Das Unrecht hat Name und Adresse
Minoritenplatz, Wien: Bis zu 500 Menschen fordern lautstark den Rücktritt von Innenministerin Mikl-Leitner – Mahnwache in Eisenstadt im Gedenken an die verstorbenen Flüchtlinge
Hunderte Menschen haben sich am Donnerstag Abend vor dem Innenministerium in Wien versammelt, um ihrem Protest und ihrer Wut gegen die Asylpolitik der österreichischen Bundesregierung Ausdruck zu verleihen. Aktueller Anlass für die spontane Kundgebung war der Tod von bis zu 50 Flüchtlingen in einem Kühlfahrzeug auf der A4 (Ostautobahn) im Burgenland.
VertreterInnen von politischen Organisationen und Flüchtlingsinitiativen ergriffen das Wort. Gemeinsamer Tenor war die Verurteilung der „Festung Europa“ und jener Politik der Regierenden, die dafür die Verantwortung tragen, dass sich Flüchtlinge illegalen und gefährlichen Methoden bedienen müssen, um aus ihren Ländern zu entkommen, wo sie verfolgt werden oder anderen Fluchtgründen ausgesetzt sind.
„Jede Bundesregierung, die solchen Gesetzen zustimmt oder sie toleriert, macht sich selbst schuldig. Wir müssen das System verändern!“, meinte etwa Julia Herr, Vorsitzende der Sozialistischen Jugend.
Camila Garfias vom Vorsitzteam an der ÖH Uni Wien forderte darüber hinaus die Anwesenden dazu auf selbst etwas gegen die Stimmung im Land zu tun und gegen Hasspostings in den sozialen Netzwerken bis hin zu tätlichen Angriffen auf Flüchtlingen aufzutreten.
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger nannte in seiner Rede die EU-Flüchtlingspolitik als „unpackpar“. Das Zumachen der Grenzen ist so wie wenn man ein brennendes Haus, in dem sich Menschen befinden, zusperrt und diese darin umkommen. In Österreich handle es sich im Bereich Asylpolitik um ein „Staatsorganversagen“. In Hinblick auf Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe er „wenig Verständnis, dass man solche Regierungsmitglieder duldet“, so Fenninger. Auch jene Bürgermeister, die sich weigern Flüchtling in ihren Gemeinden aufzunehmen, sollten abtreten.
„Die Menschen in diesem Kastenwagen wurden Opfer der Festung Europa und ihrer verbrecherischen Regierungen“, betonte Michael Genner von Asyl in Not. „Das Unrecht hat Name und Adresse und in Österreich ist das der Minoritenplatz“. Lautstark skandierte Genner und die 300 bis 500 TeilnehmerInnen der Kundgebung: „Mikl-Leitner muss weg!“ – Damit es zumindest vorübergehend besser wird, so Genner. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll nannte er einen „Lügenbold“, weil er vorgebe sein Bundesland würde die Asylquote erfüllen.
Von den Grünen ergriffen Birgit Hebein, Sabine Beck und der EU-Abgeordnete Michel Reimon das Wort. Letzterer kritisierte vor allem den politischen Diskurs der aktuell herrscht. Der „Kampf gegen Schlepper“ bedeute noch mehr Menschen in die Illegalität zu treiben, wodurch noch mehr Menschen getötet werden. „Auf dieser Straße zwischen Ungarn und Österreich fahren täglich Tausende – und ausgerechnet die Verfolgten müssen sich vor der Polizei verstecken, in Kühlwägen, in denen sie dann ersticken“, so Reimon.
Weitere Redebeiträge gab es von Karin Wilfingseder (Neue Linkswende), Ako Pire (Offensive gegen Rechts), Jasmin Kassai (VSStÖ), Evin Timtik (Kurdin aus der Türkei), und Brigitte Hornyik (Support RefugeeWomen in Traiskirchen).
Auch in Eisenstadt versammelten sich etwa 30 Menschen zu einer Mahnwache zum Gedenken an die verstorbenen Flüchtlinge. „Um zu zeigen, dass wir die Heuchelei und die menschenverachtende Asylpolitik als absolut inakzeptabel empfinden“, hieß es im Aufruf der „Offensive gegen Rechts“ und der Plattform „Flüchtlinge Willkommen im Burgenland“.
Text: Michael Wögerer
Fotos: Michael Wögerer (Wien); Miriam Herlicska (Eisenstadt)
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