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Wider dem Terror!

Am 29.04.2021 wurde im Rahmen einer Donnerstag-Demonstration den Opfern rassistischer Staatsgewalt gedacht.

Ein Kommentar von Roman Dietinger

Zahlreiche Berichte zeigen Menschenrechtsverletzungen in Österreich auf. Die schwarz-grüne Rechtsregierung, in der die ehemalige Menschenrechtssprecherin Alma Zadić heute selbst die Rolle der Justizministerin gibt, hinterlässt nicht den Eindruck sich darüber viele Gedanken zu machen. Wer sich der Illusion hingegeben hat, dass sich allein durch Wahlen zum Nationalrat die rassistischen Verhältnisse in diesem Land verändern ließen, sollte spätestens mit der Bildung der aktuellen Regierung, in der die Grünen ihre Glaubwürdigkeit endgültig fahren ließen, eines Besseren belehrt worden sein.

Es werden weiter Menschen mit dunkler Hautfarbe, nicht christlicher Religion oder sonstigen Eigenschaften, welchen Rassist_innen nicht genehm sind, diskriminiert, misshandelt und getötet werden. Ein Ende der brutalen Gewalt wird allein durch den Stimmzettel nicht zu erreichen sein.

„Wir brauchen eine radikale Systemveränderung und die Verschiebung der Aufmerksamkeit: Von den Nummern zu den Menschen, von den Wenigen zu den Vielen, von der Hetze zur Solidarität. Für eine andere Art der Politik. Für eine neue Generation Grüner Politik.“ Faika El Nagashi –schweigt inzwischen als Abgeordnete zum Nationalrat für die Grünen [Bezug von Nationalratsabgeordneten monatlich: 8.930,90€, Ausgangsbetrag]

Im Folgenden werden Auszüge zweier Reden der angesprochenen Donnerstagsdemonstration dokumentiert.

Damien Agbogbe gedenkt Marcus Omofuma († 1. Mai 1999)

Er wurde während einer Abschiebung aus Österreich nach Sofia von drei Polizisten in „fahrlässiger Weise“ getötet.

„Meine Damen und Herren!

Liebe Freundinnen und Freunde!

es ist immer eine Freude und auch eine politische Ermutigung zu sehen, wenn Menschen jahrelang bei der Donnerstagsdemo immer wieder Zeichen gegen Ungerechtigkeit setzen wollen. Sie haben es geschafft in die politische Geschichte dieses Landes einzugehen.

In zwei Tagen wird es 21 Jahre her sein, dass man unserem Bruder Marcus Omofuma den Mund zugeklebt, ihm das Atmen verweigert, geprügelt und so in den sicheren Tod abgeschoben hat. Seine Peiniger sind Polizisten der demokratischen Republik Österreich. Stellt euch das vor! Sie glaubten ihnen würde nichts passieren und tatsächlich wurden sie nicht richtig verurteilt.

„Jene drei Wiener Fremdenpolizisten, die am 1. Mai 1999 den Abschiebeflug durchführten, hatten dafür im April dieses Jahres im Landesgericht Korneuburg je acht Monate bedingt wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen ausgefasst. […] Bei einem Vorsatzdelikt und einer Strafe von mehr als einem Jahr hätten die Polizisten außerdem damit rechnen müssen, den Job zu verlieren, so der „Kurier“. Quelle: derstandard.at, 02.08.2002

„Zwei der drei Beamten befinden sich nach wie vor im Dienst, der dritte ist im Ruhestand.“ Quelle: diepresse.com, 28.04.2009

Marcus Omofuma war aus seiner Heimat Nigeria vor dem Tod geflüchtet. Der Tod hat ihn hier, in Österreich, eingeholt. Das war aber nicht alles, denn man hat ihn sogar im Parlament vorkriminalisiert. Als wir mit tiefer Trauer, Ratlosigkeit, Angst und totaler Verzweiflung in der Galerie des „Hohen Hauses“ saßen – die Grünen und das damalige „Liberale Forum“ hatten eine parlamentarische Anfrage gestellt –  mussten wir uns rassistische Äußerungen ihm gegenüber anhören. Eine Abgeordnete der FPÖ, vom Zivilberuf Richterin, hat behauptet Schwarzafrikaner würden nicht nur anders aussehen, sondern seien auch anders und das läge in deren Natur. Die meisten seien illegal und als Drogendealer hier. Man hat uns präkategorisiert und vorverurteilt.

„Erkundigen Sie sich doch einmal bei den Beamten über die Art der Schwarzafrikaner! Sie schauen nicht nur anders aus, wie Sie heute gesagt haben, sondern sie sind auch anders, und zwar sind sie ganz besonders aggressiv. Das liegt offensichtlich in der Natur dieser Menschen. Sie sind meistens illegal da, sie sind meistens Drogendealer, und sie sind ungeheuer aggressiv, wenn sie von Exekutivbeamten beanstandet werden.“ Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (FPÖ) Quelle: Stenografisches Protokoll 168. Sitzung des Nationalrates der Republik Österreich

Unsere Hoffnung, die Abgeordneten der damaligen „großen Koalition“ würden diese rassistische Äußerung entschieden verurteilen, wurde enttäuscht. Man ging zur Tagesordnung über.

