU sind dabei – und es wäre wahrscheinlich das Ende jeglicher zukunftsfähigen Klimapolitik, wenn auch diese Blöcke schwächelten. In seinem Artikel meint der Klimajournalist Narodoslawsky, es könnte das kleine Österreich in dieser anstehenden europäischen Entscheidung eine wesentliche Rolle spielen: „Als EU-Mitgliedstaat hat die Republik mehr Gewicht als andere Länder dieser Größe …. Wer, wenn nicht Österreich, sollte nun die Stimme erheben, um der EU-Kommission den Rücken zu stärken“.
Für mein Verständnis ist der Klimawandel zwar ein drängendes, aber nicht das einzige Problem, das derzeit gelöst werden muss. Der Klimawandel ist eigentlich nur das Symptom eines tiefer sitzenden Übels. Die Übernutzung der natürlichen Ressourcen der Erde – bedingt nicht nur durch eine rasant wachsende Weltbevölkerung, sondern vor allem auch durch ein global ausuferndes Wirtschaft- und Finanzsystem, das den Ressourcenverbrauch systematisch anheizt -, ist nicht nur Ursache für den Klimawandel, sondern auch für den Biodiversitätsverlust, die Versauerung der Ozeane und vieles mehr. Aber trotz maßloser Ausbeutung der Menschen (Sozialkapital) und der natürlichen Ressourcen (Naturkapital) können viele Menschen kein „gutes Leben“ führen – im Gegenteil: die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auf.
Die Spielregeln der Wirtschaft und des Finanzwesens zu ändern, das läge an uns Menschen. Sofern wir uns als Bürger dieses Planeten fühlen, wäre das eine interessante Herausforderung. Weil wir uns aber im Allgemeinen optimal als Bürger einer Dorf- oder Stadt-Gemeinde fühlen, bleibt das nach wie vor ein schwieriges Unterfangen.
Einige mutige Menschen haben sich schon auf den Weg zu mehr sozio-ökonomischer Gerechtigkeit in der Welt gemacht. Sie haben erkannt, dass eine gerechte und nachhaltige Zukunft systemische Veränderungen erfordert. Dazu gehört nicht nur die Formel für ein anderes Wachstum (wellbeing economy), sondern auch ein Programm für die Schuldenentlastung ärmerer Länder, Reformen des globalen Finanzsystems und faire Handelsabkommen, die Entwicklung und Klimaschutz miteinander verbinden. Aber, solange die ethisch-moralische Notwendigkeit nicht international anerkannt wird, solange nicht erkannt wird (werden will!), dass die Polykrise eng verbunden ist mit sich ausweitendem Hunger, steigenden Lebenserhaltungskosten, stagnierenden Löhnen und zunehmender Armut, was wiederum Populismus schürt und die Demokratie als politisches System untergräbt -, solange wird’s nix.
Tja, liebe GRÜNEN, da gibt’s jetzt viel zu tun! Und bedenkt, die soziale Komponente ist ganz wesentlich, wollt ihr eine bessere Welt auf den Weg bringen! Klimakatastrophen ereignen sich weltweit und sie treffen die schwächsten Bevölkerungsgruppen unverhältnismäßig stark. Kriege verschärfen die Ernährungssicherheit und das soziale Gefüge zerfasert unter dem Druck der durch Ungleichheit verursachten Polarisierung, was wirksame politische Maßnahmen erschwert. Unzureichende politische Reaktionen haben die Fortschritte bei den Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs) und dem Pariser Abkommen ins Stocken gebracht. Sie haben die dringende Notwendigkeit, auch die Schwierigkeit einer radikalen Umgestaltung unserer Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme drastisch verdeutlicht.
Aber, die Hoffnung stirbt zuletzt! – Frei nach Pippi Langstrumpfs Motto „wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt“ arbeiten die Mitglieder des globalen Club of Rome an systemischen Lösungen für eine gerechte und nachhaltige Zukunft. Earth for All. Aufbruch in eine Zukunft für Alle. Dazu gibt es auch eine österreichische Ausgabe: Earth4AllAustria
Titelbild: Climate Justice (Linh Do/flickr.com; Lizenz: CC BY 2.0)


