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„Eisernes Schweigen“: Die unerzählte Geschichte eines Attentats

Traudl Bünger erzählt in einer neuen Podcast-Serie die Geschichte ihres rechtsextremen Vaters und eines Attentats, über das er sein Leben lang geschwiegen hat.

 20. Oktober 1962: Bei einem Anschlag am Bahnhof von Verona werden 15 Menschen verletzt, der Bahnarbeiter Gaspare Erzen wird durch die Kofferbombe getötet. Das Attentat reiht sich ein in die sogenannten „Bombenjahre“ in Südtirol zwischen 1956 und 1972. Vorausgegangen ist die harte Politik unter Benito Mussolini, die den Prozess der Italienisierung der deutschsprachigen Bevölkerung in Südtirol vorangetrieben hatte, sowie Verstöße gegen das Völkerrecht nach Ende des Zweiten Weltkriegs.

„Papa, hast du das damals gemacht mit den Bomben?“ Auf diese Frage bekam Traudl Bünger nie eine Antwort. Mittlerweile weiß sie: Ihr Vater war an dem tödlichen Bombenanschlag 1962 in Verona beteiligt. Vier Jahre lang hat sie in den Archiven von drei Ländern recherchiert, viel gelesen, Puzzlestein für Puzzlestein zusammengefügt und mit Expert*innen gesprochen. 

Podcast-Bild
Eisernes Schweigen erscheint am 10. April.

Herausgekommen ist der WDR-Podcast „Eisernes Schweigen. Über das Attentat meines Vaters“, der am 10. April erscheint. In acht Folgen beleuchtet Traudl Bünger die Geschichte ihres rechtsextremen Vaters, blinde Flecken in der deutschen Geschichte und rechtextreme Netzwerke, die bis heute wirken.

Für die Kölner Autorin und Kulturvermittlerin sei das Projekt ein „schwieriger Balanceakt“ gewesen: „Objektivität, Urteil, Haltung zu haben gegenüber diesen Taten und eben emotional involviert zu sein, Gefühle zu haben für diesen Menschen, um den es geht. Das ist schwer zu vereinbaren“, erzählt Bünger.

Der Podcast gehe aber über diesen einzelnen Fall hinaus. „Wir sehen an dieser Geschichte einen Staat, der sein rechtes Auge zukneift“, sagt die Autorin. „Und das hat Effekte, die bis heute reichen, bis zu den Schockmomenten, die wir jetzt erlebt haben im Potsdamer Geheimtreffen. Es ist die gleiche Szene, in der diese Diskussionen geführt werden, der es um Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund geht. Wie die Szene, in der damals die Attentate geplant wurden.“

Traudl Büngers Vater, der auch Teil des rechtsextremen „Bund Nationaler Studenten“ (BNS) war, wird bei einem Prozess in Italien in Abwesenheit zu 21 Jahren und 7 Monaten Zuchthaus verurteilt. Da eine Auslieferung zum damaligen Zeitpunkt rechtlich nicht möglich war, verbleibt Büngers Vater in Deutschland und wird dort 1980 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.

Vorerst – denn 1982 wird das Urteil aufgrund von Verfahrensfehlern aufgehoben, wenig später auch das Verfahren eingestellt. Im Herbst 2016 stirbt Heinrich Bünger. Seine rechtsextremen Positionen hat er bis zu seinem Tod nicht aufgegeben, über Taten bis zum Schluss nicht gesprochen. Traudl Bünger erzählt jetzt seine Geschichte. Eine Geschichte, die über weit über den konkreten Fall ihres Vaters hinausgeht.


Eisernes Schweigen. Über das Attentat meines Vaters
Ein True-Crime-Podcast von Traudl Bünger
Zu hören ab dem 10. April 2024 in der ARD Mediathek und überall, wo es Podcasts gibt
Link zum Podcast

Text: Moritz Ettlinger
Titelbild: (c) WDR

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