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Werkstattbericht II: über Werkstattberichte

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 30]

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Manche mögen den Werkstattbericht von letzter Woche öde und wenig aufschlussreich gefunden haben. Fakt ist: solche Artikel erleben momentan einen ungewöhnlichen Aufwind, einzelne Medien unterhalten ganze Rubriken dazu. Daher lohnt die Auseinandersetzung. Dies ist der Versuch einer theoretischen Skizze nach einer ersten intensiven Recherche.

  1. Der Purist

Diese Unterart des Werkstattberichts ist rasch erklärt: dabei zählt der/die AutorIn kurz und knapp auf, was seit dem letzten Blogeintrag (Werkstattberichte erscheinen online zumeist in privaten oder massenmedialen Blogs) produziert wurde. Das „Wie“ ist ziemlich irrelevant. Zur Veranschaulichung lohnt ein Besuch im Wort-Dock der Hamburgerin Tina Anastassiou. Ein puristischer Werkstattbericht kann so aussehen: „Für diese Folge von 3K benötigte ich etwa fünfeinhalb Stunden. Außerdem habe ich vergangene Woche noch drei weitere Artikel verfasst.“ Ende.

  1. Die Bauanleitung

Dieser Typ fällt aus der Reihe. Er bezeichnet einen wortwörtlichen Werkstattbericht, ähnlich einem Laborbuch. Das heißt, nicht die Produktionsprozesse publizistischer Tätigkeit stehen im Vordergrund, sondern Portraits handwerklicher wie produzierender Betriebe und/oder Do-it-Yourself-Videos. Es scheint, als würden diese Beiträge von Bastel-Bobos für andere biedere Heimwerker-HipsterInnen angefertigt, umgekehrt genauso. Ein Beispiel ist dieses Video der Zeit.

  1. Die Matrix

Der Datenjournalismus hat den Anspruch, aus umfangreichen Informationen und Werten verständliche Enthüllungsstories mit anschaulichen, im Web interaktiven Grafiken zu machen. Manche sehen ihn daher als investigativen Journalismus der Zukunft an, andere als Unterkategorie desselben. Auffällig ist: wird Datenjournalismus gut gemacht, gibt es immer (!) auch einen Beitrag, in dem die Quelle, das analytische Verfahren sowie andere Rechercheschritte genau protokolliert werden.

  1. Die Reportagen-Reportage

Die wichtigste journalistische Ressource ist dem Einvernehmen nach Zeit. Man braucht sie, um Quellen zu prüfen, Kontakte aufzubauen, zu pflegen, zu schreiben, Geschriebenes zu überarbeiten. Manche Recherche ist sehr herausfordernd. So verarbeitete ein SZ-Autor seine langwierigen Vorbereitungen für eine Story über die deutsche Elite-Truppe KSK. Der Text ist ein reportageartiger Werkstattbericht, ähnlich diesem STANDARD-Beitrag zu einer grenzübergreifenden Serie über Raubkunst.

  1. Der Reportagen-Bericht

Reportagen an sich können auch durch Werkstattberichte ergänzt werden. ReporterInnen erzählen dabei besonders gerne von Hürden, die sich bei ihren Recherchen auftun. US-AmerikanerInnen sind hier Vorreiter: so John Gregory Dunne, der 1967 von einem Agrarstreik in Delano, Kalifornien berichtete. Dunne beschrieb, wie ihn Streikgegner aufhielten und der Parteinahme für die Leute um Cesar Chavez bezichtigten.

Übrigens: Annemarie hat auch diese Folge gelesen, aber erneut nicht alles angeklickt. Dafür hat sie einige dicke Schmöker auf unserer Reise dabei.

Foto: Martin Abegglen werkstatt (Lizenz: CC BY SA 2.0)

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