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Welttag für psychische Gesundheit: Noch viel zu tun in Österreich

Organisationen und Verbände fordern einen Ausbau der Kassenplätze für Psychotherapie und appellieren an die politisch Verantwortlichen, das Thema psychische Gesundheit ernst zu nehmen. Kinder und Jugendliche sind besonders gefährdet.

Psychische Gesundheit ist ein Menschenrecht. Daran soll der heutige „Welttag für psychische Gesundheit“ erinnern. Ins Leben gerufen im Jahr 1992 vom Weltverband für psychische Gesundheit (WFMH) gemeinsam mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dient er außerdem der Information über psychische Erkrankungen und hat zum Ziel, die Aufmerksamkeit auf die mentale Gesundheit von Menschen weltweit zu lenken.

„Wir brauchen einen großen Wurf“

Der Wiener Landesverband für Psychotherapie (WLP) fordert aus diesem Anlass mehr Plätze für Psychotherapie in Österreich. „Während in vielen Ländern das Leben zu einem Anschein von Normalität zurückkehrt, so hinterlässt die Pandemie, wie zahlreiche Studien zeigen, erhebliche Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Menschen, sagt Leonore Lerch, Vorsitzende des Landesverbandes.

20.000 zusätzlichen Kassenplätze für Psychotherapie sollen in Österreich bis Ende des Jahres entstehen, die Österreichische Gesundheitskasse peilt einen Versorgungsgrad von 1,2 Prozent der Bevölkerung an. Viel zu wenig, kritisiert der WLP, in der Schweiz und in Deutschland sei der Versorgungsgrad doppelt so hoch. „Wir brauchen statt kleiner ‚Fleckerl-Lösungen‘ einen großen Wurf für die Psychotherapie, der sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen kann“, so Lerch.

Dabei stünden ausreichend bestens ausgebildete Psychotherapeut:innen für den anfallenden Behandlungsbedarf zur Verfügung, hält der Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) in einer Aussendung fest. „Die Mangelversorgung liegt schlichtweg an der Kontingentierung der kassenfinanzierten Psychotherapieplätze sowie den schlechten Rahmenbedingungen für die ausführenden Kolleg:innen.“

„Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die psychische Gesundheit der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen“, sagt ÖBVP-Präsidentin Barbara Haid. „Denn es gibt keine Gesundheit ohne psychische Gesundheit!“

Kinder und Jugendliche besonders gefährdet

Scharfe Kritik am österreichischen Gesundheitssystem übt auch SOS Kinderdorf. Vor allem bei Kinder und Jugendlichen sei die Situation dramatisch. „Das Gesundheitssystem ist mit der Situation völlig überfordert“, sagt Geschäftsführer Christian Moser. „Es gibt viel zu wenig stationäre Plätze für erkrankte Kinder und Jugendliche. Auf Therapien, erst recht kassenfinanzierte, wartet man oft monatelang. Der Ausbau geht viel zu langsam. Da müssten doch bei den politisch Verantwortlichen die Alarmglocken schrillen.“

In eine ähnliche Kerbe schlägt die Bundesjugendvertretung (BJV). „Die psychische Gesundheit junger Menschen hat sich seit der Corona-Pandemie dramatisch verschlechtert“, sagt BJV-Vorsitzender Julian Christian. „Neueste Zahlen zeigen, dass sich die Suizidalität bei unter-18-jährigen in den letzten fünf Jahren sogar verdreifacht hat. Das ist ein deutliches Alarmsignal. Bei diesen Zahlen dürfen wir nicht wegschauen.“

Prävention sei daher umso wichtiger, so SOS-Kinderdorf-Geschäftsführer Moser. Schon in und vor der Schule müsse man hier ansetzen, erklärt er, das Schulsystem selbst sei der größte Belastungsfaktor für Kinder und Jugendliche überhaupt. Innovative Projekte sein hier eine Seltenheit.

Moser verweist auch auf die hohe Inflation, die Familien zusätzlich zu schaffen mache, materielle Not sei ein reales Problem. Würden die Familien ohne Unterstützung bleiben, „haben wir psychische Langzeitfolgen bei Kindern bis ins Jugend- und Erwachsenenalter. Es hilft nicht ein Bonus hier oder eine Sonderzahlung da. Was es braucht ist ein umfassendes und verantwortungsvolles Gegensteuern der Politik. Sonst bekommen wir die psychische Gesundheitskrise nicht in den Griff.“

Positiv erwähnt wird sowohl von der Bundesjugendvertretung als auch vom ÖBVP das von der Regierung ins Leben gerufene Projekt „Gesund aus der Krise“ als erster Schritt in die richtige Richtung. Es brauche aber weitere Anstrengungen, so der Tenor.


Text: Moritz Ettlinger
Titelbild:
Emily Underworld auf Unsplash

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