Marcus Omofuma war nicht der Einzige. Ich kann meine eigene Erfahrung erzählen. Im 15. Bezirk wurde ich von zwei Polizisten ohne Grund festgenommen. Man brachte mich zu einer Polizeistation. Dort haben sie mich nackt ausgezogen, in einen Käfig eingesperrt und gesagt: „Affe da ist dein Ort.“ – zirka  fünf Stunden lang, in der Kälte ohne zu wissen wie lange noch und warum. Nachdem ich geklagt hatte, war von einem Käfig nicht die Rede. Es seien nur 20 Minuten gewesen… Ich sei im Revier bei ihnen gesessen…Was hätte ich allein ohne Zeugen gegen fünf Polizisten tun können?

Nach Marcus Omofuma wurde unser Bruder Lo, aus Senegal, geprügelt und er war tot. Yankuba Ceesay verprügelt und gestorben! Essa Touray, nach der Amtshandlung tot in der Donau aufgefunden! Bakary Jassey von der Polizei gefoltert! Mike Brennan, von der Polizei niedergeprügelt! Cheibani Wague verprügelt und gestorben! Ahmed F., verprügelt, erstickt und gestorben! Richard Ibekwe, an Misshandlung gestorben! Edwin Ndupu verprügelt und gestorben!

Jörg Haider (FPÖ), politischer Ziehvater und Ideologe des rechtsextremen Terrorismus (OGH 22.8.1995, 6 Ob 18/94) im ORF-Radio September 1999: „Ich hätte mir gewünscht, dass ein Regierungsmitglied mal die Frage gestellt hätte, was hat denn dieser Drogendealer, der da ums Leben gekommen ist, alles an unseren Kindern verbrochen, denen er die Drogen verabreicht hat?“ Quelle: derstandard.at, 23.04.2001

Wir haben das Denkmal für Marcus Omofuma erkämpft. Es war nicht sehr leicht. Wir saßen ständig im Büro des Wiener Bürgermeisters und verlangten: „Wir wollen ein Denkmal für Omofuma haben! Wir wollen, dass künftige Generationen sehen, was mit einem Menschen geschehen ist. Das darf nicht mehr passieren!“ Wir haben es erkämpft. Dieser Platz der Menschenrechte muss bleiben. Man wird uns das nicht wegnehmen.Alle auch von denen wir nicht wissen, wurden Opfer der österreichischen Polizeigewalt. Wann hört, endlich dieser strukturelle Rassismus auf? Schwarze Menschen, jung oder alt, stehen im öffentlichen Raum ständig unter Generalverdacht. Die Polizei kontrolliert schwarze Menschen  grundlos.

Wir fordern Nulltoleranz für Rassismus bei der Polizei. Die prügelnden Polizisten sollten sofort entlassen, angeklagt und angemessen bestraft werden. Wir verlangen, dass unabhängige Behörden Beschwerden über Polizisten prüfen. Die Polizei muss in Antirassismus geschult werden.“

Rede einer Vertreterin der „Tschetschenischen Republik Ichkeria“ in Österreich

(gekürzt und teilweise aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt).

„Liebe Freundinnen!
Liebe Freunde!

„Wir haben in den Medien von schockierenden Zuständen in den Justizanstalten Stein, Suben Karlau, Klagenfurt und Wien gelesen. In Stein soll 2014 ein Häftling schwer vernachlässigt worden sein.

„Internen Dokumente aus den Justizanstalten Stein, Suben, Karlau, Klagenfurt und Wien würden – so das Blatt – zeigen, „wie Häftlinge schwer vernachlässigt, Insassen von Beamten misshandelt und kriminelle Beamte protegiert werden“. Bilder von dem 74-jährigen Gefängnisinsassen würden einen völlig verwahrlosten alten Mann mit entzündeten Füßen und zentimeterlangen Zehennägeln zeigen.“ news.at

Ali Chaciev kam vor kurzer Zeit, unter bis heute nicht geklärten Umständen, ums Leben. Er war ein Häftling in der Justizanstalt Stein

„Der Vater hätte ihm zur Ruhe geraten, denn er würde bald entlassen werden. Er solle sich nicht auf die Provokationen der Justizwachebeamten einlassen. Er meinte Ali habe gemerkt, dass sich die Beamten gegen ihn gestellt hätten und hätte eine düstere Ahnung geäußert: „Ich glaube, dass mein Leben hier im Gefängnis enden wird.“  Zwei Tage später war er tot.“  UZ

Menschenrechtsorganisationen  richten ihre Aufmerksamkeit auf den Missbrauch der Befugnisse von Polizei und Spezialeinheiten, sowie auf  die Anwendung von Gewalt gegen Inhaftierte. Migrant*innen, die sich auf der Flucht von totalitären Regimen nach Europa begeben um ihre Leben zu retten, werden in europäischen Gefängnissen unzulässig behandelt – was in einigen Fällen zum Tod von Gefangenen führt.

„Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“ Sebastian Kurz 13.01.2016

Ein 58-jähriger Ungar stirbt in Schubhaft in der Einzelzelle im Wiener Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände. Am Tag zuvor hatte er im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Rechtsberatung Besuch von einem Mitarbeiter der Diakonie erhalten. Dieser hat den Mann „in einem sehr schlechten Gesundheitszustand“ angetroffen. Er vereinbarte mit diesem Mann für den nächsten Tag einen weiteren Termin. Als er im PAZ eintraf wurde ihm mitgeteilt, dass er in der Früh gestorben sei.

„Laut Stephanie Krisper von den Neos gebe es Informationen, „die nahelegen, dass der Mann unter hygienisch höchst problematischen Umständen angehalten wurde“. Es stelle sich die Frage, „warum von Behördenseite nicht auf den Gesundheitszustand des Mannes umsichtig geachtet wurde“. Krisper und auch die Menschenrechtssprecherin von Jetzt, Alma Zadić, kündigten parlamentarische Anfragen an Justiz- und Innenministerium an.“ (derstandard.at)

Am 14. September 2009 starb ein indischer Schubhäftling nach einem Hungerstreik im Wiener PAZ Hernalser Gürtel an einem Herzinfarkt. Der 35-jährige Zelimkhan Isakov starb, zwei Tage bevor er nach Russland abgeschoben werden hätte sollen, am 27. September 2012 an einem Herzinfarkt in Schubhaft. Drei Amtsärzte und ein Psychiater mussten sich wegen fahrlässiger Tötung verantworten.

Viele tschetschenische Flüchtlinge, die aus verschiedenen Ländern nach Russland-Tschetschenien deportiert wurden, wurden anschließend getötet, gefoltert, eingesperrt und verschwanden spurlos.

„Sobald Menschenrechtler anfangen, sich um das Leben eines Menschen zu ’sorgen‘, endet dieses bald“, schreibt Kadyrow (web.de)

Ich möchte weitere Namen nennen: Zubairaev Bekhan wurde nach der Abschiebung aus Österreich 16 Jahre eingesperrt. Tamaev Khasan wurde vor fünf Monaten in Tschetschenien entführt. Sie werden einen „falschen Fall“ für ihn erfinden und ihn für immer ins Gefängnis schicken oder ihn töten.  Ramses starb im Landesgericht Josefstadt. Medizinische Versorgung wurde nicht zur Verfügung gestellt. Arslan Duzhiev, geboren 1973, hat sich im Abschiebe-Lager Traiskirchen erhängt. Er starb am 11.August 2010.

„Wir waren einer Meinung“, sagte Gudenus laut „Presse“ über das Treffen. „Der überwiegende Großteil der Asylanten sind Wirtschaftsflüchtlinge. Und wir konnten uns selbst überzeugen, dass keine Verfolgung seitens Kadyrows vorliegt“, so der stellvertretende FPÖ-Obmann. Johann Gudenus 7. Februar 2012

Der Diktator Ramsan Kadyrow regiert Tschetschenien seit 20 Jahren mit offener Gewalt. Menschen verschwinden spurlos und werden ermordet. Das Regime agiert dabei über die Grenzen des Landes hinaus. Tschetschenische Geflüchtete sind in ganz Russland in Gefahr und von systematischem Rassismus betroffen.

„Es gibt keine Anzeichen von Krieg oder Diskriminierung aus nationalen, religiösen oder ethnischen Gründen. Wir sind davon überzeugt, dass die Führung der Region auf soziale Probleme besondere Aufmerksamkeit richtet. Deshalb würden wir uns über eine Kooperation mit Tschetschenien freuen.“ Johann Hübner (FPÖ), 07.02.12

„Mittlerweile ist die FPÖ in den Verfassungsbogen zurückgekehrt“ Andreas Kohl (ÖVP), 15.05.2000

Deswegen kämpfen wir gegen die Deportationen von Geflüchteten in totalitäre Länder, in denen Tod und Folter auf sie warten. Leider sind wir mit der Verletzung und Missachtung der Menschenrechte von Gefangenen in europäischen Ländern mit entwickelten Demokratien und direkt in Österreich konfrontiert.

Wir gedenken heute Marcus Omufuma und allen, die durch Abschiebungen und rassistische  Polizeigewalt ermordet wurden. Heute müssen wir mehr denn je gegen die mörderische und rassistische Abschiebepolitik Widerstand leisten!

No border! No nation! Stop deportation“

„Der Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung, „wenn auch sehr zögerlich“. Man arbeite aber weiterhin gut zusammen, „auch wenn der Weg manchmal holprig ist“.“ derstandard.at über Sigrid Maurer 07.05.2021


 Titelbild: Roman Dietinger (Demonstration anlässlich des Todes von Ali Chaciev am 16.04.2021 in Wien)

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