Etikettenschwindel in Baden? Bürgerinitiative kämpft gegen „Logistikzentrum“
Massive Widersprüche in Planungsunterlagen befeuern Protest – Petition erreichte bereits über 1.000 Unterschriften
Baden – Was offiziell als „Gewerbepark“ beworben wird, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung der Planungsunterlagen als klassisches Logistikzentrum. Die Anrainer der Haidhof-Siedlung und des Lorenzteichs in Baden bei Wien kämpfen gegen ein Projekt des internationalen Immobilienkonzerns CTP, das ihre Lebensqualität massiv bedrohen könnte. Die Widersprüche in den eingereichten Unterlagen und erstellten Gutachten sind so gravierend, dass die Bürgerinitiative um Anrainerin Ursula Obermeier von bewusstem Etikettenschwindel spricht.
Über 1.000 Unterschriften gegen das Projekt
Die Online-Petition „Für ein lebenswertes Baden – Nein zum Gewerbepark am Lorenzteich“ hat bereits über 1.065 Unterschriften gesammelt und damit das erforderliche Quorum von 530 Unterschriften in Baden deutlich überschritten.
„Seit den 1960er-Jahren ist der gesamte Bereich um den Lorenzteich für viele Familien ein Ort voller Erinnerungen. Generationen sind hier groß geworden – in einer ruhigen, grünen Umgebung“, schreibt Obermeier in der Petition. „Nun droht diese Lebensqualität verloren zu gehen.“
Widersprüche in den Planungsunterlagen
Die Kritik der Anrainer stützt sich auf gravierende Unstimmigkeiten in den vorgelegten Dokumenten. Obwohl das Projekt als „Gewerbepark“ für kleine und mittlere Betriebe beworben wird, sprechen die technischen Details eine andere Sprache:
- Logistik statt Gewerbe: Trotz der offiziellen Bezeichnung wird das Areal im schalltechnischen Gutachten an mindestens einer Stelle wörtlich als „Logistikzentrum“ bezeichnet. Die geplanten Nutzungen umfassen Light Industrial, Umverpackung, Kommissionierung und Lagerung – alles typische Logistik-Tätigkeiten.
- 24/7-Dauerbetrieb: Die Rahmenbetriebszeiten sind auf Montag bis Sonntag, 00:00 bis 24:00 Uhr festgelegt. „Das ist typisch für Schichtlogistik und hat nichts mit normalen Gewerbebetrieben zu tun“, kritisieren die Anrainer.
- Massive LKW-Infrastruktur: Besonders brisant sind die unterschiedlichen Angaben zu den Laderampen. Während das Schallgutachten mit 26 Laderampen rechnet, spricht der technische Bericht „Verkehrsuntersuchung“ von 52 Laderampen. „Kein normaler Handwerksbetrieb braucht so viele Laderampen“, so die Betroffenen.
- Verkehrschaos vorprogrammiert: Da der Gewerbepark als Dreh- und Angelpunkt für das Ostgeschäft (Ungarn, Rumänien, Bulgarien, etc.) beworben wird, ist mit enormer Zunahme des Verkehrs zu rechnen.744 Fahrten pro Tag sind angesetzt, davon 248 LKW-Fahrten – und das ausschließlich über die schmale Haidhofstraße, eine einfache Gemeindestraße, die nie für derartigen Schwerverkehr konzipiert wurde.
Existenzängste der Anrainer
Die Sorgen der Betroffenen sind konkret und berechtigt. Stefanie Haslinger von der Bäckerei Deiser produziert Dosenbrot für das Bundesheer und ist auf sauberes Brunnenwasser angewiesen. „Wir bangen um unser Grundwasser“, sagt die Unternehmerin, deren Betrieb direkt gegenüber dem geplanten Areal liegt.
Das Gestüt Haidhof in der dritten und vierten Generation fürchtet um seine lärmempfindlichen Pferde. Der 24-Stunden-Betrieb würde das „Erlebnisparadies Haidhof“ massiv beeinträchtigen.
