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Gemeinnütziges Wohnen stärken – in ganz Europa

Leistbarer Wohnraum wird in Europa zunehmend zur Mangelware. Das gilt insbesondere für Großstädte, wenngleich in unterschiedlichem Ausmaß. Jüngere und/oder armutsgefährdete private Mieter*innen sind besonders betroffen. Der wesentlichste Lösungsansatz: mehr soziale und gemeinnützige Wohnungen.

Von Gerald Kössl (A&W-Blog)

Die Wohnkosten in der EU und Österreich steigen – zumeist deutlich über der Inflation

Blickt man auf die Entwicklung der Häuser- und Wohnungspreise, so zeigt sich, dass insbesondere in den vergangenen Jahren die Preisdynamik am Immobilienmarkt stärker ist als die allgemeinen Preissteigerungen. Während die Häuser- und Wohnungspreise in der EU in den Folgejahren der Finanzkrise 2007/08 bis 2013 noch nach unten zeigten, so stiegen diese danach rapide an und erreichen seit 2016 jährliche Zuwachsraten jenseits der vier Prozent. Der Anstieg der Häuser- und Wohnungspreise im vergangenen Jahr (2019 auf 2020) stieg auf ein neues Hoch von +5,5 Prozent.

Im europäischen Vergleich sticht Österreich dadurch heraus, dass die Häuser- und Wohnungspreise auch nach der Finanzkrise nie zurückgingen und im vergangenen Jahrzehnt die Anstiege überdurchschnittlich hoch waren. Auch aktuell liegt die Teuerungsrate bei Immobilien in Österreich mit +7,7 Prozent von 2019 auf 2020 wieder deutlich über dem EU-Durchschnitt. Obwohl kein Index für die Entwicklung der Immobilienpreise für Europas Städte existiert, zeigen länderspezifische Untersuchungen, dass die Preisanstiege insbesondere in den Städten besonders stark waren. So zeigte etwa eine kürzlich von der TU Wien im Auftrag der AK durchgeführte Fallstudie die teils überbordend hohen Wohnkosten in fünf europäischen Städten auf.

Grafik: Entwicklung der Häuser- und Wohnungspreise
Grafik: A&W-Blog

Insgesamt sind die Preise für Häuser und Immobilien in der EU im Zeitraum 2010 bis 2020 um 26 Prozent gestiegen, in Österreich sogar um 78 Prozent. Im Vergleich wirken die Anstiege der Mieten in der EU mit 14 Prozent noch moderat. Allerdings gibt es auch bei den Mieten starke regionale und sektorale Schwankungen. Ganz besonders angestiegen sind die Mieten in Städten. In Wien sind etwa die privaten Mieten zwischen 2010 und 2020 um 49 Prozent gestiegen, in ganz Österreich um 41 Prozent (Statistik Austria, Mikrozensus 2020). Die Höhe der Wohnkosten betrifft auch unterschiedliche Haushalte unterschiedlich stark.

Wen trifft die Wohnungskrise am stärksten?

Eine gängige Methode zur Bestimmung der Wohnkostenbelastung ist es, das verfügbare Haushaltseinkommen in Relation zu den Wohnkosten zu setzen. Eurostat definiert einen Haushalt als „überbelastet“, wenn dieser mehr als 40 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Wohnen ausgibt. Dieser Definition zufolge zeigt sich, dass einige Gruppen besonders von hohen Wohnkosten betroffen sind: private Mieter*innen, jüngere Personen, städtische Bewohner*innen und armutsgefährdete Personen. In Europas Städten – wo es überdurchschnittlich viele Mieter*innen gibt – ist die Situation besonders akut: Fast 12 Prozent aller städtischen Haushalte in der EU sind überbelastet, die Überbelastungsquote unter privaten Mieter*innen liegt sogar bei 24 Prozent.

