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Der Massentest

Oder: Führe uns nicht in Versuchung.

Ein Gastbeitrag von Markus Auer

Nach fast einem Jahr Dauerbeschallung mit „Bleib daham statt Islam“ – sorry, da hab‘ ich jetzt was durcheinander gebracht. Kein Wunder, bei der Informationsflut kann das schon mal passieren. Corona und Islam, Kirche und Parlament – Schwamm drüber oder zumindest nasse Fetzen. Also nochmal von vorn:

Anfang letzten Jahres wurden noch die Warner vor dem Virus als Verschwörungstheoretiker und Alarmisten tituliert, Masken als nutzlos bezeichnet, und das verstörende Verhalten der Behörden bei den Ereignissen rund um Ischgl offenbarte, dass es noch andere Prioritäten als die Gesundheit gibt. Aber all das war bevor oder während sich die öffentliche Meinung drehte.

Danach haben die Regierenden beschlossen, der Bevölkerung Angst zu machen, um sicherzustellen, dass wenigstens die Regierten das Ganze nicht auf die leichte Schulter nehmen. Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, verkündigte der gesegnete Gesendete im Gegensatz zur christlichen Lehre: Fürchtet Euch! … Ab jetzt auch vor dem Virus! – und die braven und folgsamen Regierten fürchteten sich. Sie bekamen Angst vor dem Virus, das mit dem Auto aus dem Ausland kam und überall dort lauerte, wo kein systemrelevanter Arbeitsplatz war. Sie fürchteten sich vor ihren Verwandten, Freunden, Bekannten, ja vor all ihren Mitmenschen bis auf die Paketzusteller und Essenslieferanten. (Es liegt mir fern, jemandem den Appetit verderben zu wollen, aber bei der spanischen Grippe vor gut 100 Jahren war der Patient 0 ein amerikanischer Armeekoch.)

In der darauf folgenden Zeit schien mir ein Wettbewerb zwischen 2 Sätzen zu herrschen: „Bleiben Sie zuhause“ und „Wir haben alles richtig gemacht„.

Zweiterer scheiterte zwar an der Realität, war aber als selbstbeweihräuchernde Schutzbehauptung insofern erfolgreich, als er den Verantwortlichen ermöglichte, sich darauf zu einigen, dass niemand zur Verantwortung gezogen wurde.

Erstere Anweisung war ein größerer Erfolg. Ich kenne ältere Menschen, die während des ersten Lockdown im Frühjahr vor lauter Angst wochenlang ihre Wohnung nicht mehr verlassen haben, und das ist bekanntlich auch nicht förderlich für die physische und psychische Konstitution. Danach sah sich die Wiener Stadtregierung dazu veranlasst, die verängstigten Menschen mittels Gastro-Gutscheinen aus der Isolation und in die wieder geöffneten Lokale zu lotsen. Wobei man damals auch noch die unterstützenden Kräfte des Frühlings und der wieder erwachenden Natur auf seiner Seite hatte.

Im Winter sah die Sache anders aus. Nach 9 (oder 10?) monatiger Dauerbeschallung mit Botschaften wie „Bleiben Sie daheim„, „Vermeiden Sie Kontakte„, usw. – wunderte man sich, dass es nicht gelungen war, mehr als 14% von uns Wienern hinter dem heimelig warmen Ofen hervor- und an einen von 3 Schauplätzen des ersten Corona-Massentests zu locken. Ist es überraschend, wenn Menschen, die sich vor Ansteckung fürchten, nicht an einen Ort gehen wollen, wo laut Plan ein Drittel der Stadtbevölkerung durch dieselbe Teststrasse laufen soll? Nach dem Motto: Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen. Für jemand, der Angst vor dem Virus hat, stellt sowas eher einen zu vermeidenden Platz dar. Man erntet, was man sät – da nützt auch kein Fünfziger als Köder.

Wie an anderer Stelle beschrieben, führt Angst bekanntlich zu Wut. Da diese Emotion möglicherweise zu unkontrollierbaren Folgen führt, ist es auch deswegen notwendig, den Menschen aus ihrer Angst herauszuhelfen. Der Statistik über häusliche Gewalt zum Trotz hat man hierzulande traditionell am meisten Angst vor Unbekannten, vor Fremden, die sich nicht an unsere Regeln halten. Eventuell brachte dies unseren fürsorglichen Innenminister auf die Idee, uns wiederholt mit solchen Menschen, die sich nicht an Regeln halten, bekannt zu machen. Abstandssünder, Maskenmuffel, Parkbankbesetzer, Garagenversammler, Balkanurlauber, usw – alle wurden uns vorgestellt, auf dass wir sie nicht mehr fürchten müssen. Böse Zungen behaupten, es handle sich dabei um die Präsentation von Sündenböcken, um von gewissen anderen Ereignissen oder Verantwortlichkeiten abzulenken, aber so etwas würde doch solch honorigen und pflichtbewussten Charakteren nie einfallen.

