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Da kann einem schon angst und bange werden

Aktuelle Allensbach-Umfrage: „Deutsche haben wieder mehr Angst vor Krieg…“

Ein Gastbeitrag von Ruediger Homberg

In der bundesdeutschen Öffentlichkeit ist es üblich, regelmäßig zu erforschen, wie beim gemeinen Volk die Wirkungen staatlicher Politik ankommen und wie viel Zustimmung sie genießen.

Eine aktuelle Umfrage des Allensbach-Instituts zeigt, dass die Angst vor Kriegen, in die Deutschland verwickelt sein könnte, deutlich zugenommen hat: „Sie stieg unter allen Deutschen von 2019 auf 2020 sprunghaft von 15 auf 25 Prozent“, berichtet das Handelsblatt.

Dieser Befund schreit eigentlich nach einer Ursachenforschung: Wer verfolgt Ziele, die die schwersten Verwüstungen an Land und Leuten bewirken? 

Diese Praxis ist leider unbekannt. Kriege entstehen bekanntlich von alleine. Zwar kennt man in bestimmten Ländern die üblichen Verdächtigen, möchte den Kriegsherren aber nicht zu nahe treten:

„Mehrfachnennungen waren möglich, und für die USA als größten Bedrohungsquell entschieden sich 56 Prozent… Es folgen Nordkorea auf Platz zwei mit Nennungen von 45 Prozent, die Türkei (42 gegenüber 33 Prozent im Jahr 2018) sowie mit 41 Prozent Russland … stehen Iran (29 Prozent) auf dem sechsten und China (26) auf dem achten Platz im gesamtdeutschen Ranking“, erläutert welt.de.

Deutschland kommt in diesem Ranking nicht vor. Das verwundert:

„Die Bundeswehr engagiert sich seit den Neunzigerjahren dauerhaft und teils langjährig in den Auslandseinsätzen. Anfangs in Bosnien, später im Kosovo bis zum Kampfeinsatz in Afghanistan. Aktuell ist die Truppe in Europa, Asien und Afrika sowie im Mittelmeer im Einsatz“, berichtet die Deutsche Bundeswehr auf ihrer offiziellen Homepage.

Diese Kriegseinsätze zählen offenbar nicht. Und die Bombardierung Serbiens durch die deutsche Luftwaffe 1999 – der ersten aktiven Kriegsteilnahme Deutschlands nach dem 2. Weltkrieg – zählt sowieso nicht zum kollektiven National-Bewusstsein. 

Dass Deutschland auf ganz andere Weise in einen Krieg verwickelt oder selbst ein Kriegsschauplatz werden kann, ist aber dennoch bei den Bürgern ‚angekommen‘.

Der Feind ist im Osten

„Die Nato hält in Norwegen das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges ab“, berichtete Die Zeit im Oktober 2018. „50.000 Soldaten, 10.000 Panzer und Militärfahrzeuge, 250 Flugzeuge und 65 Schiffe“ proben – einige Wochen nach einem Manöver in der Ukraine (Sept. 2018) – im Nordatlantik und in der Ostsee sowie im Luftraum über Finnland und Schweden den Krieg gegen Russland. „Die Deutsche Marine beteiligte sich in der Ostsee mit der Korvette Erfurt (F 262), der Fregatte Hamburg (F 220), zwei Minenjagdbooten der Frankenthal-Klasse“ sowie „etwa 8500 Bundeswehr-Soldaten und mehrere Fahrzeuge, darunter rund 100 Kampf- und Schützenpanzer“, erfährt man auf wikipedia über das multinationales Großmanöver der NATO „Trident Juncture 18“ (TRJE18).

Trident Juncture (dreizackiger Verbindungspunkt), in den Medien auch umfangreich dokumentiert, führte offenbar noch nicht zu einem Wachsen einer Angst vor Krieg, obwohl es das Prädikat: „das größte Manöver seit Ende des Kalten Krieges“ erhielt.

Nachhaltiger scheint der derzeit beginnende und mehrere Monate dauernde Militär-Aufmarsch zu sein, dem übrigens das gleiche Prädikat zuteil wurde:

Großangelegtes Manöver „Defender 2020“ startet Ende Januar

„Es ist die größte Verlegung von US-Truppen nach Europa – das NATO-Manöver Defender 2020, das kommende Woche startet. Ein wichtiger Schauplatz ist Deutschland“, berichtet die Tagesschau Mitte Jänner.

