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Es grünt so grün: Nachhaltigkeit als leeres Versprechen an KonsumentInnen

Klimaneutrales Fleisch, CO2-reduziertes Fliegen – das klingt zu schön, um wahr zu sein? Nachhaltiger Konsum ist ein wichtiger Baustein für eine sozial-ökologische Transformation. Doch oftmals verbergen sich hinter der Werbung für grüne Produkte dreiste Versprechen. Man spricht vom sogenannten „Greenwashing“, wenn Firmen oder einzelne Produkte als umweltfreundlicher verkauft werden, als sie eigentlich sind. Um zu verhindern, dass VerbraucherInnen, die nachhaltig konsumieren wollen, zunehmend in Verunsicherung geraten, braucht es einen klaren gesetzlichen Rechtsrahmen.

Von Johanna Bürger (A&W-Blog)

 „Nachhaltiger Konsum“ liegt im Trend

Nachhaltig zu konsumieren oder zumindest Versuche in diese Richtung liegen im Trend. So ist beispielsweise der Anteil biologischer Lebensmittel in Österreich in den vergangenen Jahrzehnten konstant gestiegen.

Grafik: A&W-Blog

Eine positive Entwicklung, doch auch Instrumente wie die Bio-Zertifizierung allein greifen zu kurz. Für einen tatsächlichen Wandel muss an der Veränderung von Konsumpraktiken angesetzt werden, das heißt: für den Lebensmittelbereich zum Beispiel weniger Fleisch und Fertiggerichte. Für KonsumentInnen wird oft eine trügerische Illusion von Nachhaltigkeit geschaffen, wenn die bestehenden Konsumpraktiken weitergeführt werden und ihnen lediglich ein grünes, von der Industrie entworfenes Gewand verpasst wird.

Durch die Corona-Pandemie haben sich viele Konsumpraktiken tatsächlich stark verändert im letzten Jahr: Es gab Absatzsteigerung bei regionalen DirektvermarkterInnen, also zum Beispiel ZustellerInnen von Obst- und Gemüsekisten, und die Reisebranche erlebte gezwungenermaßen einen kompletten Einbruch. Laut Key Consumer Data Report 2020 der Europäischen Kommission haben 23 Prozent der KonsumentInnen den Umwelteinfluss von fast all ihren Einkäufen berücksichtigt im Vergleich zu 18 Prozent im Jahr 2014.

Doch ob man die Corona-Krise als Konsumwendepunkt betrachten kann, wird erst nachträglich abschließend beurteilt werden können. Zusätzlich muss dies auch unter dem Aspekt sozialer Ungleichheit und unfreiwilliger Konsumreduktion betrachtet werden. Auch Unternehmen versuchen auf den grünen Zug aufzuspringen – manche mit mehr und manche mit weniger Authentizität. Immer mehr Produkte werden als grün und nachhaltig angepriesen, doch nicht alle davon sind tatsächlich ökologisch und sozial vertretbar.

Green Claims fehlt ein verbindlicher Rechtsrahmen

Die Richtlinie für unlautere Geschäftspraktiken (Unfair Commercial Practices Directive, UCDP) definiert Green Claims als das Aufstellen einer Marketingkommunikation, die den Eindruck erweckt, dass ein Produkt einen positiven oder keinen Einfluss auf die Umwelt hat bzw. weniger schädlich für die Umwelt ist als ähnliche Produkte oder Dienstleistungen. Von Greenwashing wird dann gesprochen, wenn Green Claims nicht den tatsächlichen Umweltauswirkungen entsprechen. Nach dem österreichischen Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) liegt die Beweislast für irreführende Werbung bei Mitbewerbern und klagsbefugten Organisationen, wie etwa dem Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Arbeiterkammer.

Der Mangel an klaren Regulierungen im Bereich Greenwashing erschwert die Beweisführung. Aktuell haben KonsumentInnen jedoch die Möglichkeit, grüne Werbung, hinter der sie Greenwashing vermuten, beim Greenwashing-Check des VKI einzureichen. Auch auf Unternehmensebene braucht es mehr verbindliche Regulierungen für Nachhaltigkeitsberichterstattung, insbesondere die nicht-finanzielle Berichterstattung ist oft mangelhaft, wie eine AK-Studie aus dem Jahr 2017 feststellt. Mit mangelnder Regulierung nimmt auch die Verunsicherung von KonsumentInnen zu. Der Konsummonitor 2021 der AK stellt fest, dass nach eigenen Aussagen nur 24 Prozent der KonsumentInnen die Verlässlichkeit eines Gütezeichens gut einschätzen können.

