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Debattenvermeidung

Alexander Van der Bellen sollte sich der Diskussion mit den restlichen Bewerbern für das Amt des Bundespräsidenten stellen.

Ein Kommentar von Moritz Ettlinger

In rund einem Monat wird gewählt, am Sonntag ertönt langsam aber sicher der Startschuss für die finale Phase des Bundespräsidentschaftswahlkampfes: Der ORF lädt alle (leider ausschließlich männlichen) Kandidaten zu einer ersten TV-Diskussion im Rahmen der Sendung „Im Zentrum“ auf den Küniglberg. Einer, Amtsinhaber Alexander Van der Bellen, wird an der Debatte allerdings nicht teilnehmen.

Angekündigt hatte Van der Bellen schon im Sommer, TV-Debatten aus dem Weg gehen zu wollen. In einem Interview mit der „Tiroler Tageszeitung“ im Juli meinte der Präsident, seine Wähler*innen würden ihn kennen und hätten sich in den vergangenen Jahren einen Eindruck davon verschaffen können, wie er denke, fühle und handle. „Wozu also Politik-Show?“, fragte Van der Bellen. Auch sonst hätte kein amtierender Bundespräsident an TV-Duellen teilgenommen, sagte Van der Bellen der „TT“. „Alle haben die Würde des Amtes gewahrt.“

Und zum einen hat der Präsident da sicher recht. Kennenlernen muss den 78-jährigen Langzeitpolitiker wahrlich niemand mehr, und so manches Fernsehduell hat den zurecht negativ konnotierten Begriff „Politik-Show“ absolut verdient. Die unmoderierte Debatte zwischen Van der Bellen und Hofer im Vorfeld der Wahl 2016 beispielsweise dürfte da vielen noch in Erinnerung sein.

Dieses Stück Fernsehgeschichte inklusive Scheibenwischer ändert allerdings nichts daran, dass Van der Bellen gut daran täte, größeren Diskussionsrunden nicht völlig aus dem Weg zu gehen. Drei Gründe sprechen dafür.

Zum ersten lebt eine Demokratie von Diskussionen und Debatten. Welches Signal sendet der oberste Mann im Staat aus, wenn er sich im Vorfeld einer Wahl nicht einmal den kritischen Fragen jener Leute stellen will, die sich (aus welchen Gründen auch immer) dazu entschieden haben, gegen ihn anzutreten?

Zum zweiten hat sich die Welt, in der wir leben, seit 2016 in mehrfacher Hinsicht fundamental verändert. Krieg, Pandemie, Inflation, Klimakrise – die Bevölkerung hat ein Recht darauf, zu wissen, wie der Präsident zu diesen Themen steht, auch und vor allem im direkten Vergleich mit seinen Konkurrenten. Denn auch, wenn die Tagespolitik nicht das Kerngeschäft des Bundespräsidenten ist: Sein Wort hat Gewicht in der öffentlichen Debatte.

Und zum dritten wurde Van der Bellen zwar für viele seiner Handlungen während der letzten sechs Jahre gelobt (Stichwort: Ibiza), Kritik gab es jedoch auch zur Genüge, etwa zur Angelobung von Innenminister Kickl. Ob berechtigt oder nicht: Der Bundespräsident ist es seinen Wähler*innen und seinen Mitbewerbern schuldig, sich zu erklären.

Alexander Van der Bellen wird die Wahl im Oktober mit hoher Wahrscheinlichkeit gewinnen, alles andere wäre eine große Überraschung. Im August erklärte der Meinungsforscher Peter Hajek, dass Alexander Van der Bellen schon einen „groben Fehler“ machen müsse, um die Wahl noch zu verlieren. Sich der Debatte mit seinen Mitbewerbern nicht zu stellen und diesen die Bühne zu überlassen, könnte allerdings ein solcher Fehler sein und den Präsidenten (zumindest) in die Stichwahl zwingen.


Titelbild: IAEA Imagebank auf Flickr / CC BY 2.0            

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