Ein weiteres Problem ist, dass nicht alle auf den verordneten Gegenstand der Furcht anspringen, und sich das auf der Gesellschaft lastende Angstgefühl bei vielen in anderen Bereichen als konkrete Furcht manifestiert. Die Einen fürchten sich vor dem Virus, was bei der konzentrierten medialen Berichterstattung ja kein Wunder ist. Die Anderen fürchten um die Wirtschaft, vielleicht weil sie bisher nichts anderes gemacht haben und Angst kriegen, dass sie diese jetzt selber z’sammräumen müssen. Des weiteren fürchten viele auch die schleim… (sorry) schleichende Wiederkehr des Faschismus, was angesichts der tiefenentspannten Haltung von Teilen der Exekutive zur Verfassung durchaus verständlich ist. Dazwischen vernimmt man immer wieder die Hoffnung und Sehnsucht mancher Leute, dass bald alles wieder normal wird. (Dabei gelingt es, völlig auszublenden, wie viel Leben unser System im Normalbetrieb verschlingt. Damit meine ich nicht nur die Zahl der Todesopfer durch Hunger, Krieg, Umweltverschmutzung, Ausbeutung, Massentierhaltung, etc. – sondern auch unser aller Lebenszeit, die wir für die Mitarbeit an diesem absurden System verwenden.)

All das löst selbstverständlich jede Menge Diskussionen aus, wenn so grundlegend unterschiedliche Prioritäten wie Gesundheit, (materielle) Sicherheit und Freiheit aufeinander treffen. Der Blick in die sozialen Medien offenbart eine Spaltung der Bevölkerung – die bekanntlich den Herrschenden nützt – und, dass die Debatten über diese fundamentalen Themen sämtliche Skandale der Regierenden überdecken. Jahrelang konnte man von der Politik hören: „Wir müssen die Ängste und Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen.“ Jetzt wird deutlich, warum man mit dem neuen Stil des Regierens dazu übergegangen ist, Ängste zu schüren und die Sorgen zu vertiefen.

In Zeiten des Schreckens wählen wir Monster, um uns zu schützen„- Mia Couto. Bevorzugt eines, das fesch ist und schön spricht. Bei uns herrscht Schrecken. Die Medien sind voll davon. Tagtäglich. Und dadurch auch unsere Köpfe. Während der neoliberale Beutezug der Reichen ungestört auf Hochtouren weiterläuft und die finanzielle Ungleichheit neue Rekordhöhen erreicht, streitet die Plebs, welche Furcht die Richtige sei. Ob wir die von uns selbst gewählten Monster damit durchkommen lassen, ist meiner Meinung nach der wahre Massentest.

Der Weisheit letzter Schluss kann die Angstkampagne ob der absehbaren Folgen für die Gesellschaft nicht gewesen sein. Eine ach so christliche Regierungspartei hätte sich wohl eher an die Weisheiten der Bibel erinnern und den Menschen sagen sollen: „Fürchtet euch nicht, aber seids vorsichtig.“ Andererseits hätte das womöglich viele Leute an den Spruch eines gewissen, Trost & Rat spendenden Doktors erinnert, der daran noch „…und låsst’s euch nix g’foin“ anzufügen pflegt, womit wir wieder bei den nassen Fetzen wären.


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Titelbild: cottonbro from Pexels
 
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2 Gedanken zu „Der Massentest

  • Was sind wohl die Absichten hinter der Präsentation der Sünder.
    Recht so auf jeden Fall. Sind ja schließlich selber Schuld wenn sie sich nicht an die Regeln halten.
    Verleugnen alle zusammen die Wirklichkeit. Hmm…

    Aber wer weiß.
    Letztendlich ist das ja schließlich eine Frage der Wahrnehmung.

    Schmeißt man ihnen nun gemeinschaftlich den Fehdehandschuh? In diesem Falle wohl hoffentlich nicht.
    Den wahren bösen Zungen gebührt wohl die Wut, ja die Rebellion sogar.
    Man fragt sich wer die Krone tatsächlich trägt.
    Wer ist hier eigentlich der König?

    Antwort
  • Mag.a Karin Gaida, Wien

    Ein Hoch auf die Ärzte des Landeskrankenhaus Graz
    Sie tanzen jetzt jeden Tag, um zu zeigen, das Schluss sein muss mit den Coronamaßnahmen.
    Keine Pandemie, leere Betten, keine Übersterblichkeit

    Antwort

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