„Mehr Sicherheit ohne Waffen“ versus „nur mit Waffen Frieden schaffen“
Angeregt zu relevanten Überlegungen wurde ich nicht zuletzt durch meine Teilnahme an der Veranstaltung „Mehr Sicherheit ohne Waffen: Zur Aktualität von Hans Thirrings Friedensplan“, einer Buch-Präsentation im Institut für Internationalen Frieden (IIP) in Wien.
Ein Gastkommentar von Ilse Kleinschuster
Immer wieder habe ich mir anlässlich der besorgniserregenden geopolitischen Lage in den letzten drei Jahren gedacht, wie es wohl wäre, würden plötzlich alle in Österreich lebenden Menschen sich fragen: Ist Österreich nicht ein neutrales Land und hat es daher nicht ganz besondere Möglichkeiten sich jetzt gegenüber den von der EU-Kommission geforderten Aufrüstungsplänen zu widersetzen? Und warum sollte eine unbewaffnete Neutralität nicht machbar sein? Haben wir nicht schon genug Erfahrung anhand von internationalen Beispielen, die zeigen, dass Waffen keinen Frieden schaffen können? Laut UNO wurde doch 2023 weltweit die höchste Anzahl gewalttätiger Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet. Wie kann da immer noch argumentiert werden, nur mit Waffen könne Frieden geschaffen werden? Sind wir nicht dieser „Theorie der Abschreckung“ zum Trotz einer Eskalation und einem dritten, womöglich atomaren Weltkrieg nahe? Warum wird nicht stärker in umfassende und präventive Friedensarbeit investiert statt in Hochrüstung?
Ich versteh’s nicht – ihr vielleicht?
Meine pazifistische Haltung hat oft schon feindliche Reaktionen ausgelöst – von naiv bis Putin-Versteherin. Ja, ist mir schon klar, dass es da ein Spannungsfeld gibt zwischen dem Recht auf Selbstverteidigung und dem Recht, den Kriegsdienst zu verweigern. Und ich habe seinerzeit, 1960 als es eine Umfrage zur Abschaffung des Bundesheeres in Österreich gab, mich nicht leicht dafür entscheiden können, weil schon damals ein Bekannter (ein Banker!) meinte, dann würde bald einer kommen und ein Berufsheer errichten.
Außerdem, so denke ich, würde man in Friedenszeiten politisch stärker auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Ursachen von Konflikten eingehen, wäre das nicht allein schon eine effektive Friedensinitiative? Aber dafür bräuchte es Hilfe von oben, sprich Diplomatie, die zu Solidarität, Unterstützung und Kooperation mit den Menschen, die in Zonen bewaffneter Konflikte leben, aufruft. Klar, es sind weltweit patriarchale Systeme, fußend auf Hierarchie, Ungleichheit und Ausbeutung, die zu Konflikten führen. Sie basieren auf der Herrschaft von Kapital und Macht und sie neigen dazu, die Kluft zwischen „Nord“ und „Süd“, zwischen „reich“ und „arm“ zu vergrößern. Es fehlt ihnen an Respekt für die Würde des Menschen und der Natur.
Aber, muss das so sein?
MAD – ja, „mad“, verrückt, für Abrüstung zu plädieren, wenn die sagen, das sei utopisch und es könne sogar den Frieden gefährden. Sollte da nicht an das Konzept der nuklearen Abschreckung gedacht werden, das ja seinerzeit wegen der Gefahr „gegenseitig zugesicherter Zerstörung“ (engl. Mutuel Assured Destruction – MAD) empfohlen wurde, und durch das Atommächte vom Einsatz von Atomwaffen abgehalten würden, wenn sie wissen, dass die andere Seite in der Lage ist, nach einem Erstschlag vernichtend zurückzuschlagen. Was aber zur Folge hatte, dass die atomare Aufrüstung immer weiter geht und Atomwaffen ständig „modernisiert“ und in Einsatzbereitschaft gehalten werden (müssen). Steht diese Abschreckungsdoktrin nicht in totalem Widerspruch zu den Zielen von globaler Kooperation, Vertrauen und friedlicher Zusammenarbeit, wie sie die UNO-Charta vorsieht?
Apropos UNO!
