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Das Pariser Klimaabkommen ist ein Papiertiger

[3K – Massenmedien am Montag: Folge 46]

22778390534_aff66abfa3_kZum Wochenende hin packten heimische Medien die Sportbilder aus: der Klimagipfel von Paris gehe „in die Verlängerung“, „Fabius setzt in Ringen um Klimaschutz bis Samstag auf Erfolg“, „Endspurt beim UNO-Klimagipfel – ‚Noch ist alles zugewinnen’“. Nüchterne Fakten – der Anstieg der Weltmeere, Extremwetterereignisse, Artensterben – sind vermutlich zu alltäglich geworden, als das sie noch als düstere Aufhänger herhalten können. Da muss schon der Thrill vom Lokalderby her, die ewige Ringkampf-Metapher funktioniert gar besser, die Ungewissheit der vorletzten Etappe beim Wettrennen, bis der Hund, der Skiläufer, das Rad, das Auto von der Bahn abkommen oder ins Ziel purzeln.

Das erinnert an Experimente, bei denen ganze Ressorts kurzzeitig die Zuständigkeiten tauschen, ergo Politik-Redakteure über Kultur berichten, Gerichtsberichterstatter Restaurantkritiken verfassen, Sportreporter Umweltpolitik überwachen. Es gefällt nicht allen.

Als das Abkommen schließlich stand, wurde wieder der altgediente Phrasendrescher angeworfen, Pathos-Turbo inklusive: „Weltweite Freude“, „Weltweit Lob für Einigung“, „195 Staaten verabschiedeten historischen Vertrag“, „Umarmungen und Tränen“, wahlweise auch „Tränen und Umarmungen“. Von einem „Rettungsseil für die Welt“ sprach EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Wie schade, dass es keine hörbare Außenwahrnehmung gibt, welche die Menschheit wieder auf den Teppich holen könnte.

Die Partylaune wird dennoch getrübt. Die US-Republikaner kündigten an, bei einem Wahlsieg 2016 das Abkommen umgehend „zerfetzen“ zu wollen. Dieser Sager schwebte über der Post-Tatort-Debatte mit Ingrid Thurnher. Ausgerechnet ihr Gast Georg Kapsch (Industriellenvereinigung) wies darauf hin, dass ein „verbindliches Ziel“ nicht erreicht wurde, der Vertrag keine Sanktionen für Zielverfehlung vorsieht. Er führte ins Feld, Europa und Österreich dürften keine Standortnachteile aus einseitigen Zusagen erwachsen. Zudem sei die heimische Industrie eh immer schon der „Forerunner“ in der Materie gewesen. Standortnationalismus und Selbstüberhöhung – so industriell, so gewöhnlich, gerade in unseren Breiten.

Neben ihm saß Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) und beschwichtigte: das Dokument sei ja so formuliert, dass es Obama noch durchbringen könnte. Und Eva Glawischnig (Grüne) lobte Im Zentrum den Vertrag, betonte aber, dass man ihn nachschärfen müsse.

Fehlende Sanktionsmechanismen sind die größte Schwäche des Vertrags neben der Abwesenheit des Schiffs- und Flugverkehrs im Dokument. Natürlich ist es „besser als nichts“, wie es in der Wiener Zeitung heißt. Aber das Abkommen ist und bleibt ein Papiertiger, so lange keine schnell wirkenden Strafen „das Ende des Öl-und-Kohle-Zeitalters“ erzwingen, statt es nur einzuläuten.

Die Presse brachte übrigens eine passable Zusammenfassung des letzten Konferenztags. Einziges handwerkliches Manko: das Titelzitat (Junckers Rettungsseil) kam bis Montag mit keinem Wort im Bericht vor.

Foto: Yann Caradec auf flickr#1heart1tree – Tour Eiffel à #Paris – Eiffel Tower – COP 21 (Lizenz: CC BY-SA 2.0)

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