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Trumps Atomkraft-Influencerin

Ein ehemaliges brasilianisches Model versucht sich als Gen-Z-Influencerin. In Reels in den sozialen Medien will sie Atomenergie als „hot“ darstellen und „cool“ erscheinen lassen. Nun hat sie sogar ein Buch geschrieben. Doch hinter ihrem Influencer-Profil steckt mehr, als nur ein „großes Interesse, Lösungen gegen den Klimawandel zu finden“, wie sie betont.

Von Dieter Reinisch (Zeitschrift INTERNATIONAL, Heft IV/2025)

Wahrscheinlich haben Sie den Namen Isabelle Boemeke noch nie gehört. Außer, Sie verfolgen, wie ich, die internationalen Entwicklungen der Nuklearenergie und damit zusammenhängender Wissenschafts-, Medizin- und Rüstungszweige. Viele lange Tage und oft auch Nächte verbringe ich pro Jahr als Korrespondent bei der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) am UN-Sitz in Wien. Dort schnappte ich irgendwann den Namen „Isabelle Boemeke“ auf.

„idea + passion + action = your dreams coming true“, steht unter einem Reel, das sie Ende August auf ihrem Instagram-Account i_sotope teilte. Boemeke trägt einen weißen Schutzhelm und küsst einen Stahlbehälter, auf dem „Achtung Radioaktives Material“ zu lesen ist.

In einem anderen Reel trägt sie eine weite Hose, weiße Sneaker und einen Blazer mit großen Schulterpolstern – ihr typisches Outfit: „Ich bin hier am Idaho National Laboratory“, sagt sie. Es ist eine Forschungseinrichtung für „heiße Zellen“, das ist hoch radioaktives Material: „It’s the hottest tube because it’s the newest one“ – die heißeste, weil modernste Forschungseinrichtung dieser Art. In einem abgeschlossenen Raum, in den Forscher nur von außen mittels Schutzarmen hoch radioaktives Material erproben können, steht Boemeke mit einem Mini-Mikro: „Obwohl dieser Raum extrem radioaktiv ist, kann ich hier stehen.“

Boemeke ist in ihren Dreißigern, ehemaliges brasilianisches Model und nach ihrer Laufstegkarriere durch einen Kampf gegen die Schließung eines US-Nuklearkraftwerks auf die Thematik gestoßen. Sie entwickelte sich zu einem „Wissenschaftsnerd“ und habe eine Mission: „Nukleare Energie populär zu machen, um die Klimaerwärmung zu stoppen“, sagt sie in Presseinterviews: „Es sei die sauberste Art, Energie zu produzieren.“

Viele Wissenschaftler werden ihr nicht widersprechen: Atomenergie boomt. Großbritannien ist vom Ausstieg wieder abgekommen, um, wie von der Labour-Regierung Keir Starmer für die kommenden zwei Jahrzehnte geplant, das Land CO2-neutral zu machen. Auch in den österreichischen Nachbarländern Ungarn und Slowakei sollen neue Atommeiler errichtet werden. Besonders kleine und mobile Atomanlagen haben es der Forschung angetan.

Das Thema scheint zunehmend in die Populärkultur überzuschwappen. Niemand geringerer als das größte Verlagshaus der Welt, Penguin Random House, nahm Boemeke unter Vertrag: Rad Future (Radioaktive Zukunft) erschien im August. Begleitet wurde die Veröffentlichung von einer breiten Werbekampagne, inklusive professioneller Instagram- und TikTok-Videos. Einen solchen lukrativen Buchvertrag zu ergattern, ist nicht einfach – besondere Qualität oder enorm hohe Reichweite sind dafür zumeist ausschlaggebend.

Doch Boemeke trat bisher nicht als Autorin in Erscheinung, und die Reichweite in den sozialen Medien für das Nischenprodukt Atomkraft, das bisher in der GenZ nicht trendete, ist überschaubar: 15.000 Follower auf i_sotope und 50.000 auf ihrem ehemaligen Modelaccount.

Wie kann diese relativ reichweitenarme Influencerin regelmäßig Zutritt zu den weltweit führenden und sichersten Atomforschungseinrichtungen und einen Random-House-Vertrag ergattern?

Antwort gibt ein Artikel über Boemeke in der Wochenendausgabe der New York Times vom 16. August: Sie würde von der Atomenergie kein Geld annehmen, um als Testimonial zu fungieren. Sie halte lediglich Anteile am US-Atomenergie-Start-Up Alva Energy. Doch mit ihrem Mann habe sie fünf Millionen US-Dollar für die Entwicklung von Nuklearprojekten gespendet und plane, weitere fünf Millionen US-Dollar zu investieren.

Ihr Ehemann ist Joe Gebbia, einer der wichtigsten Mitarbeiter der Trump-Regierung, beteiligt am Effizienzministerium, das ursprünglich von Tesla-Milliardär Elon Musk ins Leben gerufen wurde. Gebbia ist Mitbegründer der Plattform Airbnb und Milliardär. Er und Boemeke zählen zu den engsten Freunden von Musk. Boemekes Ehemann sitzt im Aufsichtsrat von Tesla.

Musk gilt seit längerem als Unterstützer der Atomenergie: „Es ist verrückt, jetzt Atomkraftwerke abzuschalten, vor allem an einem Ort, wo es keine Naturkatastrophen gibt“, kritisierte er die deutsche Energiewende in einem Interview mit dem Business Insider im April 2022: „Man sollte nicht nur die Atomkraftwerke nicht abschalten, sondern auch die bereits stillgelegten wieder in Betrieb nehmen. Diese produzieren am schnellsten Energie“, appellierte er.

Es steckt also wohl doch mehr hinter Boemekes Wandel, sich als Atomkraftinfluencerin zu positionieren und dafür Millionen an US-Dollar zu investieren, als lediglich ihr plötzliches Interesse am Klimawandel.

Dieter Reinisch ist Chefredakteur der INTERNATIONAL und Korrespondent von den Vereinten Nationen in Wien.


Titelbild: Dean Calma / IAEA (commons.wikimedia.org; Lizenz: CC BY 2.0)

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