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Steuersystem bietet zu viele Schlupflöcher

Studie zeigt: Immer weniger Unternehmenssteuern

von Robert Manoutschehri

Weltweit betreiben Regierungen einen ruinösen Wettlauf nach unten bei den Unternehmenssteuern. Europa spielt dabei eine führende Rolle und beschleunigt weiter das Tempo. Dies zeigt der Anfang Dezember von 21 europäischen Organisationen veröffentlichte Bericht „Tax Games – the Race to the Bottom: Europas Rolle bei der Unterstützung eines ungerechten globalen Steuersystems“ – in Österreich veröffentlicht vom VIDC und Attac.

Panama Papers, Malta-Files, Paradise Papers – immer neue Unternehmensteuer‐Skandale erinnern daran, dass die Steuervermeidung bei Unternehmen noch immer weit verbreitet ist. Die bestmöglichen Schätzungen gehen davon aus, dass dies die Gesellschaft jedes Jahr rund 500 Milliarden US‐Dollar an entgangenen Einnahmen kostet. Einer der Hauptgründe für dieses Problem ist die Tatsache, dass Regierungen Geheimhaltung, Steueranreize und Schlupflöcher bieten, die dies möglich machen.

Der durchschnittliche Steuersatz für Unternehmen hat sich in 15 EU-Staaten seit 1980 von 49 auf rund 24 Prozent halbiert und sank weltweit im selben Zeitraum von rund 40 auf unter 25 Prozent. Hält dieser globale Trend an, werden die Unternehmenssteuersätze bis 2052 weltweit auf Null sinken.

Als Kompensation für die sinkenden Einnahmen aus Unternehmenssteuern steigen seit Jahrzehnten die Steuern auf Arbeit und Konsum. Vor allem Konsumsteuern belasten Menschen mit geringem Einkommen mehr und verursachen zunehmende Ungleichheit. Dennoch läuft bereits die nächste Runde in diesem ruinösen Steuerwettlauf. 12 der 19 im Bericht untersuchten europäischen Länder haben ihren Steuersatz für Unternehmen erst kürzlich gesenkt oder planen dies in naher Zukunft.

Das Dumping bei den Steuersätzen ist jedoch nur eine Seite der Medaille. Viele Konzerne verschieben ihre Gewinne mit Briefkastenfirmen und Patentboxen über intransparente Konstruktionen künstlich in Steuersümpfe und maximieren so weiter den Schaden für die Allgemeinheit. So ist in 12 der untersuchten Länder noch immer geheimes Firmeneigentum möglich aber trotzdem sind zehn EU-Länder – darunter auch Österreich – dagegen, dass multinationale Konzerne öffentlich machen müssen, in welchen Ländern sie welche Gewinne verbuchen und wieviel Steuern sie zahlen.

Die EU hat am 5. Dezember zwar eine „schwarze Liste von Steueroasen“ veröffentlicht, doch EU-„Steueroasen“ wie Luxemburg, die Niederlande, Irland, Malta, Großbritannien oder Zypern finden sich nicht auf der Liste, kritisieren VIDC und Attac.

Der Bericht fordert neben Transparenzmaßnahmen auch ein globales Abkommen zur Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuervermeidung, um die wichtigsten „sink countries“ und “conduit countries“ in das gemeinsame „Boot“ zu holen. Erstere sind Länder, in denen Unternehmen ohne große Steuerbelastungen ihre Profite ‚versenken‘ können. Letzteres sind Länder, durch die Unternehmensgewinne aus jenen Ländern, in denen ein multinationaler Konzern geschäftlich tätig ist, in die ‚Senken‘ geschleust werden.

„Die Regierungen dürfen nicht nur Lippenbekenntnisse zu den unfairen Steuerpraktiken der Konzerne abgeben, sondern müssen den ruinösen Steuerwettlauf generell beenden“, fordert daher Martina Neuwirth vom Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation (VIDC), die das Österreich-Kapitel des Berichtes verfasste, in dem u.a. auch die hiesigen Holdinggesellschaften kritisiert werden, die derzeit unter Korruptionsverdacht stehenden brasilianischen Bau- und Öl-Konzernen nahezu Steuerfreiheit einräumen, sowie die bisherige Weigerung, öffentliche Unternehmensregister einzuführen.

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