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Das Finanzsystem und die sozial-ökologische Transformation

Wie wär’s mit mehr Transparenz über die Wirkung von Finanzkapital? Das fragt sich die Transformationsforscherin Maja Göpel. Sie ist Mitglied des Club of Rome, hat zwei Bestseller geschrieben und kann uns wahrlich als kompetente Instanz zu dieser Frage gelten.

Ein Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster

Menschen, die sich heute fragen, wo denn nun die Schuld an dem sich langsam dahinschleppenden Fortschritt in Richtung „nachhaltige Entwicklung“ liege, weist Maja Göpel darauf hin, wie wichtig es sei, wahre Pionier*innen des Wandels zu erkennen, deren Innovationswille ernsthaft und deren Angebote zukunftstauglich sind. Es sei höchst an der Zeit politische Verantwortung einzufordern, Regeln mit besserer Lenkungswirkung und entsprechende Kontrolle, damit wir schneller in die Veränderung kommen. Greenwashing ist absolut das Letzte, das wir jetzt brauchen!

Aber ohne eine globale Governance-Instanz für die globalisierten Märkte sei es zurzeit unmöglich eine verlässliche Dynamik in Richtung sozial-ökologische Transformation zu bringen. Daher sei es wohl klug, sich mit regionalen Lösungsansätzen zu beschäftigen. Es gehe hier zunächst um Finanzmarktmechanismen, die in Richtung nachhaltige Wirtschaftsweise in der EU umgepolt werden sollen. Eine europäische Trendwende, insofern, als mit der europäischen Taxonomie für nachhaltige Investitionen jetzt neue Regeln für die Banken festgelegt worden sind (2022). Sicher fehle hier noch eine unabhängige, öffentliche und demokratisch legitimierte Institution, die gezielt außerhalb von Profitabilität operiert, d.h. die sich auf Wagnisreformen hin zu wirklich sozialen und ökologischen Transformationen spezialisiert. (Könnte es sein, dass in einer Übergangszeit die Etablierung der langjährigen Forderung nach dem Bedingungslosen Grundeinkommen die Sache erleichtert? Anmerkung der Autorin)

Nach den echten Werten, die die Gesellschaft jetzt braucht, gefragt, bezieht sich Maja Göpel auf den OECD Better Life Index, eine Synthese vieler Studien zu den Bedingungen, unter denen Menschen sich als zufrieden äußern, die Zutaten für ein ‚Gutes Leben‘, Sozialkapital, „Wellbeing“ sozusagen. Diese Bedingungen würden sich auch mit vielen Zielen in den UN-Nachhaltigkeitsstrategien (SDGs) decken. Sie böten einen Kompass dafür, welche messbaren Werte, auch objektive Wohlergehensfaktoren genannt, gesichert oder entwickelt werden sollten. Das reiche von Gesundheit und gesichertem Einkommen, über saubere Luft und Wasser bis zu Bildungsständen, Arbeitsverhältnissen, Sicherheit, aber auch „work-life-balance“.

Wenn wir nun dieses Sozialkapital zusammen mit dem Natur- und dem Humankapital näher ins Auge fassten, dann würden wir erkennen, dass es genau das ausmacht, was wir ganz allgemein unter „Handel und Wirtschaft“ verstehen. Real gesehen habe also das Finanzkapital keinen eigenen Nutzwert, es sei eine soziale Technik, die nur durch Staaten überhaupt erst existieren kann. Ich frage mich: Hängt es dann nicht letztlich von transparenten, politischen Rahmenbedingungen ab, die Bürgerinnen und Bürger erkennen lassen, ob und wie der Staat eine Politik verfolgt, die uns den übergeordneten Nachhaltigkeitszielen näherbringen kann? 

Wie müssten wir also den nötigen ‚Wandel der Finanzbranche‘ erzählen, damit er in der öffentlichen Debatte als Chance wahrgenommen wird? Wie z.B. könnten Abgeordnete zum Parlament einen höheren Wirkungsgrad erreichen, würden sie die Indikatoren zu einer wirklich zukunftstauglichen Nachhaltigkeitsstrategie als Referenzpunkte in die Haushaltsdebatten nehmen, um so deutlich aufzuzeigen, wie die Mittel allokiert werden und welche Maßnahmen zur jeweiligen Zielerreichung konkret geplant sind.

Könnte so ein Vorgehen den Fokus – auch in der medialen Berichterstattung – nicht wesentlich in eine neue Richtung treiben: diese Transformation als Chance statt als Desaster zu sehen?


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Titelbild: micheile henderson auf Unsplash

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