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Fußball-WM alle zwei Jahre: ein Schritt in die völlig falsche Richtung

Die FIFA prüft, den Austragerhythmus von Fußball-Weltmeisterschaften der Männer von vier auf zwei Jahre zu verkürzen. Eine Idee, deren Umsetzungen auf mehreren Ebenen fatal wäre: Sie geht in die völlig falsche Richtung.

Ein Kommentar von Moritz Ettlinger

Die Reaktionen auf den Vorstoß der FIFA und ihrem Entwicklungsdirektor Arsene Wenger hätten deutlicher kaum ausfallen können. Von Bayerns Trainer Julian Nagelsmann über Liverpool-Coach Jürgen Klopp bis hin zu UEFA und CONMEBOL sind sich alle einig: Die Austragung einer Weltmeisterschaft alle zwei Jahre ist keine gute Idee.

Von „Quatsch“ sprach gar Bayern-Vorstand Hasan Salihamidzic, der Weltverband der Profiligen (WLF) macht sich Sorgen um „Wirtschaftlichkeit des Fußballs“ sowie um die „Gesundheit der Spieler“, und UEFA-Boss Aleksandar Ceferin griff gleich ins höchste Regal: „Dieser Plan würde den Fußball töten!“.

Kritik nur Heuchelei?

Dass Ceferin und die UEFA gegen den Vorschlag Wengers, den WM-Rhythmus von vier auf zwei Jahre zu verkürzen, Sturm rennen, liegt auf der Hand: Durch eine WM alle zwei Jahre würde naturgemäß die für die UEFA vor allem finanziell so wichtige Europameisterschaft an Stellenwert verlieren.

Gleichzeitig hat der europäische Verband aber erst kürzlich seine neue Champions-League-Reform vorgestellt, die neben einer Änderung des Formats auch eine Erhöhung der jährlichen Spiele von 125 auf 225 zur Folge hat, Mehreinnahmen in Millionenhöhe inklusive. Vor diesem Hintergrund wirken die Einwände der UEFA genauso wie der angedrohte Boykott mehr als heuchlerisch.

Auch die Kritik der Verantwortlichen Bayern Münchens ist nur schwer ernst zu nehmen. Salihamidzic spricht einerseits von zu hohen Belastung für die Spieler, Trainingslager in Katar und Testspiel-Reisen seines Vereins durch die ganze Welt im Sommer stellen für ihn aber offenbar kein Problem dar. Ähnlich verhält es sich mit Jürgen Klopps Arbeitgeber Liverpool, der regelmäßig im Sommer mit dem gesamten Team zu Werbezwecken in die USA fliegt.

Wenn es um die Gesundheit von Spielern geht, sollten die Vereine also zuallererst vor der eigenen Haustüre kehren. Und doch haben die genannten Personen inhaltlich recht: Eine WM alle zwei Jahre geht in die völlig falsche Richtung und ist gerade in Zeiten wie diesen eine Idee, die man nur dann haben kann, wenn einem die Profitgier endgültig zu Kopf gestiegen ist.

Warum will die FIFA das?

Profit, darum geht es der FIFA, wenn sie derartige Pläne verfolgt: Je öfter eine Weltmeisterschaft stattfindet, desto mehr Geld nimmt der Verband ein, vor allem durch den Verkauf von Marketing- und TV-Rechten.  

Wenn man sich die Finanzen der FIFA genauer ansieht, wird das umso deutlicher. Während in den Jahren 2015, 2016 und 2017 verhältnismäßig wenig Umsatz gemacht wurde und deutliche Verluste geschrieben wurden, kassierte der Verband 2018, im Jahr der WM in Russland, kräftig ab: 4,6 Milliarden Euro Umsatz standen da zu Buche, bei einem satten Gewinn von ca. 1,8 Milliarden Euro.

Weltmeisterschaften sind also die größte Einnahme- und vor allem Gewinnquelle für die FIFA. Die Rechnung scheint einfach: doppelte Anzahl an Turnieren ist gleich doppelter Gewinn. Was kann denn da noch dagegen sprechen?

Die Fußballverbände aus Asien (AFC) und Afrika (CAF) stehen den FIFA-Plänen jedenfalls positiv gegenüber – klarerweise aus Eigeninteresse. Sie erhoffen sich durch die Verdoppelung der Turnier auch höhere Chancen für die Teams des eigenen Kontinents, sich für eine WM-Endrunde zu qualifizieren.

„Die AFC hat die klare Ambition, dass die asiatischen Teams und Spieler durch Weltklasse-Wettbewerbe auf den größten Bühnen der Welt glänzen können“, legte der asiatische Verband in einem Statement offen, mit welchen – grundsätzlich legitimen – Hintergedanken er den Vorstoß von Wenger und FIFA-Präsident Gianni Infantino unterstützt.

Gesundheit muss vor gehen

Wenn man den Fußball und insbesondere Weltmeisterschaften allerdings nicht als Profitgenerierungsmaschine begreift, spricht einiges dagegen, eine WM alle zwei Jahre auszutragen.

Auf der einen Seite würde die Attraktivität des Turniers stark leiden. Weltmeisterschaften sind auch deshalb so besonders, weil sie eben nicht jedes Jahr oder alle zwei Jahre stattfinden, sondern nur alle vier. 

Arsene Wenger argumentierte seine Vorstoß unter anderem auch damit, dass die Fans „mehr wichtige Spiele“ wollen würden. Dass genau das durch eine häufiger stattfindende WM konterkariert werden würde, weil die Turnieren insgesamt an Bedeutung verlören, ist wohl noch nicht bis in die FIFA-Zentrale durchgedrungen.

Noch viel wichtiger aber, wie bereits von mehreren Seiten angesprochen: Die Gesundheit der Fußballer würde durch ein derartiges Projekt aufs Spiel gesetzt. Schon jetzt absolvieren viele 40, 50 oder 60 Spiele pro Jahr in Verein und Nationalteam, die Belastung steigt – übrigens auch dank Plänen der UEFA – immer weiter an. Den WM-Rhythmus jetzt zu verkürzen würde dieses Problem weiter verschärft werden.

Die Richtung, in die die FIFA geht, ist die völlig falsche: Es muss jetzt darum gehen, den Spielkalender auszudünnen, den Profis mehr Pausen zu geben und die Belastung drastisch zurückzudrehen. Das “immer mehr, immer weiter, immer höher”, das vor allem die Verbände und großen Klubs predigen, muss ein Ende haben.

Im Juli erklärte Entwicklungsdirektor Arsene Wenger seine Pläne im Interview mit dem kicker so: „Wir wollen die Zahl der Spiele reduzieren, das ist ganz wichtig, denn wir sehen ja den Zustand der Spieler.“ 

Vielleicht sollte sich der ehemalige Arsenal-Trainer lieber Sorgen um den Zustand seines Arbeitgebers und des Fußballs allgemein machen – und sich in Zukunft mit zynischen Statements wie diesem zurückhalten. Sonst ist der Fußball irgendwann wirklich tot.


Titelbild: Fauzan Saari auf Unsplash

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Moritz Ettlinger

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