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Staatsakt in der Oper – Ein merkwürdiges Schauspiel

Ein Kommentar von Stefan Kastél.

Es mutet einigermaßen seltsam an, einen Staatsakt in der Oper zu verfolgen, indem das angeblich Gemeinsame zelebriert wird. PolitikerInnen, die normalerweise für das Schüren von Zwietracht und Missgunst bekannt sind, applaudieren plötzlich dem amtierenden Bundespräsidenten für seine verbindende Rede und seinem Aufruf zum Konsens in der Politik.

Der Bundeskanzler betritt das Rednerpult, spricht vom respektvollen Umgangston in der Politik und davon, dass die Gewalt der Worte, sehr schnell in Gewalt der Taten umschlagen kann.

Vizekanzler Heinz-Christian Strache paraphrasiert die Worte von Alexander van der Bellen. Das Gemeinsame vor das Trennende stellen. Hinfort mit “Daham statt Islam”, “Wien darf nicht Istanbul werden” oder “Mehr Mut für unser Wiener Blut”. Das alles und noch viel mehr, ist offensichtlich vergeben und vergessen.  

Vor dem Fernseher sitzend fragt man sich jetzt schon, was da in der Wiener Staatsoper eigentlich stattfindet und hofft irgendwie darauf, dass gleich eine Person wie Michael Köhlmeyer die Bühne betritt und wieder einmal ausspricht, was sich viele in dieser 100-jährigen Republik denken.

Es erklingt die Musik von Gustav Mahler (Adagietto aus der Sinfonie No.5) und trifft einen mitten ins Herz.

Hans Niessl, Landeshauptmann in Burgenland, spricht vom friedlichen Zusammenleben und erwähnt einmal mehr, dass man das Gemeinsame vor das Trennende stellen soll. “Es lebe die Republik Österreich” und alle klatschen in die Hände.

Wolfgang Sobotka macht sich überhaupt keine Sorgen um die Republik, weil die Wurzeln der Demokratie tief in unseren Institutionen verankert seien. Ob das die Leute im BVT genauso sehen?

Was wollen mir diese Männer eigentlich sagen?

Und schließlich ist Maja Haderlap (Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin) am Wort und eröffnet ihre Rede mit einem Zitat aus dem Buch “Die gestundete Zeit” von Ingeborg Bachmann: “Dem Orkan voraus fliegt die Sonne nach Westen, zweitausend Jahre sind um, und uns wird nichts bleiben”.

Mit leiser, fast schon verletzlicher Stimme, spricht sie über die eigentliche Seele dieses Landes. Sie spricht davon, dass Identität ein Prozess und kein abgeschlossener Zustand ist. Es gehe um Menschlichkeit und der Widerstand im Nationalsozialismus bestand aus Personen, “die ihre humanen Haltungen noch nicht über Bord geworfen hatten”. Haderlaps Rede ist ein sprachliches Erdbeben, die das ethische Handeln mit einer Mahnung verbindet. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir in einen Prozess des Wandels eingetreten sind, der einem Orkan gleichkommt.

Stürmischer Applaus und standing ovations.

“Freude, schöner Götterfunken, Tochter aus Elysium. Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum. Deine Zauber binden wieder, was die Mode streng geteilt, alle Menschen werden Geschwister, wo dein sanfter Flügel weilt.” Was für ein schöner Gedanke

 

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