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Gedenken & Erinnern in Salzburg – Ein Interview mit dem KZ-Verband

Ein Interview mit Christine Steger und Siegfried Trenker vom KZ-Verband – Verband der AntifaschistInnen Salzburg.

Von Hannah Wahl

UZ: Eine der wichtigsten Aufgaben sieht der KZ-Verband ja in der Erinnerungskultur. Was ist das, und wieso ist die Erinnerungskultur so wichtig?

Steger: Es ist unser Anliegen dafür zu sorgen, dass die Erinnerung an den so wichtigen politischen Widerstand gegen das verbrecherische NS-Regime nicht in Vergessenheit gerät. Der politische Widerstand war die Basis für die Wiedergründung der Republik Österreich. In der Moskauer Deklaration hatten die Alliierten ja festgelegt, dass es einen Beitrag der Österreicher und Österreicherinnen bedürfe, um nach dem Sieg über Nazi-Deutschland Österreich als Staat wieder anzuerkennen. Allzu oft ist das für öffentliche Stellen von keinem großen Interesse. Unsere Gedenkfeiern am 26. Oktober sind, wie auch das inzwischen von der Stadt übernommene Ehrengrab für ermordete Widerstandskämpfer, wichtige Erfolge in unserer Arbeit.

UZ: Ist das Gedenken im Kontext mit dem Nationalsozialismus noch aktuell? Sollte man sich nicht eher gegen den jetzt auftretenden Rechtsextremismus einsetzen?

Trenker: Im Hinblick auf immer häufiger werdende rechtsextreme Straftaten und das erneute Aufkommen rechtsextremer Parteien in Österreich und Europa, einer fortschreitenden Faschisierung der Gesellschaft und Verrohung der Sprache, ist das Mahnen vor dem Faschismus aktueller denn je. Gerade der Blick in die jüngere Geschichte zeigt, wohin Menschenverachtung, Rechtsextremismus, Nationalismus führen. Am Ende stand die industrielle Vernichtung von Millionen Menschen – der größte Zivilisationsbruch der Menschheit überhaupt. Der Verband der Antifaschistinnen und Antifaschisten sieht es daher als seine Aufgabe an, beispielsweise durch Veranstaltungen die Bevölkerung zu informieren und aufzuklären. Mit dem Diskussionsabend „Politik in Ungarn“, zu welchem auch ein engagierter Antifaschist aus Budapest eingeladen war, als auch durch eine Diskussion zu „Identitäre“ und „Graue Wölfe“, mit Uwe Sailer und Karl Öllinger als Diskutanten, konnten wir viele Menschen erreichen.

UZ: Engagiert sich Salzburg ausreichend für die Vergangenheitsbewältigung in Bezug auf den Nationalsozialismus?

Steger: Die Stadt hat in den letzten Jahren durchaus daran gearbeitet, z.B. mit einem Projekt über Salzburg im Nationalsozialismus. Dennoch werden die Denkmale immer wieder in den Hintergrund gerückt und an den Rand gedrängt – z.B. beim Bücherverbrennungsmahnmal am Residenzplatz. Auf Initiative unseres Verbands wird die Stadt Salzburg ein neues Denkmal für Frauen im Widerstand rund um den Obelisken für Rosa Hofmann im Stölzlpark errichten. Diesen Schritt begrüßen wir sehr, denn sie macht auf die vielen Salzburger Frauen aufmerksam, die sich gegen das Unrechtssystem gewehrt und auf unterschiedliche Art und Weise Widerstand geleistet haben. Die feierliche Übergabe an die Öffentlichkeit findet am 27. Mai, dem 100. Geburtstag von Rosa Hofmann, statt. Im Vorfeld hat sich der KZ-Verband einen Arbeitsschwerpunkt zu Frauen im Widerstand gegeben. Wir veranstalten zwei Vorträge mit den namhaften Expertinnen Dr.in Ilse Korotin und Mag.a Silvia Köchl im April bzw. Mai, sowie eine multimediale Performance am Salzburger Hauptbahnhof am Vorabend des 27. Mai.

UZ: Bis in die 1990er Jahre hat man Straßen nach belasteten Personen benannt. In Salzburg gibt es bis heute eine Josef-Thorak-Straße, die nach Hitlers Lieblingsbildhauer benannt ist. Was sagt das über den Umgang der Stadt Salzburg mit der NS-Vergangenheit aus?

Trenker: Sehr viel. Gerade Straßenbenennungen sind eine Ehrbezeugung vor einer Person. Das ist bei Hitlers-Lieblingsbildhauer, dem „gottbegnadeten“ Thorak, einem der übelsten Paladine der Nazi-Bonzen, unerträglich. Der Verband hat sich stets kritisch geäußert und die Beseitigung dieses untragbaren Zustandes in den letzten Jahren unermüdlich eingefordert.

