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La Trocha, ein Bier für den Frieden

Kolumbien: Die ehemaligen FARC-Mitglieder setzen mit ihrem Projekt „La Trocha“ auf eine gewaltfreie, demokratische und gerechte Gesellschaft.

Von Zenaida Espinosa Cabrera und Stephania Aldana Cabas (Pressenza)

Das La Trocha-Bier ist ein produktives Projekt, das 2019 nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens und der Wiedereingliederung ehemaliger FARC-Mitglieder in die Zivilgesellschaft im Jahr 2016 entstand. Die Teilnehmer dieses Projekts riefen das handwerklich hergestellte Getränk ins Leben, von dem heute etwa 3.000 Liter pro Monat verkauft werden.

Außerdem ist die Herstellung dieses Bieres das Ergebnis einer kollektiven Anstrengung für den Frieden. Aus diesem Grund bemühen sich die zehn ehemaligen Kombattant*innen, die in die Zivilgesellschaft zurückgekehrt sind, seit 2020 darum, ihr Produkt über soziale Netzwerke und in der Casa de la Paz im Stadtteil Chapinero in Bogotá zu vermarkten.

Hier erinnert sich Doris Suárez, eine ehemalige Kämpferin, die das Projekt leitet und ihre neun Kameraden vertritt, an ihre Zeit in der FARC als den Ort, an dem „ich geboren und aufgewachsen bin und ich glaube, dass ich hier sterben werde, denn wir haben immer kollektiv gedacht: Ich bin, was ich bin, wegen der anderen. Wir glauben an kollektive Anstrengungen und an die Bündelung der Kräfte“.

Dieses Projekt, das zu den 3.660 genehmigten Initiativen gehört, die nach Angaben der Agentur für Wiedereingliederung und Normalisierung (ARN) 7.768 Ex-Kombattanten zugutegekommen sind, war ein Schlüsselelement der Feierlichkeiten zum fünften Jahrestag der Unterzeichnung des Friedensabkommens zwischen der kolumbianischen Regierung und der ehemaligen FARC-Guerilla am 24. November 2021.

Während der Gedenkveranstaltung stießen der ehemalige kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos und der ehemalige FARC-Führer Rodrigo Londoño mit einem „La Trocha“-Bier auf die Umsetzung des Friedensabkommens an.

La Trocha, ein Bier für den Frieden
Casa de la Paz, Bogotá / Das Haus des Friedens, Bogotá.

Vor diesem symbolischen Bild wies Raúl Rosende, Mitglied der UN-Mission in Kolumbien, darauf hin, dass „in keinem anderen Friedensabkommen der Welt so große Fortschritte bei der Harmonisierung von Frieden und Gerechtigkeit auf der Grundlage der Entschädigung der Opfer erzielt wurden. Dies ist der Beitrag Kolumbiens zur Konfliktlösung in der Welt“.

Aus diesem Grund nahm Pressenza Kontakt zu Doris Suárez auf, einem der Mitglieder des Projekts „La Trocha“, um mit ihr und ihren Kolleg*innen über das Projekt und seine Bedeutung als Engagement für den Frieden und die Rückkehr ins zivile Leben zu sprechen.

Pressenza: Wer ist Doris Suárez und welche Rolle spielte sie in der inzwischen aufgelösten FARC?

Doris Suárez (D.S.): Ich bin eine Unterzeichnerin des Friedens, die dank des Friedensabkommens befreit wurde. Wie viele andere wurde ich durch die systematische Ermordung von Mitgliedern der Patriotischen Union (UP) gezwungen, mich der Guerilla anzuschließen. Der kolumbianische Staat ist für diesen politischen Völkermord verurteilt worden.

Ich war außerdem 15 Jahre Soldatin und verbrachte 14 Jahre aus politischen Gründen im Gefängnis, nachdem ich zu 40 Jahren Haft verurteilt worden war.

Welche Erwartungen haben Sie nach der Unterzeichnung des Friedensabkommens an das kolumbianische Volk und die Regierung?

Von der derzeitigen Regierung erwarte ich nichts. Sie hat bereits gezeigt, dass ihr Interesse für die Umsetzung des Abkommens nur verbal ist, denn die Fakten widersprechen dem.

Wir hoffen jedoch, dass das kolumbianische Volk das Friedensabkommen besser kennenlernt, es zu schätzen weiß und verteidigt. Denn es kommt der großen Mehrheit zugute, die von dem bewaffneten Konflikt betroffen war und durch ihn ausgeschlossen wurde.

Wie wurde das Projekt des La Trocha-Bieres geboren?

La Trocha Craft Beer entstand dank der Großzügigkeit und des sozialen Engagements der Gebrüder Helo, die uns anboten, uns das Brauen von Craft Beer beizubringen und uns ihre Anlage für unsere Ausbildung zur Verfügung zu stellen.

Danach kam die Nationale Universität zu uns, die für dieses Projekt von grundlegender Bedeutung war, da sie uns das Extrahieren von Ölen und Essenzen beibrachten. Sie gaben uns außerdem einen Diplomkurs in handwerklichem Brauen. Auch der Nationale Lehrlingsdienst (SENA) hat uns einige Workshops gegeben.

