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„Solidarität darf keine leere Phrase sein“

david_hungerstreikDavid Lang (25) befindet sich seit Dienstag in einem 48-stündigen Hungerstreik in Solidarität mit der kurdischen Befreiungsbewegung in Rojava, die seit Monaten gegen die Terrormilizen des Islamischen Staat (IS) kämpfen. Im Gespräch mit Unsere Zeitung erzählt er uns wenige Stunden vor Ende des Hungerstreiks über seine Beweggründe.

Unsere Zeitung: Wie geht’s dir?

David Lang: Gut! So wirklich ans Essen denke ich im Grunde nicht und 48-Stunden bei entsprechender Flüssigkeitszufuhr sind bei einem halbwegs fitten erwachsenen Menschen keine Hexerei. Ich will auch darauf hinweisen, dass viele, die an dem Hungerstreik teilnehmen bereits seit Montagmorgen hier sind und mitunter doppelt so lange hungerstreiken werden, wie ich es tue.

Unsere Zeitung: Hast du schon mal einen Hungerstreik gemacht? Wenn nein, warum gerade jetzt?

David Lang: Nein, ich bin noch nie in den Hungerstreik getreten. Ein Hungerstreik ist ja auch keine unumstrittene Protestform und nicht in jeder beliebigen Situation vernünftig. Weitere unterschiedliche Aktionen wie zum Beispiel die Demo am kommenden Freitag sind in Vorbereitung. Ich habe mich jetzt dem Hungerstreik von kurdischen und türkischen GenossInnen vor der UNO-City angeschlossen, um meine Solidarität mit dem Kampf, den die kurdische Befreiungsbewegung und revolutionäre Kräfte in ganz Kurdistan und mittlerweile auch in zahllosen Städten im türkischen Staatsgebiet führen, zu bekräftigen. Konkreter Anlassfall ist die sich immer weiter zuspitzende Situation in der westkurdischen Region Rojava, wo IS-Mörderbanden seit Wochen auf Kobani vorrücken, während die Welt zusieht und die vermeintlich Mächtigen nichts anderes tun als Phrasen zu dreschen und ihre eigenen geopolitische Ränkespiele zu führen.

Unsere Zeitung: Was soll der Hungerstreik aber bewirken?

David Lang: Wir wissen natürlich, dass wir mit unserem Hungerstreik nicht den IS aus Kurdistan vertreiben werden, das ist klar. Es ist wichtig, den Hungerstreik als Zeichen von internationaler Solidarität zu begreifen, als Unterstützung für unsere kämpfenden GenossInnen. Zweitens geht es darum Öffentlichkeit zu schaffen und Handlungen zu fordern. Das ist ein symbolischer Akt. Dieser Hungerstreik richtet sich an die Öffentlichkeit, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Er richtet sich an die österreichischen Politiker und Politikerinnen, die zwar gerne mit netten Worten wie „Menschenrechten“ oder „Demokratie“ um sich werfen, aber außer Phrasen in der Regel nichts zu bieten haben. Warum zum Beispiel gibt es vonseiten der sogenannten offiziellen Politik keine Initiativen zur Behebung der schändlichen Tatsache, dass sich die PKK auf der EU-Terrorliste befindet? Hierzulande ist struktureller Rassismus Fakt und von gleichen Chancen und demokratischen Rechten für alle hier lebenden Menschen kann nicht die Rede sein kann. Die auch einer völlig verbockten Integrationspolitik geschuldeten IS-Strukturen in Österreich werden nicht angerührt, im Gegenteil haben linke Strukturen mit immer mehr Repression zu kämpfen. Jene Kräfte, die zigtausenden Yeziden und Yezidinnen das Leben gerettet haben, während die selbsternannte westliche Wertegemeinschaft mal wieder mit entsetztem Blick und offenem Maul untätig zugesehen hat, und jene Kräfte, die bis zur letzten Kugel Widerstand gegen den IS in Kobani leisten, werden EU-weit kriminalisiert. Das ist schlicht und ergreifend ein Schande. Es geht auch darum Bewusstsein für die progressiven Projekte in Rojava zu schaffen, die es innerhalb von kürzester Zeit und im jahrelangen Kriegszustand geschafft haben, tatsächlich demokratische Strukturen zu schaffen, breite Alphabetisierungen, gesundheitliche Versorgung voranzutreiben und nicht zuletzt in Sachen Frauenbefreiung nicht nur in einer anderen Liga spielen, sondern einen gänzlichen anderen Sport treiben, als Hymnendiskutierer hierzulande oder jene, die beim Binnen-I den Untergang des Abendlandes hereinbrechen sehen.

Unsere Zeitung: Meinst du die Medien berichten zu wenig über Kobani?

David Lang: Zu wenig kann angesichts der aktuellen Schlagzeilen nicht behauptet werden. Dennoch sind zwei Sachen besonders ins Auge stechend. Erstens der Zeitpunkt der Berichterstattung. Während fortschrittliche Medien und Organisationen seit Monaten vor der Situation warnen, die nun eingetreten ist, haben die bürgerlichen Medien geschwiegen. Zweitens sind oftmals schlichtweg, bewusst oder unbewusst sei dahingestellt, falsche Informationen zu finden. Wenn die US-geführte Koalition, in der sich zentrale IS-Unterstützer wie Saudi-Arabien oder Katar befinden, fernab von Kobani IS-kontrollierte Öl-Raffinerien bombardiert, sehen viele Medien den westlichen Heiland mal wieder vom Himmel herabsteigen, um den „Armen da Unten“ zu helfen. Motive wurden und werden hier genauso wenig hinterfragt, wie es bei dem von Anfang an klaren Motiven der AKP-Regierung in der Türkei in ihrem Handeln der Fall war. Dieses zielt ausschließlich auf neo-osmanische Phantasien und die physische wie strukturelle Vernichtung der kurdischen Befreiungsbewegung ab. Genauso war es, als PKK, YGP und YPJ den Yezidinnen und Yeziden zur Hilfe geeilt sind. Da wurde in einer völlig stupiden Einschätzung von „den Kurden“ geschrieben, als ob es hier einen monolithischen Block geben würde.

Unserer Zeitung: Was verbindet dich mit dem kurdischen Volk?

David Lang: Es ist im Grunde als Kommunist ganz einfach: die internationale Solidarität. Che Guevara hat einmal gesagt, dass es die schönste Eigenschaft eines Revolutionärs ist, dazu fähig zu sein, jede Ungerechtigkeit gegen jeden Menschen an jedem Ort der Welt im Innersten zu fühlen. Solidarität darf keine leere Phrase sein, die auf Demos gebrüllt wird, sondern muss immer eine unmittelbare Verpflichtung darstellen.

David Lang ist Bundesvorsitzender der Kommunistischen Jugend Österreichs (KJÖ) und Vorstandsmitglied der Partei der Arbeit Österreichs (PdA)

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