Grafik: Wohnkostenüberlastung in der EU 2019
Grafik: A&W-Blog

Der Wohnungsmarkt als „Motor der Ungleichheit“

Das rasche Ansteigen der Immobilienpreise in Kombination mit der Überbelastung speziell der privaten Mieter*innen hat aber auch zu Wohlstandsverschiebungen geführt. Während auf der einen Seite Immobilienbesitzer*innen über die letzten Jahre zum Teil beträchtliche Vermögenszuwächse erfahren haben, mussten auf der anderen Seite private Mieter*innen immer größere Teile ihres Einkommens für Wohnkosten ausgeben, was die Kaufkraft schwächt und wenig Möglichkeiten für einen Vermögensaufbau zulässt. Der Wohnungsmarkt kann demnach zunehmend als ein „Motor der Ungleichheit“ beschrieben werden.

Soziale und gemeinnützige Wohnungsanbieter*innen als Lösungsansatz

Die Tatsache, dass die Wohnungskrise mittlerweile weitreichende soziale und wirtschaftliche Verwerfungen hervorbringt, zeigt sich an einer Vielzahl an Studien und Handlungsempfehlung von diversen namhaften Organisationen, wie etwa der OECD, dem IWF, UNECE bzw. von EU-Institutionen. So wird etwa in einer OECD-Publikationsreihe zum Thema Wohnen mehrfach auf die negativen gesamtökonomischen Auswirkungen eines fehlenden Angebots von leistbaren Wohnungen hingewiesen. Diese reichen von der eingeschränkten Arbeitskräftemobilität bis hin zu reduzierter Kaufkraft und Finanzmarktrisiken im Zusammenhang mit erhöhter Verschuldung bei der Aufnahme von Wohnkrediten. Das österreichische Modell der Wohnungsgemeinnützigkeit wurde in diesem Zusammenhang von der OECD sogar bereits als ein Vorzeigemodell empfohlen.

Soziale bzw. gemeinnützige Wohnungsanbieter können gerade in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte eine bedeutende ökonomisch stabilisierende und sozial integrative Funktion ausüben. Das Ausmaß hängt stark von deren Anteil und Stellung in den jeweiligen Wohnungsmärkten ab.

Soziale Wohnungsanbieter zu erfassen wird durch ihre vielfältige Zusammensetzung aus kommunalen, gemeinnützigen, genossenschaftlichen oder sonstigen Non-Profit-Organisationen und deren von Land zu Land sehr unterschiedliche Ausrichtung erschwert. Versucht man dennoch eine Zusammenfassung all dieser Akteur*innen mit nicht-gewinnorientierten Mietwohnungsbeständen, so sieht man, dass die Länder mit den größten Anteilen am Wohnungsmarkt – aktuell etwa Dänemark und Österreich, historisch die Niederlande – ihre Wohnungspolitik auf breite Bevölkerungsschichten ausgerichtet haben. Bis heute werden dort zwischen 21 Prozent und 29 Prozent aller Haushalte von nicht-gewinnorientierten Anbietern wohnversorgt. Sehr geringe soziale Mietwohnungsbestände weisen hingegen viele süd- und osteuropäische Länder auf. In diesen Staaten konnten sich entweder die Anbieter nie etablieren oder deren Bestände wurden (v. a. in Osteuropa) nach dem Fall des Eisernen Vorhangs privatisiert.

Grafik: Gemeinnützige und kommunale Wohnungsbestände in Europa
Grafik: A&W-Blog

Aber auch in vielen westeuropäischen Ländern kam es in den vergangenen Jahrzehnten zu weitflächigen Privatisierungen, wie etwa in Großbritannien und in Deutschland. Die schrumpfenden sozial gebundenen Wohnungsbestände haben den Mangel an leistbaren Wohnungen zusätzlich verschärft – die Auswirkungen dieser Privatisierungen zeigen sich nun in Zeiten der angespannten Wohnungsmärkte besonders deutlich. Erste Gegenbewegungen finden bereits statt, wie etwa der Volksentscheid zur Rekommunalisierung ehemals gemeinnütziger Wohnunternehmen in Berlin.