Wie viele ehemalige Kombattant*innen sind an dem Projekt beteiligt und wie viele Familien leben davon?

Wir sind ein Non-Profit-Unternehmen, das sich aus 10 Friedensunterzeichner*innen zusammensetzt. Ich bin die einzige Frau im Team.

Mehr als 15 Familien hängen, durch direkte und indirekte Arbeitsplätze, von La Trocha ab.

Standen die Ex-Kombattant*innen, die an diesem Projekt beteiligt sind, auf derselben Seite?

Die meisten der früheren FARC-Mitglieder in diesem Projekt sind ehemalige politische Gefangene, und wir haben uns im Gefängnis kennengelernt. Drei meiner Kolleg*innen lernten wir bei der Unterzeichnung des Friedensabkommens kennen.

Als ein handwerklich gebrautes Getränk, was sind die Charakteristika des Bieres, gibt es verschiedene Geschmacksrichtungen und/oder Größen?

Wir haben zwei Sorten, ein Porter Ale (hochvergoren, trocken und mit einem Alkoholgehalt zwischen 4,5 und 5,5 %) und ein Weizenbier mit Passionsfrucht.

Beide Biere sind in 330 ml Einwegflaschen mit Invima-Registrierung erhältlich.

In welchen Städten sind die beiden Biere erhältlich?

Im Moment sind wir in Bogotá, Medellín, Cali und Neiva.

Gemäß der Vereinbarung zwischen der Regierung und den Ex-Kombattanten: Wie beurteilen Sie die Unterstützung des „Cerveza la Trocha“-Projekts und den Schutz der Ex-FARC, die ins zivile Leben zurückgekehrt sind?

Die Vereinbarung ist umfassend und hat die Integrale Reform als Grundstein, von der noch nicht einmal 20 % erfüllt sind.

Es ist daher wichtig, sich vor Augen zu halten, dass sich die Mehrheit der ehemaligen Kämpfer auf dem Land befindet, und diese Nichteinhaltung betrifft das Recht auf Leben, die Nichteinmischung in tertiäre Straßen, die fehlende Festlegung des Landbesitzes und andere Verpflichtungen, die nicht erfüllt worden sind. Das macht es für uns Ex-Kombattanten teurer und schwieriger, die von uns verkauften Produkte zu vermarkten.

Welche Auswirkungen oder Folgen könnte dieses Projekt Ihrer Meinung nach in Zukunft für die ehemaligen Kämpfer haben?

Wir hoffen, dass es zu einer Institution der Beharrlichkeit, der Hartnäckigkeit und der Unterstützung der Zivilgesellschaft bei der Umsetzung des Friedensabkommens wird. Aus diesem Grund sind wir beim Bezirksinstitut für Tourismus registriert und hoffen, dass die Einwohner von Bogotá und Touristen das Haus des Friedens in Bogotá und das Haus der Erinnerung in Medellín, Antioquia, besuchen werden.

Welche zukünftigen Projekte haben Sie für „La Trocha“ geplant, wenn Covid-19 vorbei ist?

Unser Ziel ist es, uns auf nationaler Ebene zu etablieren und auf dem internationalen Markt Fuß zu fassen, denn im Ausland interessieren sich bereits einige Leute für unser Produkt und die Geschichte hinter diesem Projekt.

Wird Ihr Projekt derzeit von der nationalen Regierung unterstützt?

Überhaupt nicht. Außer einigen Einladungen der Agentur für Wiedereingliederung und Normalisierung (ARN) zu einigen Veranstaltungen zur Vermarktung unserer Produkte.

Glauben Sie als ehemalige Landwirtin und jetzige Unternehmerin, dass diese Art von Initiativen, die als Ergebnis des Friedensabkommens entstanden sind, dazu beitragen, Wege der Versöhnung und der Chancen zu schaffen und die kolumbianische Gesellschaft gerechter und demokratischer zu machen?

Natürlich tun sie das. Es werden Wege des Friedens und der Versöhnung geschaffen, weil sie ein Beweis für unser Engagement bei der Umsetzung sind. Außerdem konnten wir so mit verschiedenen Bereichen der Zivilgesellschaft in Kontakt treten, denen wir sehr dankbar sind, dass sie unsere Produkte kaufen und uns vor allem in der Casa de la Paz besuchen.

Und eine gerechtere Gesellschaft werden wir nur dann erreichen, wenn es zu einem radikalen Wandel in der Wirtschaftspolitik kommt, der es uns ermöglicht, die enorme Ungleichheit in unserem Land zu beseitigen.

Wo können Leute, die dieses Produkt kaufen möchten, mit Ihnen Kontakt aufnehmen oder können sie es in einem bestimmten Geschäft kaufen?

Man kann uns in unserem Hauptsitz in der Carrera 13 # 36-37 in Bogotá besuchen, und auf Google und über Facebook, Instagram oder Twitter als @LaTrochaCerveza suchen. Herzlich willkommen!

Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Tillmann Iwersen vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt. Freiwillige gesucht!


Dieser Beitrag erschien auf pressenza.com, Kooperationspartner von Unsere Zeitung.

Titelbild: Stephania Aldana Cabas

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