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Stabil trotz Pfefferspray und Willkür

Bericht von Niklas Böck

Am 11. Juni 2016 passierte wieder einmal etwas auf den Straßen Wiens, man könnte glatt meinen es herrschte Ausnahmezustand. Anders als im Parlament oder in der Mainstream/Boulevard-Presse gab es am Samstag nämlich effektiven, antifaschistischen Widerstand gegen den Aufmarsch von etwa 300-400 FaschistInnen, welche sich den schicken Namen „Identitäre Bewegung“ geben.

Mehrere Katz-und-Maus-Spiele mit der Polizei machten bereits vor Start des rechtsradikalen Marsches schon klar, was der Plan der Linken an diesem Tag war: Den rechten Aufmarsch zu verhindern. In der Gegend rund um die Hütteldorferstraße versuchte man bereits im Vorfeld Blockadepunkte zu etablieren, mitunter erfolgreich.

Zunächst wollten die Rechten vom Märzpark aus durch Rudolfsheim-Fünfhaus Richtung Schönbrunn marschieren. Alsbald wurde dieser Versuch aber durch besagte Blockaden von AntifaschistInnen unterbunden, sodass der braune (niemand sollte sich vom schwarz-gelben Design täuschen lassen) Mob unter Polizeischutz wieder umdrehen musste und am Gürtel, genauer bei der Burggasse, einen neuen Ausgangspunkt wählte. Von dort aus konnten sich die Rechten samt Demowagen nur schleppend und unter massivem Polizeischutz am Ring vorwärts bewegen. Einzig die neuerlichen linken Blockadeversuche hinderten die „Identitären“ an einem raschen Vorankommen, ungefähr 500 AntifaschistInnen stellten sich ihnen am Gürtel entgegen.

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Foto von Michael Bonvalot, CC-BY-NC.

 

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Foto von Michael Bonvalot, CC-BY-NC.

 

Als einzige Möglichkeit, die rechte Demo voranzubringen, sah die Polizei offenbar den (völlig ungerechtfertigten) Einsatz von Pfefferspray. Unter absoluter Inkaufnahme von menschlichen Schäden begann die Polizei nach etwa 100 schleppenden Metern, die blockierenden Linken regelrecht aus dem Weg zu räumen. Menschen stürzten, entweder weil sie von den PolizistInnen umgestoßen wurden, oder unter Schmerzen versuchten das massenhaft versprühte Pfefferspray aus dem Gesicht zu bekommen. Je näher dieser Trott zum Westbahnhof kam, desto mehr PolizistInnen mit Pfefferspray wurden (vermutlich von der überforderten Einsatzleitung) in die erste Reihe gestellt. Bereits zu Beginn der Route war schon so viel Reizgas in der Luft, dass die Exekutive in ihre eigenen Pfeffer – Wolken lief. Ein Video von „Neuwal“ zeigt, wie BeamtInnen aus den Reihen wackeln und unter Pfefferspray Einfluss hustend um Luft ringen (ca. 13. Minute):

Rechtsextremer Aufmarsch und Gegendemo in Wien_______Video: © Daniel Weber (neuwal.com)

Uverejnil používateľ Neuwal Sobota 11. júna 2016

 

liquid democracy in your face!#blockit#refugeeswelcome

Uverejnil používateľ Christopher Glanzl Sobota 11. júna 2016

 

Fragwürdig bleibt, dass die Einsatzleitung nicht bereits hier die Demo der FaschistInnen abgebrochen hat. Richtig perfide wurde es, als bereits gestürzte GegendemonstrantInnen noch einmal gezielte Pfeffer – Ladungen ins Gesicht gesprüht bekamen. Ein Polizist bückte sich regelrecht zu einer merklich angeschlagenen und um Luft ringenden Person hinunter und drückte mit einer gekonnten Handbewegung direkt ins Gesicht der Person ab. Nun mussten immer mehr AntifaschistInnen vor der Polizei in Sicherheit gebracht bzw. gezogen werden, am Schritttempo der „Identitären“-Demo änderte sich allerdings nichts, die linken Blockaden und Gegenwehren blieben aufrecht und standhaft.

Letztendlich zog die Polizei diesen Prügelmarsch aber nur bis zum Westbahnhof durch und die Rechten zogen nach ein paar Standkundgebungen Richtung Bahnhof ab. Jene FaschistInnen, welche nach der Demo nicht nach Hause gingen, gaben ihr Bestes, Einschüchterungsversuche gegen linke Lokalitäten wie das Amerlinghaus oder das Nazim Hikmet Kulturcafe zu starten. Aufgrund solidarischem Zusammenhalts der gesamten Wiener Linken blieb es bei pubertären Einschüchterungsversuchen. Die FaschistInnen wurden vertrieben. Wieder einmal.

;)

Uverejnil používateľ Offensive gegen Rechts Nedeľa 12. júna 2016

 

Seit Sonntag kursiert auch ein Video des grünen Josefstädter Bezirksvizes Alexander Spritzendorfer. Es zeigt, wie zig „Identitäre“ in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Innenstadt mit Bengalischen Fackeln und Flaggen eine unangemeldete Demonstration abhielten. Mit dabei sind wieder viele PolizistInnen, welche die unangemeldete rechtsradikale Versammlung allerdings nicht unterbinden. Sie schützen und geleiten sie. Wieder einmal.

Mitternächtlicher Aufmarsch der Identitären in der Josefstadt

Soeben wurde ich Zeuge eines mitternächtlichen Aufmarsches der Identitären in der Josefstadt. Eine grölende, betrunkene Horde von etwa 150 Identitären mit Megaphon, Fahnen und benaglischen Feuern wurde von der Polizei durch die Laudongasse in eine deutschnationale Burschenschaft in der Albertgasse "eskortiert", statt dass diese illegale Kundgebung sofort aufgelöst worden wäre. Es ist völlig inakzeptabel, dass ein gröhlender Mob um Mitternacht unbehelligt die Straßen der Josefstadt durchziehen kann. (Die "Barden zu Wien" in der Albertgasse 51 rühmen sich u.a. der Mitgliedschaft des ehemaligen Polizeipräsidenten und Bundeskanzlers Johann Schober, der am 15. Juli 1927 den Befehl gab, in die demonstrierende Menge vor dem Justizpalast schießen zu lassen.) Als stellvertretender Bezirksvorsteher werde ich vom Polizeikommandanten der Josefstadt eine Stellungnahme zu diesem Einsatz fordern. #josefstadt

Uverejnil používateľ Alexander Spritzendorfer Sobota 11. júna 2016

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Ein Gedanke zu „Stabil trotz Pfefferspray und Willkür

  • Zoran Sergievski

    Edit: Nach einer raschen Rücksprache in der Redaktion über die Einschätzung der Größe der „identitären“ Demo wurde diese von anfänglich 200 auf „300-400“ hinaufkorrigiert.

    Antwort

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