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(K)ein Kreuz für alle

pray_kreuzKreuz, das. Per Definition ein „grafisches Zeichen, das aus zwei sich rechtwinklig (oder schräg) kreuzenden Linien besteht“. Oder aber, aus dem religiösen Blinkwinkel betrachtet, ein „Symbol des christlichen Glaubens in der Form von rechtwinklig sich kreuzenden Linien“.

Ein Symbol des christlichen Glaubens also. Wo immer ein Kreuz auftaucht, wird es unweigerlich mit dem Christentum in Verbindung gebracht. Egal, ob bewusst oder unbewusst. Das liegt auch in der Natur der Sache. Jede Organisation, sei es nun eine Religion, ein Sportverein oder Unternehmen, will sich durch ein Symbol, ein Zeichen, ein Logo vom Rest der Masse abheben. Manchen gelingt das besser, manchen weniger gut. Und da das Kreuz seit jeher als Symbol christlicher Werte gilt und ein Großteil der Österreicher diesem Glauben angehören, hat es sich auch in den Gehirnen der Menschen verankert.

Auch in den österreichischen Schulen war das Kreuz eigentlich schon immer fixer Bestandteil der Klassenzimmer. Vorschläge, wie der von Bildungsministerin Sonja Hammerschmidt (SPÖ) in der ORF-Pressestunde, den DirektorInnen freizustellen, ob sie in ihren Klassen Kreuze aufhängen wollen, werden sofort von allen Seiten kritisiert. Sogar von der Tiroler LandesschülerInnenvertretung, die sich in einem Statement klar positionierte: „Für uns steht das Kreuz als Zeichen unserer europäischen Kultur und Religion. Es ist ein Faktum, dass die Mehrheit der österreichischen Schülerinnen und Schüler christlich ist. Daher hat sie auch ein Recht darauf, dass ihr Symbol in den Klassenräumen hängt. Es wird auch akzeptiert, wenn beispielsweise Muslima in der Schule Kopftücher tragen. Das finden wir von der Landesschülervertretung auch gut so! Wir wollen keinesfalls ein Schulbild vermitteln, indem nur der römisch-katholische Glaube Platz findet. Wir stehen für Vielfältigkeit, für Interkulturalität und für Akzeptanz. Doch genau diese Akzeptanz muss es in beide Richtungen geben.“

Weiter heißt es in der Presseaussendung der LSV Tirol (30.10.2016): „Wir müssen das Kreuz nicht aus den Unterrichtsräumen verbannen, um den Eindruck einer freien und toleranten Gesellschaft zu vermitteln. Das Kreuz ist nicht nur Symbol für die christliche Religion. Es ist vor allem auch ein Symbol für überreligiöse Humanität und Barmherzigkeit.“

Soweit, so eine Meinung, die natürlich legitim ist und jeder kundtun kann, auch die Tiroler LandesschülerInnenvetretung. Der Vergleich mit den Muslima, die Kopftücher tragen hinkt allerdings ein wenig. Das Tragen von Kopftüchern ist beispielsweise dem Tragen einer Kreuzkette gleichzusetzen und nicht dem Aufhängen eines Kreuzes für die ganze Klasse. Außerdem ist das Kreuz natürlich hauptsächlich ein Symbol für die christliche Religion und wird gerade in diesem Fall auch so wahrgenommen. Für „überreligiöse Humanität und Barmherzigkeit“ braucht es kein Kreuz, das allen Schülerinnen und Schülern jeden Tag unter die Nase reibt, welche Religion denn die einzig wahre für „unsere europäische Kultur“ ist.

Denn ein Kreuz allein löst noch lange nicht die Probleme, die wir heutzutage haben.
Es mag ja sein, dass das Kreuz für Werte steht, die unsere Gesellschaft ausmachen. Wenn wir aber ein Kreuz an der Wand dazu brauchen, um uns daran zu erinnern, wie wir mit unseren Mitmenschen umgehen sollten, welche Werte in unserer Gesellschaft wichtig sind, dann haben wir weit größere Probleme, als die „Verteidigung des christlichen Abendlandes“ oder eine „Islamisierung Europas“.

Hinzu kommt, dass Entfernen von Kreuzen in den Schulen ein wichtiger Schritt in Richtung vollkommene Trennung zwischen Kirche und Staat wäre. Eine Schule ist für alle da, für ChristInnen genauso wie für Andersgläubige und AtheistInnen. Sie sollte ein Ort sein, an dem alle SchülerInnen ihren Platz finden, unabhängig von Glauben, Aussehen, Hautfarbe oder Herkunft.

Ein Kreuz in einem Klassenzimmer einer staatlichen Bildungseinrichtung ist de facto nicht mehr zeitgemäß. Und auch, wenn in naher Zukunft wohl in diese Richtung nichts passieren wird, bleibt doch die Hoffnung, dass die Schule irgendwann endgültig zu einem neutralen, religionsfreien, toleranten Ort werden kann. Das Entfernen der Kreuze wäre ein Anfang.

Moritz Ettlinger (16), Schüler in Tirol

Foto: pixabay.com (public domain); Titelbild: Moritz Ettlinger (Unsere Zeitung)

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