Greenwashing als Strategie

Ein bekanntes Beispiel für Greenwashing ist sogenanntes „nachhaltiges Palmöl“. Für den Anbau von Palmöl wird jahrhundertealter Regenwald abgeholzt – mit verheerenden Auswirkungen auf Böden, Biodiversität und Klima. Die Studie „Zertifizierte Zerstörung“ von Greenpeace Österreich vom März 2021 zeigt auf, dass sich hinter „nachhaltigem Palmöl“ monopolartige Zertifizierungssysteme verbergen, die echten Umweltschutz behindern. Die Probleme reichen von schwachen Standards über industriegeleitete Strukturen bis zu mangelnder Rückverfolgbarkeit. Und im Endeffekt bedeutet das: Auch für Palmöl, das von Gütesiegeln wie RSPO und FSC als nachhaltig zertifiziert wird, wird in der Praxis Regenwald abgeholzt. Strategien für Greenwashing sind so zahlreich wie die Konsumgüter, auf die sie angewendet werden:

  1. Versteckte Kompromisse: Werben für umweltfreundliche Produkteigenschaften, während andere Aspekte des Produkts umweltschädlich sind.
  2. Fehlende Beweise: Aussagen, die nicht durch unabhängige Zertifizierungsstellen überprüft wurden.
  3. Vage Aussagen: Unklare bzw. leicht missverständliche Aussagen, z. B. bedeutet nachhaltig nicht automatisch biologisch.
  4. Irrelevante bzw. Fake-Labels: Unseriöse bzw. frei erfundene Zertifizierungen
  5. Irrelevante Aussagen: Zutreffende, aber bedeutungslose Angaben wie zum Beispiel die Angabe, dass eine gesetzlich verbotene Substanz nicht enthalten ist (z. B. „FCKW-frei“).
  6. Das kleinere Übel: Vergleich mit Produkten, die eine noch schlechtere Umweltbilanz haben, um das beworbene Produkt in einem besseren Licht darzustellen.
  7. Lügen: Gezielte Irreführung von VerbraucherInnen durch fachlich falsche Aussagen

EU plant, verstärkt gegen Greenwashing vorzugehen

Im Januar 2021 veröffentlichte die EU ihre Ergebnisse zu einem umfassenden Screening von Websites nach Greenwashing. Untersucht wurden grüne Online-Werbungen aus verschiedenen Wirtschaftszweigen wie Bekleidung, Kosmetik und Haushaltsausstattung. Es kam heraus, dass 42 Prozent der Angaben zu nachhaltigen Produkteigenschaften VerbraucherInnen in die Irre führen. Die Irreführungen entstanden vor allem dadurch, dass nicht genug Information bereitgestellt wird, die Aussagen zu nachhaltigen Produkteigenschaften sehr vage sind und dadurch falsche Eindrücke generieren.

Hinzu kommt, dass in über der Hälfte der Fälle die Information zur Überprüfung der grünen Behauptungen nur schwer zugänglich ist für VerbraucherInnen. Zur Eindämmung von Greenwashing wurde die EU-Initiative „Substantiating Claims“ gestartet, die von Unternehmen die Belegung ihrer „grünen Behauptungen“ zum Umweltfußabdruck ihrer Produkte einfordern will, indem diese quantifiziert werden müssen. Insgesamt soll damit höhere Transparenz bei Green Claims erreicht werden, indem sie überprüfbar und innerhalb der EU vergleichbar werden.

Greenwashing soll reduziert werden, kommerziellen Käufern und Investoren soll erleichtert werden, grüne Entscheidungen zu treffen, und das Vertrauen der KonsumentInnen in grüne Labels soll wieder gestärkt werden. Als Teil der New Consumer Agenda der EU soll außerdem die Rolle der KonsumentInnen in einer grünen Wirtschaft gestärkt werden. Der Europäische Verbraucherverband BEUC spricht sich für eine europäische Produktdatenbank aus, die KonsumentInnen den einfachen Zugang zu autorisierten Green Claims ermöglicht. Damit kann nicht nur die Transparenz erhöht, sondern auch ein verbindliches Anerkennungssystem etabliert werden. Als Vorbild kann hier die Health-Claims-Datenbank der EU herangezogen werden, die beispielsweise die Kriterien für den Begriff „fettreduziert“ definiert. Green Claims wie „CO2-reduziert“ oder „klimafreundlich“ könnten dann an wissenschaftliche Kriterien geknüpft werden.

Es braucht mehr Information für VerbraucherInnen und strengere Regulierung von Greenwashing

Aus der Perspektive von KonsumentInnen sind der geplante verstärkte Schutz vor Greenwashing und die geplanten Mindestanforderungen für Nachhaltigkeitssiegel und Informationsinstrumente begrüßenswert. Es braucht einen verbindlichen Rechtsrahmen für Green Claims im Sinne eines verbindlichen Anerkennungssystems für Green Claims. Zusätzlich braucht es Beweiserleichterung für KonsumentInnenschutzorganisationen und im eingetretenen Fall Sanktionen für Unternehmen.

Speziell für den Lebensmittelbereich fordert die AK ein Gütesiegel-Gesetz, welches Grundkriterien für Siegel festlegt und deren unabhängige Kontrolle sicherstellt. Ein weiteres wichtiges Instrument zum Schutz gegen Greenwashing ist ein Lieferkettengesetz. Damit können Unternehmen dazu verpflichtet werden, entlang ihrer Lieferkette auf Umwelt und Menschenrechte zu achten, anstatt die Verantwortung für nachhaltigen Konsum bei den VerbraucherInnen abzuladen.


Titelbild: Alena Koval von Pexels

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