Ein Manöver ist kein Spiel. Es ist die Übung einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Staaten bzw. Staatenverbünden, die sich aus ihren jeweiligen Interessenlagen heraus feindlich gegenüberstehen. Es ist die Vorbereitung auf den Fall, dass der Entschluss gefasst wird, den Feind durch Vernichtung von Land und Leuten zu entmachten.

Das soll man sich so natürlich nicht denken, sondern nüchtern die kommenden Aktionen zur Kenntnis nehmen:

„Etwa 37.000 Soldatinnen und Soldaten, aus 18 Nationen, mit tausenden Fahrzeugen und tonnenweise Ausrüstung und Material, sind „on tour“ nach und durch Europa. Die Großübung DEFENDER-Europe 20 ist eine logistische „Herkulesaufgabe“. Dabei steht die Vertiefung der erforderlichen multinationalen Zusammenarbeit ganz im Fokus des Geschehen“, meldet die Bundeswehr Ende Jänner.

Die hochoffizielle Darstellung des Szenarios erinnert – wohl eher unfreiwillig – nicht nur an Zeiten des (heißen) kalten Krieges, in denen Deutschland (West) als Aufmarsch- und Kriegsschauplatz fest in der NATO-Strategie eingeplant war. Dies hatte – angeheizt durch Pläne atomarer Bewaffnung Deutschlands – eine Friedensbewegung initiiert, die in einer Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten 1981 mit ca. 300.000 Menschen gipfelte. Damals war zumindest klar: Ist man im Besitz zielgerichteter Waffen oder einer zielgerichteten Strategie, wird man selbst zum Ziel.

Und schon damals sorgte folgende aktuelle Botschaft nicht für Vertrauen, sondern für Besorgnis:

„Mit der Übung geben die USA ein deutliches Bekenntnis zur Sicherheit Europas und gleichzeitig zeigt die Übung auch, dass europäische Partner gemeinsame Vorhaben verlässlich unterstützen und umsetzen.“ (Bundeswehr zu „DEFENDER-Europe 20“)

Deutschland macht mobil

Dass Deutschland die 2014 in der NATO von allen Mitgliedsstaaten beschlossenen und von den USA nun eingeforderten Erhöhungen der Militärausgaben leisten sollte, wird von den regierenden Politikern klar befürwortet und in der Öffentlichkeit breitgetreten. Denn: Aufrüstung und militärische Mobilmachung sind ein nationales Erfordernis:

  • Die Kampfbereitschaft ist mangelhaft:
    „Wehrbeauftragter fordert Sofortprogramm wegen Materialmangel“ (Hans-Peter Bartels, SPD), denn „Ausrüstung entscheidet über Leben und Tod“ (Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberstleutnant André Wüstner, Quelle: spiegel.de)
  • Dem deutschen Militär mangelt es an durchschlagkräftigem Material:
    „Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer macht einen spektakulären Vorschlag: Gemeinsam mit Frankreich soll Deutschland einen Flugzeugträger bauen. 4,5 Milliarden Euro würde er kosten.“ (Quelle: welt.de)
  • Deutschlands Interessen gelten weltweit und bedürfen militärischer Absicherung:
    „Um es klar zu sagen: Deutschland ist bereit sich stärker zu engagieren, auch militärisch… Der frühere Verteidigungsminister Peter Struck hatte Recht. Er sagte einmal: Deutsche Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt. Und man muss heute hinzufügen: auch im Irak, in Libyen und im Sahel.“ (Rede von Außenminister Heiko Maas auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020, Quelle: auswaertiges-amt.de)
  • Allein Gewalt zählt:
    „Das militärische Instrument ist für unsere Sicherheit unverzichtbar“ (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der Eröffnungsrede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020, Quelle: bundespraesident.de)
  • Im Gleichschritt mit dem großen Verbündeten:
    „Wir befinden uns nun in einer Epoche der Großmachtkonkurrenz, und unsere wichtigsten Herausforderer sind erst China und dann Russland“, sagte Esper. „Wir müssen uns also wegbewegen von Konflikten mit niedriger Intensität und uns wieder vorbereiten auf hochintensive Kriegsführung“. (US-Verteidigungsminister Mark Esper auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2020, Quelle: welt.de)

Da sollte einem schon angst und bange werden!

Ruediger Homberg: Studium und anschließend Lehrer für Deutsch und ev. Religion an einem Berufskolleg. Mittlerweile in Pension.
Gehört dem fast ausgestorbenen Menschenschlag der Kriegs- und Militärgegener an.

Titelbild: Bundeswehr-Soldaten – Grafenwoehr Training Area (public domain)


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