Tja, wurde da nicht 2017 durch großes Engagement von DiplomatInnen, Betroffenen von atomaren Testungen und AktivistInnen von zivilgesellschaftlichen Organisationen der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen formuliert und von 122 Mitgliedern der Vereinten Nationen angenommen? Das wäre gleich mal ein gutes Beispiel, was von kleinen Staaten in Kooperation mit Willigen und Mutigen erreicht werden kann!
Friedensorganisationen in Österreich und in vielen anderen Ländern arbeiten engagiert an der Umsetzung dieses Atomwaffenverbotsvertrags. „TPNW – Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons“ – ein Meilenstein für Abrüstung und Sicherheit. Österreich zählt zu den zentralen Initiatoren des Vertrags.
Wie wäre es, die UNO zu stärken (finanziell, z.B. durch Abgaben der großen Konzerne auf die Gemeingüter an die Staaten (Staatendividende) oder eine UN-Sonderversammlung zu den Themen Abrüstung, Entspannung und Sicherheit damit zu beauftragen, eine jährliche Senkung der Militärausgaben verbindlich festzulegen, um die freiwerdenden Mittel für die Finanzierung nachhaltiger Entwicklung des Übergangs zu klimafreundlicherem Wirtschaften und der generellen Friedenskonsolidierung zu verwenden?
Nur, was nützt es, wenn jetzt auch in Österreich – mit Hinweis auf die Bedrohung durch den russischen Angriff auf die Ukraine – das Budget des Bundesheeres massiv erhöht wird? Und dies ohne gesellschaftliche Diskussion, in welcher Form und mit welchen Mitteln die Landesverteidigung erfolgen soll?
So sieht nun das Bundesfinanzierungrahmengesetz vor, dass das Militärbudget auf 4,7 Milliarden angehoben wird – eine Erhöhung gegenüber 2022 um 73,3%. Für Maßnahmen der umfassenden sozialen Sicherheit und Friedenssicherung sind hingegen keine Mittel vorgesehen. Wäre nicht die Bereitstellung von mehr Geld für Friedensarbeit von Friedensinitiativen aus der Friedensbewegung gefordert worden, wäre das Thema nie auf die Tagesordnung des Parlaments gekommen.
Es braucht also – nicht nur in Österreich – noch viele gesellschaftliche Diskussionen und Initiativen, um zu einem Sicherheitsbegriff zu kommen, der Friedenssicherung als umfassende und permanente Aufgabe umfasst. Auch in der Agenda for Peace der Vereinten Nationen wird betont, dass Sicherheit mehr sein muss als militärische, d.h. bewaffnete Sicherheit. “Es geht um soziale und ökonomische Aspekte, um Entwicklung und die Sicherung der Grund- und Menschenrechte aller Menschen“ (United Nations 2023, S.22). Soziale, ökonomische und ökologische Probleme, die zu gesellschaftlichen Konflikten und Spannungen führen, müssen in ihren Ursachen angegangen werden, statt sie als „Sicherheitsproblem“ zu definieren und damit eine Ausweitung militärischer Mittel zu rechtfertigen.
Herausragende internationale Beispiele für Antimilitarismus und Abrüstung werden in dem anfangs erwähnten Buch „Mehr Sicherheit ohne Waffen: Zur Aktualität von Hans Thirrings Friedensplan (Hg. Werner Wintersteiner) vorgestellt.
Die Zivilgesellschaft und die UNO stärken!
International tätige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) können beratenden Status beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat erhalten und an Konferenzen mitwirken, allerdings nicht mitstimmen und sie sind von informellen Beratungsgremien, bei denen z.B. Vertragstexte verhandelt werden, ausgeschlossen. Seit 1945 hat sich die Zahl der weltweit tätigen NGOs vervielfacht. Daher wäre es dringend an der Zeit, die Rolle der Zivilbevölkerung zu stärken. Dazu gibt es zahlreiche Vorschläge, wie z.B. die Einführung einer globalen BürgerInnen-Initiative, damit Menschen Petitionen direkt an die Vereinten Nationen richten könnten. Vielversprechend klingt der Beschluss des letzten UNO-Gipfels in New York: Auf dem Gipfeltreffen verabschiedeten die Mitgliedstaaten einen „Pakt für die Zukunft“, der zwei Anhänge umfasst: Der Global Digital Compact soll einen inklusiven, offenen und sicheren digitalen Raum fördern, der die Menschenrechte achtet, schützt und fördert.
