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Vom Narziss zum Nazi: Psychologie rechter Wähler und Parteien

Wer gerne „nach unten“ tritt, um sich selbst aufzuwerten, hat Potential zum Neonazi. Eine interdisziplinäre Studie deckt den Zusammenhang zwischen narzisstischer Persönlichkeit und Rechtspopulismus auf und dass (auch) sozialpsychologische Faktoren den Erfolg rechtsradikaler populistischer Parteien erklären können.

Von R. Manoutschehri

In vielen Ländern Westeuropas, darunter auch Deutschland, haben rechtsradikale populistische Parteien in den letzten Jahren großen Zulauf bekommen. Eine neue Studie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigt, dass dies nicht nur aktuellen Entwicklungen wie der Flüchtlingskrise zuzuschreiben ist, sondern dass ein Teil der Wählerschaft schon aufgrund seiner Persönlichkeitsstruktur stärker zum Rechtspopulismus neigt.

„Wir haben festgestellt, dass eine bestimmte Ausprägung des Narzissmus, die mit Fremdabwertung einhergeht, eher zur Unterstützung von rechtsradikalen Parteien führt“, sagt Dr. Carl Berning vom Institut für Politikwissenschaft (DeZIM), der gemeinsam mit Dr. Sabrina Mayer von der Universität Duisburg-Essen und Dr. David Johann von der Universität Zürich die Folgen von Narzissmus untersucht und im Fachmagazin European Journal of Personality veröffentlicht (DOI: 10.1002/per.2228).

Autoritarismus und Fremdenfeindlichkeit als Persönlichkeitsmerkmale

Die Studie zeigt, dass Wähler, die ein hohes Maß an narzisstischer Rivalität als Persönlichkeitsmerkmal aufweisen, also andere abwerten, um sich selbst aufzuwerten, dazu neigen, rechtsradikale populistische Parteien zu wählen. Das heißt, Narzissmus verändert Einstellungen und diese beeinflussen die Präferenz für Rechtspopulisten. Bisherige Wahlforschung habe die Persönlichkeit der Wähler nicht genügend berücksichtigt.

„Wir wissen, dass Fremdenfeindlichkeit die Neigung zu rechtspopulistischen Ideologien verstärkt, aber die Einstellung kommt nicht aus dem luftleeren Raum, sondern es gibt Menschen, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur verstärkt dazu tendieren“, fasst Berning zusammen. Dass die individuelle Persönlichkeit über die sozialdemographischen Bedingungen hinaus eine Wahlentscheidung erklären kann, sei daher stärker zu berücksichtigen.

Für die Erhebung konnten die Wissenschaftler auf repräsentative Daten des GESIS Panels mit rund 2.800 Probanden zugreifen. Zur Ermittlung narzisstischer Persönlichkeitsmerkmale wurden die TeilnehmerInnen um Einstufungen zu bestimmten Aussagen gebeten, zum Beispiel „Ich gewinne eine große Stärke aus dem Wissen, dass ich eine ganz besondere Person bin“ oder „Ich möchte, dass meine Rivalen verlieren“. Auf die Frage, welche Partei sie wählen würden, wenn nächsten Sonntag Wahlen wären, gaben (im Herbst 2016) 12,7 Prozent der Befragten an, sie würden für die AfD stimmen.

Arm im Geiste: Nur durch Fremdabwertung zu Selbstbewusstein

Der Begriff „Narziss“ entstammt der griechischen Mythologie und beschreibt jemand, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte und letztlich aus mangelnder Selbsterkenntnis starb. In der Psychologie wird aktuell zwischen zwei Dimensionen narzisstischer Einstellungen unterschieden: Narzissmus mit einem erhöhten Bedürfnis nach Bewunderung, bzw. Selbstbewunderung auf der einen Seite und narzisstische Rivalität oder Fremdabwertung auf der Anderen.

Narzisstische Persönlichkeiten, die nach Bewunderung verlangen, können charismatisch sein und andere um sich scharen. Narzisstische Rivalität dagegen wertet andere ab, um sich selbst überlegen zu fühlen, und geht häufig mit aggressivem, feindseligem und egoistischem Verhalten einher.

Ein Wiedererkennen dieser Symptome an aktuellen politischen Akteuren fällt da wohl niemand schwer …

 

Zum Nachlesen: Ausgrenzung als Einstiegsdroge in den Rechtsextremismus – die deutsche Autoritarismus-Studie enthüllt, dass fast jeder dritte Deutsche ausländerfeindliche Positionen vertritt, im Osten sogar fast jeder Zweite.

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