UZ: In seiner Aussendung zum Holocaust-Gedenktag am 27. Jänner 2019 kritisiert der KZ-Verband die “völlig unbefriedigende Gesamtgestaltung” des Platzes rund um das antifaschistische Mahnmal am Bahnhofsvorplatz. Inwiefern ist die Gestaltung misslungen und wie sollte ein adäquates Mahnmal aussehen?

Steger: Das Antifa-Mahnmal ist an einem historisch bedeutsamen Ort errichtet worden – der Salzburger Bahnhof ist der Ort, wo so viele Menschen in die Vernichtungslager deportiert wurden. Dieser Ort ist also grundsätzlich sehr gut gewählt. Nur leider tritt dieses Mahnmal nicht in Erscheinung, niemand kennt es, es verschwindet in einem Baumhain und wird auch in keinster Weise durch die Stadt „bespielt“. Es finden keine Veranstaltungen dort statt, es wird nicht einbezogen. Ein adäquates Mahnmal fällt auf, regt zum Nachdenken an, stört vielleicht sogar den Alltag – denn nur so kann Gedenken Eingang in den Alltag finden. Es reicht nicht aus, an bestimmten Tagen den Kopf zu senken und still zu gedenken. Gedenken bedeutet auch immer, sich dessen bewusst zu sein, was in dieser Zeit geschehen ist, so dass es nie mehr möglich wird.

Im Oktober 2018 feierte der KZ-Verband sein 70-jähriges Bestehen. © Hannah Wahl

UZ: Ein Denkmal im Kurpark soll an die Opfer der Euthanasie erinnern. Kritiker*innen sehen es dort völlig deplatziert, weil der Ort nicht mit dem Geschehen in Verbindung steht. Die Leitung der Christian-Doppler-Klinik wehrte sich damals gegen ein Denkmal auf dem Klinikgelände und in der Altstadt sollte es den Festspiel-Tourismus nicht stören. Wie steht der KZ-Verband dazu?

Steger: Erfreulich ist, dass aufgrund der Ablehnung der Errichtung in der Christian-Doppler-Klinik nun das Denkmal inmitten des Kurgartens aufgestellt ist und so vielen Menschen – auch Touristinnen und Touristen – es sehen können. Seit Kurzem gibt es auch eine Informationstafel dazu, was wir als Verband begrüßen.

Der damalige Umgang und die Missachtung der Opfer durch die Ablehnung spricht natürlich auch Bände und ist eigentlich typisch für einen „österreichischen Umgang“ mit den Opfern der systematischen Ermordung durch das Naziregime.

UZ: Auch das Denkmal, das an die Bücherverbrennung auf dem Residenzplatz erinnern soll, wurde trotz Kritik nicht direkt am Ort des Geschehens – also mitten am Platz – errichtet. Kann man sagen, dass die Gedenkkultur in Salzburg nicht ernst genug genommen wird?

Steger: Hier passt vielleicht der Spruch: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“ ganz gut. Im Grunde gibt es eine gefühlte moralische Verpflichtung, der einzig offiziellen Bücherverbrennung in Österreich zu gedenken und aus diesem Anlass ein Denkmal zu errichten. Aber dieser „moralische Druck“ führt dann nicht dazu, dass man den tatsächlichen Ort des Geschehens würdigt, weil man den Platz ja für Adventmarkt und Rupertikirtag benötigt. Das ist scheinheilig. Gedenken, das ernst genommen wird, kann keinem „Sachzwang“ unterworfen werden. Hier findet eindeutig eine Priorisierung statt, zu Ungunsten eines würdigen Umgangs.

UZ: Was sagt die Gedenkkultur in Salzburg über unser aktuelles Geschichtsbild aus?

Steger: Das zu beantworten ist sehr schwierig. Im Grunde könnte man vielleicht sagen, dass Österreich sich seiner Verantwortung nicht so stellt, wie es der Verlauf der Geschichte erfordert. Österreich war nicht das erste „Opfer“ der Nazis und so muss es auch mit seiner Geschichte umgehen. Ein Teil dieses Verhaltens ist auch der Tatsache geschuldet, dass es nach 1945 einfach weiterging, wie vor oder während des Krieges. Viele Personen in Entscheidungspositionen waren vor 1938 und nach 1945 dieselben. Und viele Nazi-Beamte, faschistische Journalisten, Richter, Lehrer wurden nach einer kurzen Pause nach der Befreiung wieder in ihre Ämter gehievt. Ob das in Schulen, Gerichten oder Krankenhäusern, den Universitäten oder den Behörden war. Das erklärt vielleicht auch ein wenig, warum Österreich ist, wie es ist.

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