Eine „Gemeinsame Sicherheit“!?!
Ist es denn wirklich nicht möglich, aus den UNO-Berichten der 1980-er Jahre, insbesondere dem Bericht der Palme-Kommission, auch für die gegenwärtige Lage Anhaltspunkte für das angemessene Herangehen an die existentiellen Menschheitsprobleme des 21. Jahrhunderts zu finden? Wenn nun die Politik der Weltmächte zunehmend versagt, dann muss heute der Druck zur Umsteuerung von unten, aus den Völkern bzw. den Zivilgesellschaften kommen.
Wenn nun der Palme-Bericht II aus dem Jahr 2022 einen konkret formulierten Appell an die Weltgemeinschaft enthält, „die internationale Ordnung in den Griff zu bekommen, um Kriege zu verhindern, die globale Erwärmung aufzuhalten, Pandemien zu bekämpfen und andere weltweite Herausforderungen zu bewältigen„, so ist das zwar löblich, aber ohne einen sanktionsfähigen Internationalen Gerichtshof offensichtlich schwer möglich.
Ich finde, Europa als Wiege der Aufklärung und der UN-Menschenrechtserklärung käme dabei eine besondere Rolle zu. Ich höre aber zumeist nur Kriegsgeschrei. Umso mehr möchte ich hier und jetzt auf die Rolle einer starken zivilgesellschaftlichen Friedensallianz aufmerksam machen, der sie auch beitreten können. www.abfang.org
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Ich verstehe es nicht! – Ich auch nicht. Diplomatie scheint ein Mangelberuf zu sein. Vor 50 Jahren im Kalten Krieg fanden sich Politiker unterschiedlicher Staaten zusammen, um die Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa – Wikipedia zu bestätigen (Kreisky war auch dabei, siehe Wikipedia-Bericht). Die daraus folgende OSZE schafft es nun nicht, Friedensgespräche zustande zu bringen. In OSCE Parliamentary Assembly Special Rapporteur concludes fact-finding visit to Ukraine kommt das Wort PEACE überhaupt nicht vor. Österreich wurde ersucht, die heurige Außenministerkonferenz der OSZE abzuhalten, was das Außenministerium auf Ersuchen Finnlands (das keine russischen Diplomaten einladen will) auch übernahm. Aber Frau Außenminister will diese Gelegenheit nicht nutzen, um die Kriegsbeteiligten zu einem Friedensgespräch einzuladen. Die Neutralität wird zwar kritisiert, aber sie wird nicht eingesetzt für Friedensarbeit. Von den Aufrüstungsmilliarden sollten doch auch einige Millionen für Diplomatie investiert werden, um Sicherheit durch Frieden anzustreben. Wenn die anderen europäischen Staaten nichts tun wollen, könnte die österreichische Diplomatie wieder einmal berühmt werden!
GEDANKEN IM MAI
Der Mai macht alles neu, so steht’s geschrieben;
Wonnemonat, man schwebt auf Wolke sieben.
Wir bewundern die Nacht, die himmlische Pracht;
freuen uns, dass ringsum die Natur erwacht.
Der Frühling zieht ein im bunten Kleid,
mit herrlichsten Blumen und Blüten.
Er macht Menschen froh und Herzen weit,
möge er auch bringen den Frieden.
Dass Raketen ins Weltall fliegen,
und nicht den Tod bringen in Kriegen.
Dass vom Himmel die Sterne schimmern,
und nicht Drohnen Häuser zertrümmern.
Darum sollte nun machen der Mai,
dass endlich Krieg und Leiden vorbei.
Für alle Zeiten Gewaltverzicht,🕊️☮️
nie darf erlöschen das Friedenslicht.
Dem Blutvergießen ein Ende,
Völker reichen sich die Hände.
Allen Menschen Gerechtigkeit,
Leben in Frieden und Freiheit.
Rainer Kirmse , Altenburg
Herzliche Grüße aus Thüringen
Ich finde die Konzepte von Franz Jedlicka, ein Friedensforscher aus Wien recht einleuchtend (Kindheit und Kriege ..). Unlängst sprach er ja auch in der UNO Wien. Schade dass seine Forschung anscheinend international mehr beachtet wird als in Österreich. Kommende Woche spricht er auch an der VHS Urania in Wien. .. Schönen Sonntag! Barbara