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„Geschichten berühren und tun Gutes“

Der Journalist Daniel Puntas Bernet gründete das erfolgreiche Magazin „Reportagen“ und organisiert das „True Story Festival“ vom 24. bis 26. Mai 2024 in Bern.

Interview: Urs Heinz Aerni

Urs Heinz Aerni: Im Mai steigt das „True Story Festival“ in Bern. Ein Fest rund um den Journalismus mit Schwerpunkt Reportagen. Was motiviert Sie und Ihre Frau Rocío Puntas Bernet, die auch Mitorganisatorin ist, an so ein Festival heranzugehen?

Daniel Puntas Bernet: An Festivals im kolumbianischen Cartagena und im italienischen Ferrara haben wir erlebt, wie Journalisten mit ihren Recherche-Einblicken das Publikum zu begeistern vermögen. Diese Erlebnisse wollten wir auch in der Schweiz ermöglichen! Das True Story Festival soll einen vielfältigen Blick hinter die Schlagzeilen gewähren, die unseren Nachrichtenkonsum dominieren. Und ein Zeichen setzen für die redliche Arbeit von Medienschaffenden, in Zeiten, in denen der Journalismus und seine Glaubwürdigkeit vielerorts angekratzt ist oder wird.

Aerni: Die Reportage ist die „Königsdisziplin“ im Journalismus, wobei die Grenze zwischen Recherche und literarischer Wahrnehmung verschwimmen kann. Wo sehen Sie hier Ihre Aufgabe als Herausgeber?

Puntas Bernet: Beidem gerecht zu werden. Sowohl dem journalistischen Anspruch nach qualitativ gutem Handwerk bei der Recherche, beim Umgang mit den Protagonisten und beim Schreiben, wie auch dem Bestreben, die Möglichkeiten der Literatur zu nutzen.

Aerni: Konkret heißt das…

Puntas Bernet: Darunter fällt explizit nicht das Kreieren oder Erfinden von Szenen, Dialogen oder Personenzeichnungen, sondern die dramaturgische Konzeption und die sorgfältige und gekonnte Verwendung von Sprache.

Aerni: Während Medienhäuser umstrukturieren, Sparmaßnahmen vornehmen, und Stellen streichen, feiert Ihr Magazin schon bald 80 Ausgaben ohne zu jammern. Wie machen Sie das? 

Puntas Bernet: Natürlich könnten wir in das Konzert einstimmen – auch wir kämpfen um jeden einzelnen Abonnenten- , aber das bringt ja niemandem etwas. Unsere Überzeugung, dass Geschichten Menschen berühren und etwas Gutes in die Welt setzen; und dass das Eintauchen in andere Welten eine nachhaltige Wirkung hat, hat sich in all den Jahren nicht verändert. Im Gegenteil: Je höher die Geschwindigkeit von Social Media, Breaking News auf allen Kanälen, desto mehr fällt eine ausgeruhte Reportage auf fruchtbaren Boden.

Daniel Puntas Bernet in kariertem Hemd.
Daniel Puntas Bernet bleibt trotz aller Krisen des Journalismus optimistisch. Foto: Reportagen

Aerni: Ich nehme Sie als einen optimistischen Menschen wahr, obwohl der Qualitätsjournalismus immer mehr durch Nationalismus, Kostendruck und einer immensen Meinungsflut im Web unter die Räder zu kommen scheint. Warum?

Puntas Bernet: Dafür kann ich nicht viel. Das Glas immer als halb voll zu betrachten, liegt in meinem Naturell. Deshalb sehe ich trotz all der genannten Gefahren in unserer Branche überall Chancen. 

Aerni: Wie nehmen Sie die Unterschiede der Medienkulturen der drei deutschsprachigen Länder Deutschland, Österreich und die Schweiz wahr? Gäbe es Potenzial, mehr voneinander zu lernen?

Puntas Bernet: Als Schweizer Journalist und Leser bin ich erst einmal beeindruckt von dem, was ich in Deutschland und Österreich lese. Was für eine Rhetorik! Was für eine Sprachbeherrschung! Ein Feuilleton-Beitrag in einer deutschen oder österreichischen Qualitätszeitung ist für mich – ungeachtet des Themas – in erster Linie purer Lesegenuss. Umgekehrt liegt eine Qualität im Schweizer Journalismus vielleicht darin, dass hier nicht alles gleich zur übersteigerten Debatte oder Sensation hochgekocht wird.

Aerni: Nach wie vor entscheiden sich trotzdem junge Menschen für eine Ausbildung im Bereich Journalismus. Was möchten Sie diesen ans Herz legen?

Puntas Bernet: Dass sie sich von den Schwierigkeiten der Rahmenbedingungen – Anstellungsstopp in den großen Häusern, ökonomische Einbußen, prekäre Honorare, schlechtes Image etc. – nicht aus der Bahn werfen lassen. Das Innere Feuer für diesen Beruf am Leben zu erhalten, indem man sich bei jeder Geschichte und jeder Recherche neu vor Augen hält, was man gegenüber Protagonisten, Leserschaft und Gesellschaft für eine Verantwortung hat und Positives bewirken kann. Und sich bewusst zu sein, was für ein Glück man hat, der eigenen Neugier nachgehen und das sogar zum Beruf machen zu dürfen.

Aerni: Zum Schluss noch die berühmte Frage, welche Lektüre jetzt auf Ihrem Nachttisch liegt.

Puntas Bernet: «Outlaw Ocean» von Ian Urbina, eine Monsterrecherche von den sieben Weltmeeren. Alice Munro, die ich soeben entdeckt habe und deren Kurzgeschichten mich Umhauen. Außerdem gleich drei Franzosen: Honoré de Balzac, Emmanuelle Carrère, Virginie Despentes.


 Daniel Puntas Bernet war als kaufmännischer Angestellter, Devisenhändler und im Sportmarketing tätig. Er entdeckte Mitte Dreißig, nach einem Studium der Deutschen und Spanischen Literatur, den Journalismus. Arbeitete zehn Jahre als Freier Reporter für „Geo“ und die „Neue Zürcher Zeitung“ und schließlich als Redakteur für die „NZZ am Sonntag“ . Die Leidenschaft fürs Geschichtenerzählen führte zur Idee das Magazin „Reportagen“ zu gründen. Er ist zusammen mit seiner Frau und Journalistin Rocio Putas Bernet Initiant des 2019 eingeführten „True Story Award“ in Bern.

Titelbild: Reportagen Verlag

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