Der österreichische Weg der Wohnungspolitik macht sich bezahlt

Hierzulande hielt man auch über die vergangenen Jahrzehnte auf Investitionen in den Wohnbau – und vor allem am Modell der Wohnungsgemeinnützigkeit – fest. Das macht sich gerade aktuell bezahlt – und zwar sowohl für Haushalte als auch für die öffentliche Hand. So geben Haushalte im gemeinnützigen Wohnbau gegenüber privaten Miethaushalten in etwa 160 Euro pro Monat weniger für Wohnkosten aus. Im Neubau ist der Kostenvorteil noch viel deutlicher ausgeprägt. Die positiven volkswirtschaftlichen Effekte daraus belaufen sich auf rund 1,2 Mrd. Euro jährlich und resultieren unter anderem in höheren Konsumausgaben. Hinzu kommen Einsparungen der öffentlichen Hand aufgrund des geringeren Bedarfs an Wohnbeihilfen.

Auch aus ökologischer Hinsicht ist der gemeinnützige und soziale Wohnbau in Österreich Vorreiter. GBV-Mieter*innen verursachen rund 70 Prozent weniger heizungsrelevanten CO2-Ausstoß als der österreichische Durchschnittshaushalt. Dies ergibt sich aus einer Kombination aus höherer Energieeffizienz, kompakteren Wohnformen und einem besseren Energiemix im gemeinnützigen Wohnbau (Stichwort: Fernwärme).

Fazit und Lösungsvorschläge

Die Klimakrise und die Wohnungskrise bzw. die daraus resultierenden Ungleichheiten sind einige der zentralen Herausforderungen unserer Zeit. Um diese gewaltigen Aufgaben zu bewältigen, können gemeinnützige und kommunale Wohnungsanbieter einen wichtigen Beitrag leisten – sowohl was die Erreichung der Klimaziele als auch den sozialen Ausgleich am Weg dorthin betrifft.

Drei Maßnahmen, die mir besonders wichtig erscheinen, um den gemeinnützigen Wohnbau in Europa und Österreich zu stärken:

  • Nachhaltige Investitionen in den leistbaren Wohnbau statt der Subventionierung von privaten Vermieter*innen mittels Wohnbeihilfen. Investitionen in gemeinnützigen Wohnbau sind Investitionen in die gesellschaftliche Infrastruktur – und kommen auch kommenden Generationen zugute.
  • Stärkung gemeinnütziger und genossenschaftlicher Strukturen in Europa. Revolvierende Systeme innerhalb der Förderung und der Unternehmen stellen sicher, dass erwirtschaftetes Vermögen nicht an einige wenige Eigentümer*innen oder Aktionär*innen ausbezahlt, sondern langfristig reinvestiert wird.
  • Schaffung der nötigen finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umrüstung der Heiz- bzw. Energiesysteme unter Berücksichtigung sektorspezifischer Ansätze. Während bei manchen Gebäuden noch die thermische Sanierung im Vordergrund steht, ist die Herausforderung von gemeinnützigen Bauträgern in Österreich derzeit die Umstellung der Energiequellen. Der Mehrgeschoßwohnbau bietet aufgrund seiner kompakten Strukturen viele Skaleneffekte bei der Ausrollung von Energiemaßnahmen und diese sind daher einfacher großflächig umsetzbar.

Dieser Beitrag wurde am 18.11.2021 auf dem Blog Arbeit & Wirtschaft unter der Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0 veröffentlicht. Diese Lizenz ermöglicht den Nutzer*innen eine freie Bearbeitung, Weiterverwendung, Vervielfältigung und Verbreitung der textlichen Inhalte unter Namensnennung des*der Urheber*in sowie unter gleichen Bedingungen.

Titelbild: wal_172619 auf Pixabay

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