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Start der Herbstlohnrunde: Warum der Metaller-KV für uns alle wichtig ist

Mit den Gesprächen um den Kollektivvertrag für die Metallindustrie beginnt Jahr für Jahr die Herbstlohnrunde. Aber was wird da überhaupt verhandelt und warum ist der Metaller-KV wichtig für alle Arbeitnehmer:innen in Österreich? Und was passiert mit den Löhnen, wenn alles teurer wird? Wir geben dir einen Überblick.

Von Andreas Bachmann (MOMENT)

Was ist die Herbstlohnrunde?

In der Herbstlohnrunde werden Lohnerhöhungen verhandelt. Oft wird die Herbstlohnrunde auch Metaller-Lohnrunde genannt. Die Arbeitnehmer:innen (genauer: ihre Vertreter:innen der Gewerkschaft) verhandeln mit der Arbeitgeberseite der metallverarbeitenden Industrie einen neuen Kollektivvertrag. Für die Arbeitnehmer:innen sitzen die Produktionsgewerkschaft PRO-GE und die Gewerkschaft der Privatangestellten GPA am Verhandlungstisch. Ihnen gegenüber nehmen die entsprechenden Fachverbände der Wirtschaftskammer Platz. Sie verhandeln, wie stark die Löhne des Metaller-KV im kommenden Jahr steigen.

Warum ist die Herbstlohnrunde wichtig?

Jedes Jahr werden Hunderte Kollektivverträge neu verhandelt. Der Kollektivvertrag der Metaller ist besonders wichtig. Er gilt als richtungsweisend für andere Branchen, ist er doch der erste Kollektivvertrag, der im Herbst verhandelt wird. In der gesamten Metall-Branche arbeiten rund 190.000 Menschen. Und: Wer in der Metall-Industrie arbeitet, ist  besonders stark gewerkschaftlich organisiert. Das ist auch ein Grund, warum die Gehälter in der Metalltechnischen Industrie, der größten Gruppe der Branche, relativ hoch sind. Der im Kollektivvertrag festgelegte Mindestlohn beträgt seit dem 1. November 2022 knapp 2.235 Euro. Der neue Kollektivvertrag für das metalltechnische Gewerbe trat am 1. Jänner dieses Jahres in Kraft.

Wie laufen die Verhandlungen ab?

Die Lohnverhandlungen starten, wenn die beteiligten Gewerkschaften ihre Forderungen in der Wirtschaftskammer vorlegen. Kurz darauf präsentieren die Gewerkschaften öffentlich, um wieviel die Löhne für die Beschäftigten ihrer Ansicht steigen sollten. Die Seite der Arbeitgeber:innen präsentiert ihr „Gegenangebot“. Danach wird in meist mehreren Verhandlungsrunden gerungen, wie stark die Löhne im kommenden Jahr steigen. Am Ende steht immer ein Kompromiss zwischen dem, was Gewerkschaften fordern und die Industrieverbände bereit sind, Mitarbeiter:innen der Branche mehr zu zahlen.
Was fordern die Arbeitnehmer:innen in der Herbstlohnrunde?

Offiziell vorgestellt werden die Lohnforderungen der Metaller am Montag, den 25. September 2023. Die Verhandlungen danach dürften hart werden. Denn durch die Rekordinflation der vergangenen Jahre haben die Löhne der Beschäftigten enorm an Kaufkraft verloren. Seit Anfang 2020 stiegen die Preise um knapp 22 Prozent. Die Löhne konnten mit diesem Tempo nicht mithalten. Sie wuchsen in derselben Zeit nur um 15,5 Prozent. Heißt: Trotz steigender Löhne, können sich die Beschäftigten immer weniger leisten.

Was ist in diesem Jahr anders?

Die Inflation ist in Österreich noch immer hoch. Im Juli 2023 betrug die Teuerung 7 Prozent. Österreich ist damit in der Eurozone im Spitzenfeld. Die Preise für Haushaltsenergie zogen sogar um 18,3 Prozent an. Nirgendwo in der EU sind die Preise für Erdgas und Fernwärme so stark gestiegen wie in Österreich. Das spüren alle Arbeitnehmer:innen. Sie können sich immer weniger leisten. Seit Anfang 2020 sank die Kaufkraft der Bezieher:innen kollektivvertraglicher Mindestlöhne um 5,1 Prozent. Im Oktober 2022 betrug dieser Kaufkraftverlust sogar 8,1 Prozent. Die höheren Löhne ab Anfang 2023 konnten das nur zum Teil ausgleichen.

Woran orientiert man sich, wie stark Löhne steigen sollen?

Was Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen fordern, schütteln sie nicht einfach so aus dem Ärmel. Sie orientieren sich einerseits an der Inflationsrate. Aber auch daran, um wie viel produktiver Arbeitnehmer:innen Waren herstellen und Dienstleistungen erbringen. Das ist die sogenannte Benya-Formel. Sie ist benannt nach dem Gewerkschafter und früheren ÖGB-Chef Anton Benya. Seit Anfang der 1970er Jahre orientieren Gewerkschaften ihre Lohnforderungen an der „Benya-Formel“. Laut Zahlen der Statistik Austria stieg die Produktivität je geleisteter Arbeitsstunde zwischen Juni 2021 und Juni 2022 um mehr als 10 Prozent. Seit 2015 arbeiten die Arbeitnehmer:innen in Österreich um mehr als 20 Prozentpunkte produktiver.

Braucht es höhere Löhne?

Steigen die Löhne nicht, können sich Arbeitnehmer:innen für ihren Lohn immer weniger leisten. Denn gleichzeitig steigen die Mieten, werden Lebensmittel teurer und explodieren die Kosten für Strom und Heizen geradezu. Um mit dieser Teuerung Schritt zu halten, müssen auch die Löhne regelmäßig steigen. Der sogenannte Reallohn ergibt sich daraus, wie stark der Lohn nominell steigt und wieviel der Lohnerhöhung die Teuerung abzwackt.Problem: Die Löhne halten mit den gestiegenen Preisen der vergangenen Jahren nicht mehr mit. Sie orientiert sich an der Inflation der zurückliegenden 12 Monate – und zwar von September 2022 bis September 2023. Treten die höheren Löhnen aber erst am 1. Jänner 2024 in Kraft, sind die Preissteigerungen bis zum Jahreswechsel gar nicht berücksichtigt. Gerade in Zeiten hoher Inflation geht die Schere zwischen Preisen und Löhnen immer weiter auf.

Heizen höhere Löhne die Inflation an?

Die Zahlen zeigen: Über die vergangenen Jahre verloren Arbeitnehmer:innen real an Lohn. Ihre Lohnsteigerungen hielten bei weitem nicht Schritt mit der stattfindenden Teuerung. Höhere Löhne waren daher keine Preistreiber. Unternehmen dagegen schreiben teilweise Rekordgewinne aufgrund der gestiegenen Preise. Viele erhöhen ihre Preise sogar weit mehr als ihre Kosten steigen – und setzen damit eine Profit-Preis-Spirale in Gang. Diese „Gierflation“ heizt die Teuerung dann weiter an. 

Dazu kommt: Die geforderten Lohnerhöhungen orientieren sich an der Inflation der vergangenen 12 Monate. Löhne werden also immer erst zeitverzögert an gestiegene Preise angepasst. Und das kann dauern: Erhöht ein Unternehmen die Preise, dauert es bis zu 1,5 Jahre bis auch die Löhne der Beschäftigten entsprechend steigen.

Anmerkung: Der Artikel wurde erstmals am 16. September 2022 veröffentlicht und im September 2023 mit neuen Daten aktualisiert.


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