Wiener Altbau: Goldgrube für Spekulanten – Schikanen für Mieter
Gekauft, verkauft und weiterverkauft: Auf dem überhitzten Zinshaus-Markt wird gezockt – und zwar auf dem Rücken der Mieter. Studie von TU und AK Wien wirft Blick hinter die Fassaden.
Von Michael Wögerer
Illegale Kündigungen, verdreckte Gänge, Mieten rauf: Die Liste der Schikanen, mit denen Mieter in Altbau-Wohnungen in Wien zu kämpfen haben, sind lang. Hintergrund ist die Profitgier der alten und neuen Zinshaus-Besitzer. Dies zeigt eine im Mai 2025 veröffentlichte Studie der Technischen Universität (TU) Wien, die im Auftrag der Arbeiterkammer (AK) erstellt wurde.
Ein Viertel der Altbau-Mietshäuser mindestens einmal verkauft
In Wien gibt es rund 20.000 Zins- oder Gründerzeithäuser, die vor 1946 errichtet wurden. Sie zählen deshalb zum sogenannten Altbau. Zwischen 2000 und 2022 wechselten rund 6.400 Häuser den Besitzer, zuletzt mischten dabei immer häufiger Immobilienfirmen mit, die auf den schnellen Profit aus sind. Denn die Preise sind in den vergangenen Jahren in die Höhe geschnellt. Kostete im Jahr 2000 ein Altbau-Mietshaus im Schnitt noch schlappe 573.000 Euro, musste man 2022 bereits 3,5 Millionen Euro hinblättern – ein Plus von 511 Prozent!

„Auf dem angeheizten Markt setzt sich eine Spirale in Gang. Durch hohe bezahlte Preise steigt auch der Druck auf die Käufer:innen, eine Refinanzierung ihrer Investition bzw. einen Gewinn zu erzielen“, erklärt Thomas Ritt, Leiter der Abteilung Kommunal und Wohnen in der AK Wien.
Haus muss hohe Rendite abwerfen, Alt-Mieter stehen im Weg
Obwohl die Mieten am Altbaumarkt durch den Richtwertmietzins gesetzlich begrenzt sind, kommt es immer wieder zu illegalem Mietwucher, eine Voraussetzung für das spekulative Geschäftsmodell der Immobilienfirmen. „Mieter:innen in alten, unbefristeten Verträgen stehen diesen Erträgen im Weg. Der Grund: Ihre Mieten sind aus Sicht der Käufer:innen nicht hoch genug“, erzählt Mara Verlič von der Abteilung Kommunal und Wohnen der AK Wien. „Käufer:innen üben daher Druck auf sie aus, damit Mieter:innen aus ihren Verträgen aussteigen und ausziehen.“
Bis hin zu Psychoterror! So werden Mieter rausgeekelt
Schikanen und Einschüchterungen, langwierige Baustellen, Dreck, Leerstand, höhere Betriebskosten, illegale Kündigungen, lange und teure Gerichtsverfahren – die Liste der schmutzigen Tricks, mit denen die alten und neuen Besitzer von Zinshäusern ihre Mieter mit meist unbefristeten Verträgen loswerden wollen, ist lang. Sie reichen von ökonomischem Druck durch Teuerungen bis hin zu psychischem Druck auf das Sicherheits- und Zuhause-Gefühl. Eine in der AK/TU-Studie zitierte Mieterin erinnert sich: „Es war ein ständiger Durchzug im Haus. Es sind Leute hin und her gegangen, es wurde gestritten, geschrien, es wurde gedealt, es gab mehrere Polizeieinsätze.“
„Meiner Meinung nach ist der Sinn der Erhöhung nur gewesen, so viel Druck auszuüben, damit wir gehen.“ (ein Mieter, in: AK/TU Studie zu Wiener Altbau)
„Die Spekulant:innen kaufen Altbau-Mietshäuser nicht zum Wohnen – sie kaufen zum Abkassieren! Ob kurzer Deal oder lange Besitzdauer – am Ende steht ein fettes Plus unterm Strich – und wer zahlt die Zeche? Die Mieter:innen. Hinter der Fassade bröckelt es gewaltig. Es ist schockierend, wie auf Mieter:innen Druck ausgeübt wird, damit sie ihre Wohnungen verlassen und aus den Verträgen aussteigen – nur damit neue, illegal teure Verträge befristet abgeschlossen werden können. Die Methoden sind vielfältig: Häuser werden absichtlich beschädigt oder verfallen gelassen, Altmieter:innen mit Horror-Mieten, Drohungen oder illegalen Kündigungen rausgeekelt – manchmal sogar durch gezielt einquartierte Störenfriede. Hauptsache raus mit den Menschen, dann wird saniert und rein mit dem Profit“, fasst Ritt die aktuelle Situation im Altbau zusammen.
Gemeinsamer Widerstand
Doch es gibt auch Mieter, die sich gegen die Machenschaften der Vermieter wehren. Alte und neue Mieter vernetzen sich, klagen gemeinsam, informieren die Baupolizei und wenden sich an Mietrechtsberatungsstellen; sie benachrichtigen Medien und holen externe Aktivistinnen und Aktivisten ins Boot. Nach dem Motto “Wer kämpft, kann verlieren” ist der Widerstand gegen die Immobilienspekulanten nicht immer von Erfolg gekrönt, aber eines ist klar: Wer nicht kämpft, hat schon verloren!
SERVICE-TIPP: Altbau-Mietencheck der AK Wien – Zahlen Sie zu viel an Richtwertmiete in Ihrer Altbauwohnung? Die Wohnrechtsexpert:innen der AK Wien überprüfen das kostenlos. Wenn Sie zuviel bezahlen, zieht die AK für Sie vor Gericht und holt Ihr Geld zurück.

