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Werkstattbericht VI – Das Letzte

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 48]

20151228_090549Lehrbücher? Check. Ein alter Band von Krieg und Frieden? Eingepackt. Die jüngsten musikalischen Erwerbungen? Auf den Laptop gebannt. Zahnbürste? Deo? Duschgel? Verstaut. Arzneien? Genug, um am Rastplatz eine schwarze Apotheke zu eröffnen. Nach der Mittags-Gassirunde ein letzter Blick ins Postfach. Er fällt auf einen Plastik-Versandbeutel. Nanu? Das finale DATUM im laufenden Jahr? Steckt schon zwischen Statistik für Sozialwissenschaftler und Tolstoi. Die neue BÜHNE? Liegt bereits ungelesen im Altpapier.

Auf dem schlichten Cover prangt eine janusköpfige Medusa. Ein DATUM mono also? Zu Mythologie? Nein: WIR ZWEI – Der Staat und ich. Es ist exakt so lang wie ein DATUM, es riecht (!) wie ein DATUM, es sieht aus und kostet so viel wie ein DATUM. Aber da steht NZZ.at. Eine URL auf Papier? Da hat der Fleischhacker was missverstanden. „Es ist nämlich so – Print ist tot.“, schreibt der selbsternannte Oberliberale.

Zwei Tage später lese ich die erste Geschichte am Klo in Tirol: ein entbehrlicher „Briefwechsel“ zwischen Fleischhacker und Wolf Lotter, so überhöht wie der Gipfel im Rücken. Der richtigen Erkenntnis, viele Linke hätten sich auf dem Marsch durch die Institutionen neben Konservativen breitgemacht, folgt die Behauptung, Liberale seien die einzig wahren Staatsfeinde. Hallo? Schon mal geknüppelt worden auf einer Demo? Jemals vor Gericht gesessen als Tierschützer oder Antifaschist?

Das mit dem DATUM ist schnell geklärt: einige vorzügliche Autoren des Magazins sind bei Fleischhacker untergekommen. Die NZZ.at könnte unsere Privatadresse vom DATUM haben, dessen Ex-Chef Stefan Kaltenbrunner das Medium beriet. Daher muss ich schmunzeln, als ich am Häusl unter dem Borg-Motto WIDERSTAND IST ZWECKLOS Datenschutz-Tipps lese. Ich lache, wie ich immer lachte, wenn Autonome bei Bündnistreffen ihre Handyakkus getrennt in einem Eiskasten verwahrten. „Wegen ‚m Staatsschutz warad’s.“ Ähnliches raten die Autoren Gartner und Zotter. Warum die Folgegeschichte über Wohnheime unter Geld läuft, leuchtet mir nicht ein.

Mein absoluter Favorit: Elisalex Henckels Portrait des Steirers Michael Scheucher. Wie kam sie bloß auf diesen staatenlosen Black-Metal-Fan?

Alle Gewaltfantasien gegenüber Hans-Hermann Hoppe behalte ich für mich. Ein Interview mit ihm findet sich im Ressort Geist ab Seite 67. Hiernach sind launige Berichte aus fünf fiktiven Staaten abgedruckt. Nette Idee, wenngleich Georg Renner das Galaktische Imperium ein „Neofeudales Kaisertum“ schimpft. Nur ein liberales Blatt bezeichnet so einen Klerikalfaschismus. Die Sith, Verkörperung der Dunklen Seite, sind ja nichts als Krucken- wie Pfeilkreuzler und Ustaša-Falangisten mit Daesh-Habitus unter Stahlhelmen. Bedenken wir auch: die dominante Rasse im Imperium ist die Menschheit.

So ist die vom STANDARD bekannte Julia Herrnböck konsequent, wenn sie Utopia (im Krieg versunken) ein „totalitäres Regime“ nennt.

Mir fiel gerade auf, dass der Akkudeckel meines Handys fixiert ist. Wo ist der Tiefkühler?

Fotos: Zoran Sergievski – Reiseliteratur und NZZ.at#1 (CC BY-SA)

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