Besonders betroffen sind die Anrainer der Wohn- und Badesiedlung am Lorenzteich. „LKW-Fahrten, Staplergeräusche und Rückfahrwarner direkt neben unserer Siedlung – und das rund um die Uhr“, beschreibt ein Nachbar seine Befürchtungen. Im schalltechnischen Gutachten ist explizit vermerkt: „Es sind keine zusätzlichen baulichen oder betrieblichen Schallschutzmaßnahmen vorgesehen.“
Auch die Versiegelung von 7,4 Hektar bisheriger Ackerfläche bereitet den Umweltschützern unter den Anrainern Sorgen. „Wir befürchten Auswirkungen auf den Grundwasserspiegel und den Wasserstand unserer systemrelevanten Badener Seen“, warnt die Bürgerinitiative.
Österreichweites Problem
Das Badener Projekt steht exemplarisch für ein österreichweites Problem. Täglich werden in Österreich 11,3 Hektar Boden verbraucht – mehr als das Vierfache des politischen Ziels. Die Anrainer am Lorenzteich sehen sich als Teil eines größeren Kampfes gegen die fortschreitende Bodenversiegelung.
„Nicht noch ein Gewerbepark im Bezirk – sehr viele stehen leer“, schreibt ein Unterstützer der Petition. „Keine weitere Bodenversiegelung, Stopp der Zukunftsvergessenheit!“
Doch Badens Bürgermeisterin und Gründerin des Lifestyle-Magazins „Baden Passion“, Carmen Jeitler-Cincelli (ÖVP), verteidigt das Vorhaben mit wirtschaftlichen Argumenten: „Baden profitiert von zusätzlichen Arbeitsplätzen, der Stärkung der lokalen Wirtschaft und nicht zuletzt den zusätzlichen Kommunalsteuereinnahmen“, wird sie in der lokalen Presse zitiert.
Die Bürgerinitiative stellt diese Argumentation jedoch grundsätzlich in Frage. „248 Arbeitsplätze auf 40.000 Quadratmetern Hallenfläche – das ist ein schlechtes Verhältnis und typisch für Logistik“, rechnen die Kritiker vor. „Viel Fläche, wenig Personal – das ist kein Argument für ein derartiges Projekt.“
Besonders kritisch sehen die Anrainer die Kostenbilanz für die Stadt. „Um das Projekt zu ermöglichen, müsste Baden Millionen Euro investieren – für den Ausbau der Haidhofstraße, die Verstärkung der Brücken und die Erneuerung der gesamten Infrastruktur“, warnt die Initiative.
Auch die tatsächlichen Steuereinnahmen sind fraglich. Die Anrainer hätten grundsätzlich nichts gegen die Förderung von Klein- und Mittelbetrieben einzuwenden, bezweifeln aber, ob überhaupt Betriebe mit Firmensitz in Baden entstehen oder nur ein Umschlaglager. „Wenn es hauptsächlich um Logistik geht, profitiert Baden kaum von Kommunalsteuern“, argumentieren sie. „Die hohen Folgekosten müssen aber trotzdem die Badener Steuerzahler tragen.“
Bauverhandlung im Herbst
Die entscheidende Bauverhandlung bei der Bezirkshauptmannschaft ist für Herbst 2025 angesetzt. Die Bürgerinitiative hofft, dass die aufgedeckten Widersprüche und die breite Bürgermobilisierung die Behörden zum Umdenken bewegen.
Die Petition läuft noch bis 23. Dezember 2025 und kann unter openpetition.eu/!lorenz unterstützt werden.
Text: Michael Wögerer
Titelbild: Lorenzteich, Baden (Foto: Ursula Obermeier)


sGewerbepark, Logistikzentrum – eins so unnötig wie das andere. Ist diese Gegend nicht schon verschandelt genug????
Wie ist das mit der Bodenversigelung? Gilt das immer nur für die amderen?
Möchte nicht, dass es gebaut wird!