„Künstliche Debatte“ um Burkas
[3K – Massenmedien am Montag: Folge 81]
Da sind diese Olympischen Spiele endlich aus. Da muss man Yusra Mardini und KollegInnen endlich nimmer ertragen. Da kann man auf Flüchtlinge endlich wieder spucken, vor allem auf die Musln. Die alten Großparteien machen wieder Wahlkampf für Nadelstreifennazis, indem sie die Angst vor der Burka beschwören, die da wie dort niemand trägt. Vor zwei Jahren war das für Sebastian Kurz kein Thema, eher eine „künstliche Debatte“. Damals standen ja auch keine Neuwahlen im Raum. Daher muss der Minister keine Empfehlung abgeben: Er rollt Norbert Hofer den roten Teppich zur Hofburg aus und bietet sich als neuer Wolfgang Schüssel an. Vom Erwin-Pröll-Imitat und seinem sinnlosen Ruf nach einer Abschiebung straffälliger Flüchtlinge ganz zu schweigen.
So hat das rechte Lager kurz vorm meteorologischen Herbst sein Sommerloch aufgebläht. Medien füllen es mit Burkinis auf. Jelena Gučanin kritisiert die weiße-westliche Kleidervorschrift, welche der Frau wieder nur vorschreibt, quasi nackt zu sein. Die Kollegin der WIENERIN fragt in ihrem jüngsten Kommentar zurecht:
„Wäre es nicht wesentlich sinnvoller, in Integrationsmaßnahmen zu investieren, etwa Frauenhäuser zu unterstützen und diese Frauen in die Mitte zu holen statt an den Rand zu drängen? Kleidungszensur bringt uns nicht weiter und macht gar nichts außer den Frauen Freiheiten wegzunehmen.“
Natürlich wäre es sinnvoller. Leider rennt das Geschäft anders.
Echte Themen
Man könnte ja zur Abwechslung Dinge aufgreifen, die Relevanz haben. Ein Beispiel: Seit Wochen berichten deutschsprachige Medien von den Müllbergen Roms. Italiens Hauptstadt kann gegenwärtig zwei Drittel ihrer Abfälle nicht selbst entsorgen. Die Sonntagsnummer der Tiroler Tageszeitung legte in einem Hintergrundbericht dar, dass schon heute 80,5 Prozent aller ausländischen Müllimporte aus Italien kommen. 70.000 Tonnen extra sollen bald anfallen und per Zug durch Tirol rollen. ExpertInnen fürchten Preissteigerungen in der heimischen Abfallwirtschaft – bei immer knapperen Entsorgungskapazitäten. Wir alle zahlen bald drauf, wenn Rom sein Mistproblem nicht in den Griff bekommt. Die ökologischen Kosten sind nicht einberechnet.
Oder man macht konstruktiven Journalismus. Da gibt’s etwa Young Viesions, die jungen, selbsternannten Wiener Visionen. Hier erzählt mein Ex-Student Ivo von einer sehr sinnvollen App, die er im Team für die Caritas entwickelte. Und N21, ein NGO-Medienprojekt mit Paywall (21 Cent/Tag), will nachhaltig sein. Bei dem Webzine erscheint Dieter Bartels Athener Tagebuch. Er vermeidet die gängigen Krisenklischees über Griechenland, bemüht sich um Optimismus.
Wen die lächerlich niedrige Bezahlschranke stört, soll den möglichen Tod des Wirtschaftsblatts bedenken. Styria droht ja nicht mit der Schließung, weil Papier out ist: Die Marie fließt in Die Presse.
Über all das könnte, müsste man reden. Stattdessen streiten vor allem Männer über islamische Badeanzüge und Schleier, die sie trotz Infografiken nicht unterscheiden können.