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Europäische Werte

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 61]

25970840266_394500058b_kKaum kracht es wieder in Europa (zu dem dieser Tage aufgrund aktueller Pakte alles von Madrid bis Ankara, sogar Tunis, doch keinesfalls Moskau gehört), beschwören die politischen und massenmedialen Eliten dieser Weltregion gemeinsame Werte. Was sind das eigentlich für Werte?

Steht Europa für Verblödung? Welche sich etwa darin ausdrückt, dass ein heimischer Radiosender während einer Sondersendung vom Dienstag den Hot Chocolate-Hit You sexy thing spielt. Ist wirklich passiert.

Steht Europa für Kommerz? Welcher sich etwa darin ausdrückt, dass eine Modebeilage der Tiroler Tageszeitung beschwört, Menschen bevorzugten „bereits im Kindergarten bestimmte Marken.“ Der Eltern weismachen will, sie müssten auf „Individualität und Qualität. Klasse statt Masse“ achten.

Steht Europa für den Klassenkampf von oben? Welcher sich alljährlich zur Karwoche etwa darin ausdrückt, dass Christlichsoziale und ChauvinistInnen gegen die verarmten Massen schießen, wenn nicht verschiedene Arme gegeneinander ausspielen.

Steht Europa für Heuchelei? Welche sich etwa darin ausdrückt, dass Eingeborene Frauenhäuser sprengen wollen, aber fast ausschließlich über nicht-österreichische Sexualstraftäter, über alte arabische Patriarchen und türkische Machos diskutiert wird.

Steht Europa für Hochmut? Welcher sich etwa darin ausdrückt, dass Fassaden und Profilbilder in dunklen Zeiten ausschließlich in den Farben westeuropäischer Nationen erstrahlen, schwarze Tage in der Ukraine, Nahost und Afrika aber im weißen Rauschen der Kurzmeldungen verblassen.

Steht Europa für Pietätlosigkeit? Welche sich etwa darin ausdrückt, dass rechte PolitikerInnen, noch ehe die Brüsseler Leichen bedeckt sind, den Terror verbreiten, indem sie in Sozialen Medien Hass gegen Geflüchtete schüren und den Islam mit Dschihadismus gleichsetzen.

Steht Europa für Oberflächlichkeit? Welche sich etwa in der Behauptung ausdrückt, noch mehr Polizei und Überwachung könnten den IS wirklich besiegen, Bodentruppen ihn bekriegen, ohne dass die Geldquellen von Daesh versiegen.

Steht Europa für Kürzungen? Wenn es die Bürokratie an den Brüsseler, Luxemburger und Straßburger Standorten betrifft, nicht, noch, wenn Diäten gemeint sind, sondern einzig und allein, um die Zivilgesellschaft zu strafen, in deren Licht man sich sonnt („WIR haben geholfen“).

Steht Europa für Kälte? Wenn sie in undichten Zelten bei Idomeni die Knochen erfasst; an den Stationen der U6 die Finger schwarzer Dealer betäubt, die nicht legal arbeiten dürfen; Linz zumindest in Teilen von Bettlern säubern soll.

Wenn die Festung Europa kein Schimpfwort mehr ist; wenn Freiheit trotz Grenzkontrollen allein für deutsche Waren, aber nicht mal KroatInnen gilt; wenn auf die Medienpolitik Ungarns und Polens keine Sanktion, sondern ein Handschlag mit der Türkei folgt; kurzum: Wenn die dort hochgehaltenen Werte gegen die hier niedergeschriebenen Unwerte als Richtwerte unterliegen, sind sie die Tinte, das Papier und die Bytes nicht wert, durch die sie manifestiert wurden.

Foto: Miguel Discart2016-03-22_17-13-23_ILCE-6000_DSC09332 Rassemblement de personnes apres les attentats de Bruxelles. (Lizenz: CC BY-SA 2.0)

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