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Atomwaffenverbotsvertrag

Weil es um Abrüstung und noch viel mehr geht.

Von Thomas Roithner

Am 22.1.2021 trat der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft. Er verbietet für die Vertragsstaaten, Kernwaffen zu entwickeln, zu erzeugen, zu erwerben, zu besitzen, zu lagern, weiterzugeben oder mit ihrem Einsatz zu drohen. Der Vertrag wurde 2017 von 122 Staaten angenommen und wird seither von immer mehr Staaten ratifiziert. Der Vertrag verstärkt einen überfälligen Diskussionsprozess. Nicht nur die Atomwaffenstaaten im UN-Sicherheitsrat bestimmen, sondern die Debatte wurde unter allen Staaten geführt. Ein Land – eine Stimme.

Die nuclear nine und ihre Verbündeten konnten den Wunsch nach einem Atomwaffenverbot nicht boykottieren – ein wichtiges Stück Demokratie in der internationalen Politik. Auch die Zivilgesellschaft war aktiv an Bord und ICAN hat dafür – stellvertretend für so viele Gruppen der Zivilgesellschaft – den Friedensnobelpreis erhalten. Aber es geht nicht nur um die Sicherheit für die Staaten, sondern ein „menschlicher Sicherheitsbegriff“ (human security) wird vermehrt debattiert. Sicherheit für die Menschen hat mit der ökologischen Dimension oder auch mit Gerechtigkeit zu tun und diese findet Eingang in den Vertrag (Hilfe für Oper und Umweltsanierung im Artikel 6). Gerade Corona hat uns gezeigt, wie wichtig menschliche Sicherheit auch jenseits der nationalstaatlichen Sicherheit ist.

Mehr als nur Symbolik

Kein Atomwaffenstaat und keiner ihrer Verbündeten hat den Vertrag bis dato ratifiziert. Die Kritik wirft dem Vertrag vor, er sei nur Symbolik. Wer den Brief der USA an ihre NATO-Partner gelesen hat, wird rasch bemerken, dass der Vertrag mehr als nur ein Symbol ist. Die USA übten auch politischen Druck auf Staaten aus, ihre Ratifikation zurückzuziehen. Warum, wenn der Vertrag angeblich nur Papier ist?

Finanzeinrichtungen beginnen, sich aus Atomwaffen-Projekten zurückzuziehen. Sie wollen keine neuen diesbezüglichen Geschäfte tätigen und alte Transaktionen nicht fortführen. Der Vertrag ist auch Basis dafür, dass Staaten die Durchfuhr von Atomwaffen untersagen. Und darüber hinaus wird über die Rolle von Atomwaffen im Rahmen des neu entstehenden europäischen Kampfflugzeugsystems debattiert. Das alles ist mehr als nur Symbolik.

EU ist uneinig

Vielen Staaten sind bereits Teil einer atomwaffenfreien Zone (Afrika, Süd- und Mittelamerika, Südpazifik, Zentralasien …) und in zahlreichen Staaten laufen die Ratifikationsprozesse. Nachzügler sind die europäischen Staaten. In der EU-27 haben nur die Neutralen Österreich, Irland und Malta bereits ratifiziert. 21 der 27 EU-Staaten sind auch NATO-Mitglieder.

Österreich hat also in der eigenen Wertegemeinschaft EU noch wenig Unterstützung gefunden. Emmanuel Macron will einen „strategischen Dialog über nukleare Abschreckung“ führen und die EU ist – wie so oft – uneinig. Die Friedensnobelpreisträgerin ICAN wird bei der Friedensnobelpreisträgerin EU noch viel Überzeugungsarbeit für den Atomwaffenverbotsvertrag leisten müssen.

Rolle Österreichs

Österreich stand beim Atomwaffenverbotsvertrag stets in der allerersten Reihe. Eine Basis des Vertrages ist der von Österreich getragene „humanitarian pledge“. Österreich war in den letzten Jahren auch mehrfach Gastgeber von Gesprächen zur Abrüstung und Rüstungskontrolle (JPCOA, NewSTART im Jahr 2020) und kann auf den Amtssitz der Atomenergiebehörde (IAEA) oder der nuklearen Teststopporganisation (CTBT PrepCom) verweisen. Mit dem Bundesverfassungsgesetz für ein atomfreies Österreich wird nicht nur die militärische, sondern auch die zivile Nutzung ausgeschlossen.

Wiener Konferenz 2022

Wien wird 2022 der Austragungsort für die erste Staatenkonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag und der österreichische Diplomat Alexander Kmentt wird die Konferenz als Präsident ausrichten. Auch Beobachterstaaten sind eingeladen. Diese Konferenz ist eine große Chance für die Zivilgesellschaft und die Wissenschaft, um mit diplomatischen Vertretungen ins Gespräch zu kommen und auf friedenspolitische Anliegen aufmerksam zu machen. Weil es beim Atomwaffenverbotsvertrag nicht nur um Abrüstung, sondern auch um menschliche Sicherheit und die Demokratisierung der internationalen Beziehungen geht.


Thomas Roithner, Friedensforscher, Privatdozent für Politikwissenschaft an der Universität Wien, Mitarbeiter im Internationalen Versöhnungsbund – Österreichischer Zweig mit Zuständigkeitsbereich Ziviler Friedensdienst und aktive Friedenspolitik, www.thomasroithner.at

Dieser Beitrag ist die Grußbotschaft des Autors zum Wiener Hiroshima-Gedenktag 2021. Der Hiroshima-Tag wird jedes Jahr von der Hiroshima-Gruppe am Wiener Stephansplatz veranstaltet wird. Mehr Grußbotschaften unter www.hiroshima.at

Titelbild: Unsere Zeitung – Hiroshima-Gedenken 2015 

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