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Nichts eignet sich besser als eine Krisensituation, um einen Veränderungsprozess zuversichtlich infrage zu stellen

Was, wenn die Zuversicht gestorben ist? – „Angesichts all dieser Herausforderungen – haben Sie noch Zuversicht für die Zukunft?“ Die Transformationsforscherin Maja Göpel antwortet:  Hannah Arendt hat einen wichtigen Satz gesagt: Das Gute hat nie komplett gewonnen – aber das Böse auch nicht.

Ein Gastbeitrag von Ilse Kleinschuster

Das sollten wir uns immer wieder in Erinnerung rufen. Während es in der Natur echte Kipppunkte gibt, von denen es kein kurzfristiges Zurück mehr gibt, gilt das für gesellschaftliche Entwicklungen nicht. Der soziale Wandel ist viel schneller möglich – und damit bleibt die Zukunft immer offen für Veränderung. 

Hat es Kipppunkte im öffentlichen Diskurs immer schon gegeben und kann (soll) ich zuversichtlich bleiben, dass sich auch diese – meiner Meinung nach für kommende Generationen nichts Gutes versprechende – „Zeitenwende“ durch eine starke, öffentliche Debatte noch zum Guten wenden lässt?!? 

Aktuell wird ja die politische Debatte primär in den USA von Menschen beherrscht, die aufgrund ihres Reichtums (auch) die Medien beherrschen. Es sind Menschen, die daran interessiert sind, dass Fake News, alternative Fakten und dreiste Lügen salonfähig werden und so zu Kipppunkten im öffentlichen Diskurs führen. In einer „Nachrichtenwüste“ wie den US-amerikanischen Staaten entwickeln sie sich schnell zu destruktiven Influencern in der Politik (z.B. Jeff Bezos, der vor vier Jahren Amazon gekauft hat, sich zunächst aus dem Redaktionellen herausgehalten hat, aber im Vorjahr dem Blatt eine Wahlempfehlung verboten hat). Diese Kipppunkte sind in den USA wohl annähernd erreicht. 

Europa sollte jetzt alles daransetzen, sich noch rechtzeitig dieser Gefährdung zu entziehen. 

Es ist für viele Menschen schwer zu verstehen, warum der Staat zum Feindbild der Populisten geworden ist. War es die zu starke Bevormundung „von oben“, vonseiten eines überbordenden Beamtenapparats mit rechtsstaatlich organisierter Infrastruktur, die von der „ach so aufgeklärten Bürgerschaft“ als restriktiv empfunden worden ist? Da frage ich mich aber schon, beginnt Freiheit nicht mit der Anerkennung von Sein und Sollen? Fehlt es da nicht oft an Perspektivenwechsel, um einen Standpunkt zu finden, von dem aus wir die Erfüllung von zwei oder mehreren Werten erkennen können? Freiheit kann doch nicht nur bedeuten, dass die Regierung uns in Ruhe lässt, aber auch nicht, dass wir die Regierung einfach in Ruhe lassen. Tja, denn zumindest zu meiner Vorstellung von Freiheit gehört auch, für möglichst viele Menschen die Voraussetzung für Glück (wellbeing) zu schaffen. 

Nun, der sogenannte Libertäre propagiert Rationalität. Wenn nun Libertäre und ihre Vasallen die wissenschaftliche Propaganda der Fossil-Oligarchen verbreiten, stellen sie sich damit nicht gegen jene Faktizität, wie sie bereits weltweit durch die durch den Klimawandel ausgelösten Katastrophen dokumentiert wird? Wenn nun Fakten (Tatsachen) nicht zählen, dann siegen „aufwieglerische Verbände“, was bedeutet, dass Tyrannen und Oligarchen immer gewinnen, so Timothy Snyder, der Autor des weltweiten Bestsellers „Über die Tyrannei“ und er sagt weiter: „Um den wenigen Lügen etwas entgegenzusetzen, müssen wir letztlich Millionen kleiner Wahrheiten produzieren.“ (in: „Über Freiheit“, C.H.Beck)

Nun, ist es aber nicht so, dass Fakten sich von selbst dokumentieren, sondern dass Fakten uns brauchen, um von ihnen zu berichten. Mit uns meine ich Menschen, die genau wissen, was Fakten bedeuten, nämlich dass sie Bedingungen für Freiheit sind. Wird mit dem Wort Faktizität (Wahrheitsfindung) nicht ausgedrückt, dass es Arbeit gibt, die sozial sein muss, und zwar in dem Sinn, dass Gemeinschaften die Tatsachenermittlung für Einzelne möglich und attraktiv machen? Faktizität erfordert demnach Institutionen, allen voran solche für investigative Berichterstattung, konstruktiven Journalismus, kurz: Qualitätsmedien. Alles andere ist Propaganda. Ich glaube, um den derzeitigen destruktiven Veränderungsprozess infrage zu stellen und um der aktuellen Krisensituation noch rechtzeitig Herr zu werden, braucht es unsere Unterstützung vieler solcher Gemeinschaften. 

Um einem Veränderungsprozess mit mehr Zuversicht entgegenzugehen, brauchen wir mehr unabhängige Gemeinschaften, die für unabhängigen Journalismus einstehen wie z.B.  „Unsere Zeitung – die Demokratische“, aber auch einen Verein unabhängiger JournalistInnen, der ihn verteidigt. Sie alle leben vor allem von Spenden!


Titelbild: Markus Winkler / Pixabay

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